Opposition ringt um Einigkeit
Rund ein Jahr nach Ausbruch der Revolte in Syrien ringt die Staatengemeinschaft um eine Antwort auf das Blutvergießen. Eine der wichtigsten Hürden, die einer Lösung der Krise im Weg stehen, ist die aus unterschiedlichsten religiösen, politischen und ethnischen Motiven handelnde Opposition.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Um von außen helfen zu können, drängen Staaten wie Großbritannien und Frankreich auf eine einheitliche Haltung. Die Opposition mag mit dem Sturz der Regierung dasselbe Ziel verfolgen, doch ist der Weg dorthin umstritten. Exilpolitiker, Militärs, Demonstranten und Untergrundkämpfer haben zum Teil höchst gegensätzliche Vorstellungen, wie Präsident Baschar al-Assad in die Knie gezwungen werden kann.
Der Syrische Nationalrat (SNC) hat sich im Ausland zwar als Stimme der Opposition gegenüber dem Staatschef etabliert, der seine Gegner mit Waffengewalt zur Aufgabe zwingen will. Und doch schafft es der Rat, in dem sich Assad-Gegner aus verschiedensten Lagern zusammengeschlossen haben, nicht, die Führungsrolle einzunehmen.
„Das Volk“ als Anführer?
Die Revolte hat kein klares Kommando. Viele Aktivisten in dem Mittelmeer-Land bestehen darauf, die Proteste und den bewaffneten Widerstand in Eigenregie zu lenken. „Das syrische Volk kann seine Revolution gegen das Regime selbst anführen“, sagt etwa der Aktivist Abu Jasen aus der Oppositionshochburg Homs. Der Assad-Gegner spielt damit auf eine Achillesferse des SNC an: Wichtige Mitglieder lebten bereits vor Ausbruch des Aufstandes, teilweise seit Jahren, im Ausland im Exil und haben kaum Gefolgsleute im Land.
Viele Oppositionelle können noch nicht einmal mit den Namen ihrer mutmaßlichen Vertreter etwas anfangen - entsprechend brüchig ist die Loyalität. „Die SNC-Vertreter im Ausland repräsentieren die Kämpfer vor Ort nicht. Deshalb wird es uns schwerfallen, den Rat als Regierung anzuerkennen“, fasst ein Vertreter eines Golf-Staates die Vorbehalte des Ausland zusammen.
Konflikte allerorten
Die Zersplitterung der Opposition wird besonders in der Frage eines Militäreinsatzes deutlich. Die Staatengemeinschaft steht diesem - anders als in Libyen - äußerst skeptisch gegenüber. Gründe sind nicht nur die Allianz der Regierung in Damaskus mit dem Iran und die extrem sensible Lage im Nahen Osten. Vielmehr haben die Helfer in spe Sorgen, mit einer Opposition zusammenzuarbeiten, deren Haltung unklar ist.
Selbst der Nationalrat ist innerlich zerstritten, ganz zu schweigen von Differenzen mit den Demonstranten in den Protesthochburgen. Durch den Druck der Protestler, in dessen unmittelbaren Nähe die Geschosse der Assad-Truppen einschlagen, hat sich der SNC zu einer relativen Offenheit gegenüber einer Hilfe von Außen durchgerungen - unumstritten ist diese Haltung aber nicht.
„SNC muss dringend etwas machen“
Wie der SNC, so sind auch die desertierten Soldaten eine zersplitterte Gruppe. Deren Führung hält sich ebenfalls im Ausland auf und hat so wenig Einfluss auf die Kämpfer vor Ort. „Sie können oder wollen nicht auf das Kommando von außen hören, da muss der SNC dringend etwas machen. Aber wir sind selber genauso unorganisiert und bekommen nur wenig hin“, sagt ein Ratsvertreter, der seinen Namen nicht nennen will.
Dazu kommt: Auch der Rat und die Kämpfer misstrauen sich teilweise. Einer der Anführer der Freien Syrische Armee, unter deren Dach sich die abtrünnigen Soldaten zusammengeschlossen haben, warf dem SNC jüngst Verrat vor, weil versprochene Lieferungen und Geld nicht ankämen.
Erika Solomon und Ayman Samir, beide Reuters
Link: