Auch Lockangebote funktionieren nicht
Tunesien hat mit dem Sturz von Machthaber Zine el Abidine Ben Ali den Startschuss für den „arabischen Frühling“ in Nordafrika gegeben. Viele junge Menschen unterstützten die Aufstände in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mittlerweile macht sich Enttäuschung breit. Ausländer meiden die zuvor beliebten Urlaubsorte und Tausende Hotelbetten stehen trotz Hochsaison leer.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Tunesien war in den vergangenen Jahren wegen seiner zahlreichen kulturellen Schätze und der 1.300 Kilometer langen Mittelmeerküste vor allen bei Europäern als Urlaubsland sehr beliebt. Die Tourismusbranche trug sieben Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Sie beschäftigt rund 400.000 Menschen. Doch heuer blieben die Betten in den Tourismushochburgen wie Hammamet, Nabeul, oder Port el-Kantaoui leer.
Urlauberrückgang um bis zu 50 Prozent
Obwohl der Umsturz in dem nördlichsten afrikanischen Land relativ friedlich verlief und - mit der Flucht von Staatsoberhaupt Ben Ali im Jänner - rasch wieder zu Ende war, schreckten die Bilder von Massendemonstrationen viele Urlauber ab. Auch Berichte von Tausenden Tunesiern, die sich per Boot nach Europa absetzten, trugen nicht unbedingt dazu bei, dass die Reisebüros mit Anfragen nach Tunesien überhäuft wurden.

APA/EPA
Die Selbstverbrennung eines Händlers tritt am 17. Dezember eine Welle der Proteste los. Am 14. Jänner verlässt Staatschef Ben Ali fluchtartig das Land. Wie bei einem Dominoeffekt brechen im Jänner auch in Algerien und Ägypten Aufstände los.
Die Folgen für die Hoteliers waren dramatisch. Im Vergleich zu 2010 gingen die Buchungen um die Hälfte zurück. Als Reaktion darauf ließen die Hoteliers die Preise um 40 bis 50 Prozent nach. Doch trotz Lockangeboten blieb das Interesse aus. Die europäischen Reiseanbieter mussten umschichten und Kapazitäten in anderen Ländern aufstocken. Vor allem Griechenland und in die Türkei profitierten. Sogar in Bulgarien wurden Kapazitäten als Ersatz für Tunesien nachgekauft, wie der Reiseanbieter Thomas Cook sagte.
Keine Erholung in Sicht
In Tunesien selbst zeigt der Urlauberschwund bereits Folgen. Seit Jahresbeginn seien 3.000 Stellen gestrichen worden, sagte der Chef der tunesischen Tourismusbehörde ONTT, Habib Ammar, im Juli. Im ersten Halbjahr 2011 habe die gesamte Branche rote Zahlen geschrieben. Und auch für das zweite Halbjahr 2011 stagnieren die Buchungen. Von den Rückgängen sind auch die tunesische Schifffahrtsgesellschaft CTN und die Fluglinie Tunisair betroffen.
Dass viele Hotels auf den ersten Blick doch gut gebucht wirken, liegt aber nicht an einem Umdenken bei den europäischen Gästen, sondern an der hohen Zahl an Libyern, die wegen der Unruhen nun die Hotels des Nachbarlandes füllen. Wettmachen können sie die Verluste jedoch nicht. Über 60 Prozent der Tunesier sind mit der wirtschaftlichen Situation in ihrem Land unzufrieden.
Langsame Erholung in Ägypten
Etwas besser geht es mittlerweile Ägypten, wo der „Tag des Zorns“ am 25. Jänner das Ende der 30-jährigen Amtszeit von Präsident Hosni Mubarak einläutete. Nach Reisewarnungen verzichteten viele Gäste auf Nil-Kreuzfahrten und Tauchurlaube am Roten Meer. Auch die Tatsache, dass Mubarak vor seinem Prozess lange Zeit in Scharm al-Scheich im Krankenhaus behandelt wurde, schürte Ängste vor Anschlägen in dem Touristenhotspot. Doch seit Mitte Juni steigen die Buchungen langsam, aber konstant wieder an.
Visaverschärfung abgesagt
Im Gegensatz zu Tunesien greifen hier die Sonderangebote und Preisnachlässe besser. Für die Herbstferien in Deutschland mussten Reiseanbieter wie TUI, Rewe oder Alltours sogar zusätzliche Flüge auflegen. Zusätzlich fliegt Air Cairo neue Destinationen in Deutschland an. Weitere Neulinge am Himmel sind ab November GTI-Flieger German Sky, Air Arabia Egypt sowie SunExpress. Und auch die Übergangsregierung reagierte auf die Probleme der Tourismusbranche und stoppte eine geplante Verschärfung der Visaregelung für EU-Mitglieder.
Millionen für Anti-Terror-Maßnahmen
Doch der Tourismus in Nordafrika steht und fällt mit den Sicherheitsbemühungen. Das musste auch Algerien erkennen. Nach einer Zunahme von Anschlägen - erst im August explodierte eine Bombe in einer Militärakademie und tötete elf Menschen - blieben die Touristen weg. Nun soll der Kampf gegen den Terror verschärft werden. Gemeinsam mit anderen Ländern der Sahelzone verständigte man sich auf eine 75.000 Mann starke Anti-Terror-Truppe, die von der EU mit 650 Millionen Euro unterstützt wird.
Libyen: Reiseland mit Potenzial
Einen weiten Weg hat noch Libyen vor sich. Während revolutionäre Truppen immer noch nach dem gestürzten Diktator Muammar al-Gaddafi suchen, formierte sich in der Hauptstadt Tripolis eine Übergangsregierung, die nun neue Jobs für die vielen frustrierten jungen Menschen suchen muss. Der Tourismus wäre hier ein lohnender Weg. Experten bescheinigen dem Land ein großes Potenzial. Geht es nach dem Travel & Tourism Competitiveness Report 2011 soll der Tourismus jährlich um 5,7 Prozent zulegen.
Damit würde sich neben dem Öl eine zweite, langfristigere Einnahmequelle schaffen. Doch dafür wären ein rasches Ende der Unruhen, politische Stabilität und eine stärkere Marktöffnung notwendig, so die Studienautoren. Vor allem mit den griechischen Städten Leptis Magna, Sabrata und Kyrene sowie den berühmten Oasenstädten wie Ghadames könnte das Land bei Besuchern punkten.
Links: