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Piechs teures Spielzeug

Die Woche ist für VW-Patriarch Ferdinand Piech ein Feiermarathon: Am Dienstag wurde er 75 Jahre alt, am Mittwoch erfüllte er sich mit dem Kauf von Ducati einen lange gehegten Traum, und am Donnerstag wird wohl auf der VW-Hauptversammlung auf den Deal noch einmal kräftig angestoßen. In Italien sorgte der Abgang der Traditionsmarke für lange Gesichter.

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Es galt immer als offenes Geheimnis, dass Piech ein Fan der sportlichen Zweiräder aus Italien ist. Nun hat sich die VW-Tochter Audi für 860 Mio. Euro den italienischen Motorradhersteller Ducati einverleibt. Experten zeigen sich von dem Deal überrascht, denn Piech ist nach eigenen Aussagen nicht gerne Zweiter. Während er mit seinen Autos auf einem guten Weg zur Weltspitze ist, stellt der verschuldete Motorradkonzern eine besondere Herausforderung dar.

Deal aus „Leidenschaft“ und nicht aus „Logik“

Analyst Arndt Ellinghorst von Credit Suisse glaubt, dass der Deal mehr „aus Leidenschaft“ als „von industrieller Logik“ getrieben war, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte. „Es ist ein unnötiger Nebenschauplatz angesichts der Herausforderungen, wie sie die Eingliederung von Porsche und die Sanierung der Lkw-Sparte Scania und MAN bringen“, so Ellinghorst. Ins selbe Horn stößt auch Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Auch er sieht in der Marke eher ein „teures Spielzeug“, wobei er das Geld bei anderen Projekten besser angelegt sehen würde, wie er dem deutschen „Handelsblatt“ sagte.

Die neu vorgestellte Ducati Monster 795 auf einer Messe

APA/EPA/Shamshahrin Shamsudin

Ducati Monster 795

Die ebenfalls umstrittenen Käufe von Nobelmarken wie Bentley und Bugatti konnte Piech stets mit kostengünstigen Synergieeffekten begründen. Doch diese finden zwischen Motorrad- und Autobranche traditionell kaum statt. So dürften weder Audi noch Ducati direkt von der Fusion profitieren. Das Argument, dass auch Konkurrent BMW über einen Motorradzweig verfügt, der das sportliche Image noch unterstreicht, wird von Analysten eher als Feigenblatt gewertet. Vielmehr zeige der Deal, dass VW nicht mehr wisse wohin mit dem angehäuften Vermögen von 17 Mrd. Euro, glaubt Michael Tyndall, Analyst bei Barclay Capital und bekennender Ducati-Fan.

„Gleichgültigkeit in Italien“

In Italien ist man über den Verkauf entsetzt. Der „Corriere della Sera“-Journalist Sergio Rizzo geißelte noch vor dem Verkauf in seinem Leitartikel das Schweigen und die Gleichgültigkeit, mit der die italienischen Industriebosse die „Emigration“ einer Marke der Hochtechnologie aufgenommen hätten: „Man kann einfach nicht glauben, dass in Italien niemand bereitsteht, jetzt auf Ducati zu setzen“, das Land habe wohl einfach noch einen „zu kurzen Blick“.

Lange gehegter Wunsch von Piech

Der Wunsch, Ducati besitzen zu wollen, ist schon länger in Piech gereift. 2008 sagte er einem deutschen Magazin, dass er sehr gerne einen „kleinen, wertvollen Motorradbauer“ hätte und dass er es bereue, Ducati nicht schon 1985 gekauft zu haben, als das Unternehmen günstig zu haben war. Als 2009 der italienische Superbike-Konkurrent MV Agusta zum Verkauf stand, lehnte Piech entschieden ab. Wenn, dann komme nur Ducati in Betracht, sagte der Motorradfan damals.

Ferdinand Piech, Aufsichtsratsvorsitzender von VW

APA/EPA/dpa/Uli Deck

Zufriedenes Geburtstagskind Ferdinand Piech

Doch billig kommt ihn sein Geschenk nicht. Neben dem Kaufpreis von kolportierten 860 Mio. Euro soll Ducati einen Schuldenberg in der Höhe von 200 Mio. Euro aufgehäuft haben. Laut dem bisherigen Besitzer, der italienischen Investidustrial, machte Ducati 2010 vor Steuern und Abgaben einen Gewinn von 70 Mio. Euro bei einem Umsatz von 480 Mio. Euro. Rund 40.000 Zweiräder werden in den Sparten Cruiser, Supermoto und Superbike produziert. Im Vergleich: Banchenführer Honda verkaufte im vergangenen Jahr über 16 Millionen Motorräder.

Zweiradmarkt auf Talfahrt

Dazu kommt, dass sich der Motorradmarkt seit dem Krisenjahr 2008 halbiert hat und eine Erholung noch nicht in Sicht ist - ein Motorrad gilt bei vielen Käufern als eher verzichtbare Anschaffung. Auch BMW hadert seit langem mit der Sparte, in der sich derzeit nicht mehr so leicht Geld verdienen lässt, und das, obwohl die Maschinen des Münchner Herstellers unter Zweiradfans ja traditionell zu den Kultmarken gehören. Hoffnung setzen Zweiradbauer allerdings auf boomende Märkte in den Schwellenländern wie China und auf das Luxussegment.

Lebenswerk bald vollendet?

Aber auch wenn die neue Sparte nicht den großen Geldregen bringen wird, für Piech ist die Motorradschmiede ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem alle Sparten umfassenden „Königreich“ vom Kleinstwagen über die Familienkutsche und die Luxuskarosse bis zum Lkw - und jetzt auch bis zum Zweirad. Was nun noch fehlt, ist die Eingliederung von Porsche. Und da hapert es nach wie vor - trotz der im Alltag bereits weit fortgeschrittenen Zusammenarbeit. Piechs Lebenswerk steht wohl kurz vor der Vollendung.

Audi nun mit Standbein in Amerika

Wirtschaftlich wichtiger für Audi ist die zweite Entscheidung, die der Aufsichtsrat am Mittwochabend traf: Wie BMW und Mercedes bekommt auch Audi jetzt eine eigene Fabrik in Amerika - in Mexiko. Ab dem Jahr 2016 werde Audi dort einen Geländewagen bauen. Der genaue Standort sei noch offen. Vorstandschef Rupert Stadler sagte: „Die gute Infrastruktur, wettbewerbsfähige Kostenstrukturen sowie die bestehenden Freihandelsabkommen haben die Entscheidung pro Mexiko maßgeblich beeinflusst.“ Mit diesem Schritt sichere Audi seine Position auf dem Weltmarkt. „Davon werden auch unsere deutschen Standorte profitieren.“

Audi fährt beim Verkauf in Amerika den Konkurrenten BMW und Mercedes hinterher, die schon seit vielen Jahren mit eigenen Werken in den USA sind. BMW baut in Spartanburg die Geländewagen X3, X5 und X6, Mercedes in Tuscaloosa ebenfalls Geländewagen und die C-Klasse. BMW und Mercedes liefern sich in den USA ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Spitzenposition bei Premium-Autos, mit 76.000 beziehungsweise 64.000 verkauften Fahrzeugen im ersten Quartal. Audi kam nur auf knapp 30.000 Autos. Wie die Konzernmutter VW hatten sich die Ingolstädter bislang sehr stark auf China konzentriert und wollen jetzt Boden gutmachen. Denn Wachstum erwarten die deutschen Autobauer vor allem in Asien und Amerika.

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