Ikone unter Anpassungsdruck
Der Schriftsteller Ian Fleming hat die Kultgestalt James Bond im Jahr 1952 geschaffen. Zehn Jahre später, im Frühjahr 1962, wurden die Dreharbeiten zum ersten Bond-Film aufgenommen: Seither gilt der Agent, der für den britischen Geheimdienst MI6 keine Gefahren scheut, als popkulturelle Ikone. Doch über die Jahre musste sich auch der Charakter des Actionhelden an den Zeitgeist anpassen.
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Es sind immer die gleichen Zutaten, die die James-Bond-Filme zu einem der größten Erfolge der Filmgeschichte gemacht haben: Ein gutaussehender, stets gutgekleideter Gentleman ist in geheimer Mission für die britische Krone unterwegs. Er fährt die teuersten Autos, kämpft gegen die gefährlichsten Schurken, an seiner Seite finden sich stets die schönsten Frauen. „Doch auch der Charakter des Actionhelden musste sich über die Jahre an den Zeitgeist anpassen“, sagte David Assmann, Regisseur und Filmwissenschaftler im Gespräch mit ORF.at.

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„Geschüttelt, nicht gerührt“ mag Bond, hier Sean Connery, seinen Martini
„Damals der Stoff zum Träumen“
„In den 60er und 70er Jahren machte vor allem die unerschütterliche Lässigkeit des James Bond seine große Anziehungskraft aus“, so Assmann. „Alles andere hatten frühere Helden auch.“ Am 16. Jänner 1962 begannen auf Jamaika die Kameras für den ersten Bond-Film mit dem Titel „007 jagt Dr. No“ zu surren - Drehorte wie Paris, Tokio und New York folgten. „Spektakuläre Schauplätze und schöne Frauen. Damals regte dieser Stoff zum Träumen an“, so Filmwissenschaftler Assmann.
Bikini mit Messergurt
Der Auftritt der schweizerischen Schauspielerin Ursula Andress als jamaikanische Muschelfischerin Honey Ryder im Bikini mit Messergurt machte jedenfalls für sich allein schon Filmgeschichte. So sehr, dass Halle Berry 40 Jahre später im Bond-Streifen „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) die Szene nachspielte. Zu Ikonen wurden auch die Bond-Autos. Das Nationale Motor Museum von Großbritannien in Beaulieu bei Southampton zeigt 50 Jahre nach Beginn der ersten Dreharbeiten eine Auswahl von 50 Fahrzeugen, die in den Filmen eine wichtige Rolle spielten.

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Die Schweizerin Ursula Andress (l.) erlangte 1962 als erstes Bond-Girl Weltruhm. Halle Berry stellte die Szene mit dem Messergurt 2002 nach.
Heute Identifikation ausschlaggebend
„Doch heute reicht das alleine nicht mehr. Technische Effekte und schöne Frauen haben die Menschen schon oft gesehen“, sagte Filmwissenschaftler Assmann. Auch die ewige Lässigkeit der Figur James Bond sei nicht mehr spektakulär genug: „Was heute funktioniert, ist die Leute mitzunehmen. Die Identifikation mit dem Helden ist ausschlaggebend.“
Diesen Trend haben die Produzenten von James Bond relativ spät erkannt. Erst der Bond der 2000er Jahre, Daniel Craig, zeigt sich tiefsinniger: „Er glaubt nicht mehr, unsterblich zu sein, er kann echte Schmerzen empfinden und sich verlieben. Das macht die Figur interessanter“, erklärte Regisseur Assmann. Ständige Ironie auf den Lippen und Erhabenheit in jeder Situation seien heute nicht mehr gefragt, das relativiere das Geschehen zu sehr.
Die Adaptierung der Bond-Figur durch Craig hat jedenfalls funktioniert. Während der Erfolg der Filme in den 90er Jahren rückläufig war, konnte „Casino Royale“ im Jahr 2006 wieder an die Erfolge der früheren Filme anschließen.
„Viel zu britisch“
Dabei war der Erfolg des Agententhrillers 1962 keineswegs programmiert: „Viel zu britisch“, hieß es damals in Hollywood, als die Produzenten Albert Broccoli und Harry Saltzman sich endlich über die Filmrechte am Romanstoff von James-Bond-Schöpfer Ian Fleming geeinigt hatten. Selbst die Suche nach geeignetem Personal vor und hinter der Kamera hatte sich zuvor als schwierig gestaltet.

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Keiner hat James Bond öfter dargestellt als Roger Moore - er schlüpfte siebenmal in die Rolle des Geheimagenten
Weder Hauptdarsteller Sean Connery, noch sein Widerpart Joseph Wiseman als Dr. No waren damals erste Wahl. Broccoli und Saltzman holten sich auch bei der Regie erst einmal vier Absagen, ehe Terence Young einschlug. Die zur Legende gewordene Filmmusik soll Komponist Monty Norman angeblich in nur zwei Minuten geschrieben haben. John Barry arrangierte schließlich die Komposition, was zum jahrelangen Streit der beiden Musiker führte.
Regisseur Young war es auch, der die Idee hatte, ein paar Witzeleien in die Handlung einzubauen. Begründung: Sonst bestehe die Gefahr, dass die Sex- und Gewaltszenen nicht durch die Zensur kommen. Für den Schauspieler Richard Johnson, der wie Richard Todd die dann schließlich an den Schotten Connery vergebene Bond-Rolle ablehnte, ist das eines der Erfolgsgeheimnisse: „Sean machte die Sache witzig, und das ist es, was den Erfolg ankurbelte.“
Kaum Geld für ersten Film
Das Budget der Filmgesellschaft United Artists war vergleichsweise bescheiden: eine Million US-Dollar. Es reichte nicht einmal für echtes Leder an der schallsicheren Tür des Geheimdienstchefs „M“. Und seine Bilder an der Wand waren aus Pappkarton. „Ich habe über das Wochenende noch schnell einen Goya gemalt“, erinnerte sich Ken Adams, der für die Spezialeffekte zuständig war, jüngst im „Guardian“. Das Bild hing dann im Filmapartment von Bösewicht Dr. No. Die britische United-Artists-Tochter musste sogar noch 100.000 Dollar extra locker machen, damit Dr. No’s jamaikanische Privatinsel am Ende des Films auch effektvoll in die Luft fliegen konnte.
Heute haben die Kinder von Albert Broccoli - Stiefsohn Robert Wilson und Tochter Barbara - das Ruder im Produzententeam für die Bond-Saga übernommen. Wilson spielte in elf Bond-Filmen als Statist, ehe er Produzent wurde. Seine Stiefschwester arbeitete als Regie- und Produktionsassistentin.
23. Bond kommt im Herbst
Mit „Skyfall“, der im Herbst in die Kinos kommen soll, laufen schon die Arbeiten für die nächste und 23. Folge aus der Erfolgsreihe. Mit Daniel Craig in seinem dritten Bond hat inzwischen der sechste Hauptdarsteller nach Sean Connery, Roger Moore, George Lazenby, Timothy Dalton und Pierce Brosnan die „Lizenz zum Töten“ erhalten. Und Kontinuität scheint garantiert. 007 wird sich vermutlich noch viele Jahre mit den Worten vorstellen: „Mein Name ist Bond, James Bond.“
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