Für grundlegende Reform Europas
Europas Politiker versuchen fieberhaft, ein Überspringen der Schuldenkrise auf den Bankensektor zu verhindern. Die nun angekündigten Staatshilfen für Europas Geldhäuser werden die Krise auf dem Finanzsektor nicht lösen.
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Davon sind zumindest die Chefs der heimischen Bank Austria, Willibald Cernko, und der Chef der als angeschlagen geltenden französischen Großbank Societe Generale (SocGen), Frederic Oudea, überzeugt. Oudea hält die nun für den Bedarfsfall angekündigte Rekapitalisierung der europäischen Banken sogar für unnötig. „Wichtig ist, bei der griechischen Problematik so schnell wie möglich zu handeln und das Vertrauen in die Fähigkeit jeder Bank in Europa zum Schuldenabbau wiederherzustellen“, sagte Oudea am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Gegen „Symptombehandlung“
Das Hauptproblem der Finanzinstitute liege in der Liquidität. Das Vertrauen in die Refinanzierungsmöglichkeiten über die Märkte schwinde. Zugleich betonte der 48-Jährige, die Situation sei für alle europäischen Institute „handhabbar“ - auch für die Societe Generale. Der Börsenwert von Frankreichs zweitgrößter Bank brach in den letzten drei Monaten um fast die Hälfte ein. Anleger machen sich Sorgen um die Finanzstärke des Geldhauses. Französische Banken sind vergleichsweise stark in Griechenland engagiert. Anfang des Monats hatte Societe Generale angekündigt, Vermögenswerte zu veräußern, um bis zu vier Milliarden Euro frisches Kapital einzusammeln.
Debatte über mögliche Hilfe
In Europa wird derzeit über verschiedene Möglichkeiten für Bankenhilfen diskutiert. Ein Streit ist darüber entbrannt, ob Mittel aus dem Rettungsfonds EFSF genutzt werden sollten, um angeschlagene Institute zu stützen. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen will Frankreich seinen eigenen Institute mit EFSF-Geld helfen.
Bank-Austria-Chef Cernko sieht überhaupt keine Bankenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise. Die Kapital- und Liquiditätszusagen seien zwar positiv zu sehen, dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nach wie vor nur um „Symptombekämpfung“ handle. Notwendig sei vielmehr, an die Wurzeln zu gehen, nämlich die mangelnde Haushaltsdisziplin in vielen Staaten Europas. „Die Treppe muss von oben gekehrt werden, es ist das Thema Staatsschuldenkrise zu adressieren“, so Cernko. Um die Probleme dauerhaft in den Griff zu bekommen, müsse die „Idee Europa“ wiederbelebt werden.
„Wir verabreichen wieder Medikamente, ohne dass wir auf die Wurzeln zurückgehen, nämlich dass die mangelnde Haushaltsdisziplin in vielen Staaten Europas endlich in Angriff genommen wird. Denn wenn das passiert ist, dann brauchen wir auch keine Angst mehr haben, vor einer Bankenkrise zu stehen“, so Cernko am Freitag in einem Interview mit dem ORF.
Neue Spielregeln und Instrumente
An den Symptomen zu arbeiten, werde nicht ausreichen. „Wir müssen die grundsätzliche Frage wieder stellen, wollen wir dieses gemeinsame Europa. Ich habe das Gefühl: Ja, wir wollen es. Aber wir müssen dann die Konsequenzen sehen, dass wir Spielregeln brauchen, um dieses gemeinsame Europa tatsächlich zum Leben zu bringen“, so Cernko.
Auch das mangelnde Vertrauen der Banken untereinander hängt für Cernko mit dem „Klima der Unsicherheit und Unschlüssigkeit“ auf europäische und nationaler Ebene zusammen. Solange Europa beim Managen der Haushalte schwächle, werde auch die Finanzindustrie als einer der Schlüsselsektoren Probleme haben. Die Banken seien angehalten, hier vorsichtig zu agieren. „Denn letztlich sind wir Teil eines Gesamtsystems, Teil von Europa, und Europa ist hier zweifelsohne gefordert“, so Cernko.
„Nicht gefallen lassen“
An die europäischen Politiker richtet Cernko den Rat, sich die Frage zu stellen, ob der breite politische Konsens, in der Krisenzeit aufrechterhalten werden solle. Es brauche viel zu lange, um zu Entscheidungen zu kommen. „Wir bieten hier Angriffsflächen für Spekulation. Dass sollten wir uns nicht gefallen lassen“, so Cernko. Mit den derzeitigen Instrumentarien könnten die Probleme aber nicht gelöst werden, trat Cernko gegen das Einstimmigkeitsprinzip auf.
Europa werde man auf neuen Grundlagen entstehen lassen müssen. Auch ein großes Unternehmen, das in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist, wird sich letztlich zur Gänze hinterfragen müssen und sei oft gezwungen, neue Fundamente aufzubauen, neue Grundlagen zu bauen, so der Bank-Austria-Chef.
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