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Opposition hebt Opferzahlen an

In Syrien sind nach Angaben von Aktivisten zwei westliche Journalisten ums Leben gekommen. Sie seien am Mittwoch beim Beschuss der Stadt Homs durch syrische Streitkräfte getötet worden, berichteten das syrische Netzwerk für Menschenrechte und Augenzeugen.

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Es handle sich um die US-amerikanische Redakteurin Marie Colvin und den französischen Fotografen Remi Ochlik. Das Haus, in dem sich die beiden aufgehalten hätten, sei beschossen worden. Auf der Flucht seien sie dann von einer Rakete getroffen worden. Colvin arbeitete für die britische „Sunday Times“. Beide Journalisten galten als erfahrene Berichterstatter. Sie waren zuvor bereits in mehreren Kriegsgebieten gewesen.

Die Journalistin Marie Colvin mit libyschen Rebellen in Misrata

Reuters/Zohra Bensemra

Marie Colvin im Juni 2011 - damals im Kreise libyscher Rebellen

Die französische Regierung bestätigte laut Reuters mittlerweile den Tod Colvins und Ochliks. Laut Opposition befanden sich weitere Journalisten in dem Haus, das von der Armee unter Beschuss genommen worden sei. Eine US-Journalistin befinde sich in „kritischem Zustand“, hieß es. Auf das Gebäude seien mindestens zehn Raketen abgefeuert worden, berichteten Augenzeugen, die von einem gezielten Bombardement auf die Journalisten sprachen.

Damaskus dementiert

Die syrische Regierung dementierte das und betonte, man habe gar nicht gewusst, dass sich die Journalisten auf syrischem Gebiet befanden. Das Informationsministerium sagte, alle Journalisten, die illegal ins Land eingereist seien, sollten sich umgehend bei der nächstgelegenen Einreisebehörde melden, „um die Situation entsprechend den Gesetzen zu regeln“.

Mehrere Stadtviertel von Homs, die mittlerweile von den Aufständischen kontrolliert werden, befinden sich seit Anfang Februar praktisch ununterbrochen unter Beschuss durch die Armee. Hunderte Menschen wurden laut Aktivisten allein bei diesen Angriffen getötet.

Besonders gefährlicher Konflikt für Medien

Die Berichterstattung in Syrien ist für Reporter besonders gefährlich, da die Aufständischen nur einzelne Stadtviertel und Kleinregionen kontrollieren, die nicht miteinander verbunden sind. So starb letzte Woche der prominente „New York Times“-Reporter Anthony Shadid an einem Asthmaanfall, als er versuchte, zu einer der Zonen der Aufständischen vorzudringen. Der libanesischstämmige Journalist gewann zweimal - 2004 und 2010 - den renommierten Pulitzer-Preis für seine Berichte über den Irak-Krieg und seine Folgen.

Zerstörtes Haus

APA/Local Coordination Committees

Eines der vielen vom Raketenbeschuss der Armee zerstörten Häuser in Homs

Mitte Jänner war in Homs der französische Fernsehjournalist Gilles Jacquier getötet worden, als eine Granate nahe einer Gruppe von Journalisten einschlug. Er war der erste in Syrien getötete westliche Journalist seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Baschar al-Assad Mitte März. Jacquier befand sich zusammen mit anderen Journalisten auf einer von den syrischen Behörden genehmigten Reise. Welches Lager die Granate abfeuerte, ist unklar.

Opposition: Bereits 7.600 Tote

Nach jüngsten Angaben von Menschenrechtlern wurden seit Beginn der Proteste mehr als 7.600 Menschen in Syrien getötet. Unter den insgesamt 7.636 Toten seien mehr als 5.500 Zivilisten, erklärte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Zudem seien fast 1.700 Soldaten und Sicherheitskräfte sowie fast 400 Deserteure getötet worden.

Regierungstruppen töteten nach Angaben der Opposition zuletzt 27 junge Männer gezielt. Laut Informationen des oppositionellen syrischen Netzwerkes für Menschenrechte vom Mittwoch wurden die Männer verfolgt und nach ihrer Festsetzung erschossen. Die Taten hätten sich in den Dörfern Idita, Iblin und Balschon in der nördlichen Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei ereignet. Bei den Toten handle es sich ausschließlich um Zivilisten. Die meisten seien durch Schüsse in den Kopf oder die Brust getötet worden. Das Netzwerk für Menschenrechte sprach von einem Massaker.

Nationalrat denkt an Intervention

Unterdessen zeichnet sich im oppositionellen Nationalrat (SNC) angesichts des ungebremst blutigen Vorgehens des Regimes langsam ein Umdenken ab: Laut SNC werde eine Militärintervention des Westens in Syrien immer mehr zur einzigen Lösung für den Konflikt im Land. Der Rat neige immer mehr dieser Einschätzung zu, sagte SNC-Führungsmitglied Basma Kodmani am Mittwoch in Paris. „Es gibt zwei Übel: eine Militärintervention und einen sich hinschleppenden Bürgerkrieg.“

Die US-Regierung deutete erstmals die Möglichkeit einer militärischen Unterstützung für die syrische Opposition an. „Wir glauben immer noch, dass eine politische Lösung das ist, was wir brauchen“, sagte Präsidialamtssprecher Jay Carney am Dienstag. Die USA wollten keine Maßnahmen ergreifen, die zu einer weiteren Militarisierung Syriens beitrügen. Das könnte das Land auf einen gefährlichen Pfad bringen. „Wir können jedoch keine zusätzlichen Schritte ausschließen“, fügte Carney hinzu.

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