Monti soll Land aus Schuldenkrise führen
Nach dem Rücktritt von Silvio Berlusconi ist der frühere EU-Kommissar Mario Monti in Italien mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Das teilte Staatspräsident Giorgio Napolitano am Sonntagabend mit. Die neue Regierung unter Führung des international sehr angesehenen Wirtschaftsexperten soll das Vertrauen der Investoren wiederherstellen und Italien aus der Schuldenkrise führen.
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Monti nahm von Napolitano den Auftrag „mit Vorbehalt“ an, teilte das Präsidentenbüro weiter mit. Monti wird erst sondieren müssen, ob er im Parlament über eine tragfähige Mehrheit verfügt. Monti versicherte am Sonntagabend in einer kurzen Ansprache, dass er sich in den Dienst seines Landes stelle und für die Bewältigung der akuten Schuldenkrise einsetzen werde. „Italien muss wieder zu einem Kraftelement der EU aufrücken, zu deren Gründungsmitgliedern das Land zählt“, betonte Monti. Italien müsse seine Verschuldung eindämmen und das Wirtschaftswachstum fördern. Dabei müsse im Interesse der neuen Generationen soziale Ausgewogenheit garantiert werden.

Reuters/Stefano Rellandini
Monti erklärt vor der Presse Sonntagabend sein weiteres Vorgehen
Regierungsbildung „so rasch wie möglich“
Monti sagte, er beginne jetzt mit einer Konsultationsrunde, um festzustellen, ob er über eine Mehrheit im Parlament verfüge. Er werde im Interesse des Landes so rasch wie möglich handeln. Wann er seine Ministerliste vorstellen werde, konnte Monti noch nicht bekanntgeben. Beim Verlassen des Präsidentenpalasts wurde Monti von einer klatschenden Menschenmenge gefeiert.
Napolitano sagte, Italien befinde sich in einer gefährlichen Lage und könne sich kein politisches Vakuum leisten. Das Land solle vorerst vorgezogene Parlamentswahlen vermeiden. Napolitano appellierte an die Parteien im Parlament, die neue Übergangsregierung um Monti zu unterstützen. Italien sei geschwächt und müsse dringend an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Medien: Die Zeit drängt
Es gebe nun einen „Wettlauf gegen die Zeit“, schrieben italienische Medien. Rasch müsse eine neue Regierung vor allem aus Fachleuten gebildet werden, um die Phase der politischen Unsicherheit zu beenden. Eine Alternative zur Übergangsregierung wären Neuwahlen. Napolitano hatte am Sonntag, am Tag nach dem Rückzug des höchst umstrittenen Berlusconi, ganztägige Gespräche über dessen Nachfolge geführt. Napolitano hatte nach dem Zeitplan des Präsidentenamtes bis zum Sonntagabend die Vertreter der Parteien im Parlament zu sich gebeten. Er empfing am Sonntag auch Senatspräsident Renato Schifani und den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Gianfranco Fini.
EU erfreut
Die EU begrüßte die Nominierung Montis zum neuen italienische Ministerpräsidenten. Das sei nach der Verabschiedung der Spargesetze in Italien ein weiteres ermutigendes Signal zur Krisenüberwindung, teilten EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso am Sonntagabend in Brüssel mit. Beide EU-Spitzen machten deutlich, dass die Ernennung Montis nichts an der vereinbarten wirtschaftspolitischen Überwachung Italiens durch die Europäische Union ändern werde.
„Wie beim Gipfel der Euro-Länder am 26. Oktober vereinbart, wird die Kommission weiter die Umsetzung der von Italien ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung prüfen.“ Kommissionsexperten sind bereits seit vergangener Woche in Rom, um die finanzielle Lage des Landes zu prüfen.
Schwierige Aufgabe für Monti
Monti erwartet als Chef einer Notregierung eine schwierige Aufgabe: Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung innerhalb der Euro-Zone auf. Als letzter Akt der Regierung Berlusconi wurde am Samstag ein Gesetzespaket gegen die Schuldenkrise verabschiedet. Der 75-jährige Medienmogul hatte die Annahme zur Bedingung für seinen Rücktritt gemacht. Vorgesehen sind Steuererleichterungen zur Förderung des Wachstums, der Verkauf von Staatseigentum zum Abbau der Schulden und eine Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre bis 2026.
Berlusconi meldet sich mit Videobotschaft
Berlusconi versicherte am Sonntag in einer Videobotschaft, dass er die politische Szene nicht verlassen werde und aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinem Land eine Übergangsregierung unter der Führung von Monti unterstütze. In dieser dramatischen Phase der Schuldenkrise, die eine Krise der europäischen Währung sei, müsse man in Italien auf politischen Streit verzichten und für das Wohl des Landes zusammenarbeiten.
„Ich bin aus Verantwortungsbewusstsein zurückgetreten und um Italien neue Angriffe der Finanzmärkte zu ersparen, obwohl ich nie das Vertrauen des Parlaments verloren habe“, betonte Berlusconi. Italien sei ein großes Land, das die Wogen der Krise bewältigen werde. „Niemand wird uns unserer Souveränität berauben“, sagte Berlusconi.
Den Personen, die ihn am Samstag bei seinem Rücktritt mit Schmährufen und Pfiffen beleidigt hatten, versicherte Berlusconi, dass er seine Bemühungen im Parlament und in den Institutionen zur Erneuerung Italiens verdoppeln werde. Seine Liebe zu Italien sei unverändert. „Ich werde nicht aufgeben, bis ich das Staatssystem reformiert habe“, so Berlusconi. „Es ist traurig zu sehen, wie eine freigiebige und verantwortungsbewusste Geste wie mein Rücktritt mit Pfiffen und Schmährufen aufgenommen worden ist“, so der Medienzar.
Ende einer Epoche
Nach dem Abgang Berlusconis feierten dessen Gegner ein nächtliches Freudenfest. Stundenlang wurden in Rom Fahnen geschwenkt, Autohupen waren zu hören. Beobachter meinten, so sei bisher nur gefeiert worden, wenn Italien den Weltmeistertitel im Fußball geholt hatte. Vor dem Präsidentenpalast Quirinale, den Berlusconi nach seinem Rücktritt durch die Hintertür verließ, feierten Hunderte Italiener auch aus anderen Landesteilen - über SMS und Facebook mobilisiert, wie italienische Medien berichteten.
Zur italienischen Nationalhymne und Georg Friedrich Händels „Halleluja“ begingen sie den „12. November - Tag der Befreiung“. Sprechchöre skandierten „Raus mit der Mafia aus dem Staat“ und „Hanswurst, geh nach Hause“. Berlusconis Rücktritt wird in Italien als Ende einer Epoche gewertet: 17 Jahre lang prägte der „Cavaliere“ politisch das Geschehen in seinem Land. „Heute ist der Tag der Befreiung Italiens“, sagte der Chef der größten Oppositionspartei PD, Pierluigi Bersani, zu dem Rücktritt, den die Gegner seit langem von dem umstrittenen Berlusconi verlangt hatten.
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