Hassparolen gegen Juden
Als „schöner Karl“ und „Herrgott von Wien“ ist Karl Lueger in die Geschichte der Bundeshauptstadt eingegangen, von den Leistungen des Bürgermeisters profitieren die Wiener noch mehr als 100 Jahre nach seinem Tod. Dass er seine Karriere auf populistischen Hassparolen aufbaute, wird dabei gern übersehen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Errichtung der Stadtbahn (heute U6) und der Zweiten Hochquellwasserleitung sowie zahlreicher öffentlicher Wohlfahrtsbauten, weiters die Kommunalisierung der Straßenbahn, der Gas- und Elektrizitätswerke: Der christlichsoziale Politiker setzte Maßnahmen, die Wien zur modernen Weltstadt machten.
Per päpstliche Intervention ins Amt
Die andere Seite Luegers war die Mobilisierung seiner Wähler durch Hassparolen vor allem auf Kosten der jüdischen Bevölkerung. Nicht umsonst nannte Adolf Hitler Lueger als eines seiner größten Vorbilder. Die Nazis ebenso wie die Austrofaschisten widmeten Lueger entsprechend viele Propagandamachwerke.
Selbst nach Maßgabe der damaligen rauen politischen Verhältnisse hatte Lueger mit seiner Hasspropaganda das Maß des Erträglichen überschritten. Viermal wurde er zum Bürgermeister gewählt, viermal verweigerte Kaiser Franz Joseph I. die Berufung ins Amt - bis Papst Leo XIII. persönlich intervenierte.
Aufstieg aus kleinsten Verhältnissen
Leo XIII. stieß sich nicht an Luegers hysterischem Antisemitismus, hatte er in dem Wiener doch einen Politiker, der weit über die Grenzen der damaligen Monarchie-Hauptstadt hinaus christliche Wähler mobilisierte. Das christlichsoziale Eck besetzte Lueger aber eher durch Zufall.
Als Sohn eines Hauswarts wurde Lueger am 24. Oktober 1844 in Wien-Wieden geboren. Ganz untypisch für seine Herkunft besuchte er die Theresianische Ritterakademie, die zu jener Zeit fast ausschließlich für die Ausbildung des Adels reserviert war. 1870 promovierte er zum Doktor iuris, 1875 begann er seine politische Karriere.
Jüdischer Armenarzt als Vorbild
Zur Politik kam der spätere antisemitische Hetzer Lueger ausgerechnet durch das Vorbild des jüdischen Wiener Armenarztes Ignaz Mandl, dem Lueger in den Wiener Gemeinderat folgte, um wie sein Vorbild für die Rechte der „kleinen Leute“ zu kämpfen - anfangs auf der Seite der Liberalen.
Von den Liberalen wandte er sich bald ab und geriet, in wechselnden Bündnissen und mit wechselnden Weggefährten, immer stärker ins Fahrwasser des Antisemitismus - nicht so sehr aus Überzeugung, sondern weil ihn die Wiener dafür belohnten: Aus seiner christlichsozialen Splitterpartei wurde so eine Massenbewegung.
Das Schicksal des Populisten
1897 war Luegers Macht schließlich auf ein Maß angewachsen, das ihn per päpstliche Intervention auf den Bürgermeistersessel brachte. Während der folgenden Jahre baute der nie verheiratete Politiker seine Macht noch aus. Vor allem durch seine Zuckerkrankheit versiegten Luegers Arbeitskräfte jedoch in den letzten Lebensjahren zusehends.
Lueger starb 65-jährig am 10. März 1910. Seine Partei erlitt das Schicksal der meisten populistischen Bewegungen. Während vor allem die Wiener einen wahren Kult um Lueger aufbauten, wählten sie nunmehr überwiegend sozialdemokratisch. Luegers Partei hatte hingegen ohne ihn ihre „Inhalte“ verloren.
Links: