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Schuldenschnitt von 50 Prozent?

Die Euro-Schuldenkrise wächst sich immer stärker zur Bankenkrise aus. Die Zeichen mehren sich, dass Griechenland nicht mehr lange in der Lage sein wird, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Ein Schuldenschnitt von 50 Prozent wird immer wahrscheinlicher. Doch das wäre der „Worst Case“ für viele europäische Banken.

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Momentan wird ein Schuldenschnitt in Brüssel mehr angedeutet, als offen darüber geredet, doch es wird immer deutlicher, dass Griechenland seine Schulden trotz Hilfsgeldern und Sparprogrammen nicht mehr tilgen kann. Euro-Gruppe-Chef Jean-Claude Juncker sagte im Interview mit dem deutschen „Handelsblatt“ (Mittwoch-Ausgabe), dass man „auch andere Schritte andenken“ müsse. Der direkten Frage nach einem Schuldenschnitt wich er aus.

Schuldenkrise fordert erste Opfer

Doch hinter vorgehaltener Hand wird bereits über einen Schuldenschnitt von 50 Prozent gesprochen, damit müssten die Gläubiger auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Und die größten Gläubiger sind in diesem Fall Banken. Ein erstes Opfer hat die Krise bereits gefordert. Die belgisch-französische Großbank Dexia, die massenhaft Griechenland-Anleihen eingekauft hatte, brach ein. Nun lautet die bange Frage in Europa: Wer kommst als Nächstes dran?

Sarkozy in Bedrängnis

Der Blick fällt dabei auf Frankreich. Neben Dexia haben auch andere französische Institute wie BNP Paribas und Credit Agricole eifrig bei griechischen Staatspapieren zugegriffen, zwar nicht immer ganz freiwillig, dennoch drohen ihnen nun Ausfälle in Milliardenhöhe. Das bringt auch Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy immer stärker in Bedrängnis. Denn die Belastungen im Bankensektor könnten Paris die Bestnote bei den Ratingagenturen kosten.

Eine Herabstufung und die damit einhergehende Zinssteigerung bei Krediten würde Frankreich auf dem falschen Fuß erwischen. Die Sozialkassen sind tiefrot, die Staatsverschuldung liegt bei 78 Prozent des BIP, und ein Mittelstand, der neue Jobs schaffen könnte, ist kaum vorhanden. Gleichzeitig ist Frankreich gemeinsam mit Deutschland einer der größten Stützpfeiler des Euro-Rettungsschirms EFSF. Gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel will Sarkozy daher bis Ende Oktober ein Gesamtkonzept zur Schuldenkrise vorlegen.

Banken müssen aufrüsten

Ein Punkt ist eine höhere Rekapitulierungsquote bei Banken. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hebt derzeit Daten von Banken ein, um die Schwachstellen der Branche angesichts der Staatsschuldenkrise zu ermitteln. In Österreich werden Informationen von Erste Group, Raiffeisen Bank International, Bank Austria und ÖVAG abgefragt. Diese „zusätzliche Datenerhebung“ sei aber kein „Stresstest“, so FMA-Vorstand Kurt Pribil.

Simulierte Tests zeigen Milliardenlöcher

Neben der Bankenaufsicht spielen auch internationale Institute simulierte Test durch, wie sich die Schuldenspirale auf die Banken auswirken könnte. Die australische Bank Macquarie ging zum Beispiel davon aus, dass in Griechenland ein Schuldenschnitt von 65 Prozent, in Irland und Portugal von 50 und in Spanien und Italien von 20 Prozent vorgenommen werden muss, wie die „Frankfurter Allgemeine“ berichtet („FAZ“). Bei diesem Szenario würde der Kapitalbedarf des europäischen Bankensektors 100 bis 200 Mrd. Euro betragen, Schätzungen der US-Bank Morgan Stanley gehen laut „Financial Times“ sogar von 275 Mrd. Euro aus.

Rettungsfonds auch für Banken?

Bei diesem Szenario brauchten alleine die französischen Banken Credit Agricole, BNP Paribas und Societe General einen Kapitalzuschuss von 20 Mrd. Euro. Frankreich hat sich bereits dafür ausgesprochen, den Rettungsfonds EFSF auch auf in Not geratene Banken auszuweiten. Selbst wolle man jedoch nicht auf den EFSF zugreifen, versicherte Budgetministerin Valerie Pecresse eilig. Unterstützung erhält Sarkozy auch von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso. Auch er will den EFSF im Notfall für Banken öffnen, zuvor müssen Finanzinstitute jedoch über andere Wege versuchen, zu Kapital zu kommen. Auch ein Verbot von Bonuszahlungen wurde angedacht.

Aber ob eine höhere Kapitalquote alleine ausreicht, um den Zustand einer Bank zuverlässig abschätzen zu können, darf bezweifelt werden. Das zeigt auch das Beispiel der jüngsten „Stresstests“, deren Ergebnisse erst im Juli veröffentlicht wurden. Damals gehörte die belgisch-französische Dexia zu den gesündesten Instituten Europas. Statt der damals erforderlichen fünf Prozent Kapitalquote konnte die Großbank stattliche 10,4 Prozent vorweisen. Drei Monate später musste sie gerettet werden. Selbst bei den neuen, deutlich strengeren Tests hätte Dexia immer noch bestanden.

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