Eigenständige Währung als Krisenanker?
Vor wenigen Jahren noch als reichstes Land der Welt bewertet, hat Island die weltweite Finanzkrise tief in die Rezession gestürzt. Das Bankensystem kollabierte 2008, mehrere Großbanken gingen pleite. Anders als Griechenland hatte Island Spielraum bei der eigenen Währung: Die isländische Krone wurde stark abgewertet, viele Menschen verloren ihre Ersparnisse, die Arbeitslosigkeit stieg.
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Ein Staatsbankrott wurde nur durch einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der skandinavischen Länder verhindert. Zwischen Oktober 2007 und in der Talsohle im August 2009 verlor die isländische Krone mehr als 40 Prozent ihres Werts. Zahlreiche Arbeitsplätze wurden vernichtet: Von 0,8 Prozent 2007 stieg die Arbeitslosigkeit bis 2010 auf 9,3 Prozent, wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtete. Die Inflation lag Anfang 2009 beinahe bei 22 Prozent.
Vorsichtige Erholung
Im Dezember letzten Jahres kündigte der kleine Inselstaat an, die Wirtschaft habe erstmals seit der Krise die Rezession überwunden und im dritten Quartal ein Wachstum von 1,2 Prozent erreicht. Die Banken sind inzwischen verstaatlicht. Jetzt regiert eine Allianz aus Sozialdemokraten und links-grüner Bewegung, allerdings unter wirtschaftlichen Auflagen IWF.
Für 2011 wird eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von bis zu drei Prozent erwartet. Nach Jahren der Neuverschuldung werde für 2014 ein ausgeglichenes Budget angestrebt, berichtete die „Sunday Business Post“ (Onlineausgabe). Island schaffte es, mit der Abwertung der Krone einen Teil der Krise abzufangen. Davon abgesehen hatte die Abwertung auch einen positiven Nebeneffekt: Die billige Währung lockte vermehrt Touristen ins Land. Mitten im Krisenjahr 2008 verbuchte der kleine Staat einen Urlauberzuwachs aus allen Ländern der EU.
Ex-Premier vor Gericht
Drei Jahre nach dem Bankencrash muss sich der früherer Regierungschef Geir Haarde wegen seiner Rolle in der Finanzkrise vor Gericht verantworten. Seine neoliberale Regierung musste 2009 nach Protesten abdanken. Das Parlament beschloss im vergangenen Jahr, Haarde als einziges Kabinettsmitglied wegen des Zusammenbruchs des Bankensystems vor Gericht zu stellen.
Bevölkerung weiter unzufrieden
Von einer kompletten Erholung ist Islands Wirtschaft freilich noch weit entfernt. Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer vergleichsweise hoch bei 6,6 Prozent. Zehn Prozent der Bevölkerung sind überschuldet. Erst Anfang Oktober gab die Regierung bekannt, öffentliche Ausgaben kürzen und gleichzeitig eine neue Finanzsteuer für Banken einführen zu wollen, wie der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg berichtete. In der Hauptstadt Reykjavik gingen Hunderte Menschen aus Protest auf die Straße - sie taten ihren Unmut über die hohen Lebenskosten kund.
Ruf nach Euro wird leiser
Während das Schicksal Griechenlands weiter am seidenen Faden hängt, drängte Island während der Krise darauf, möglichst bald in die EU und in die Euro-Zone aufgenommen zu werden. Bis 2015 möchte man die Gemeinschaftswährung einführen. Doch während mitten in der Krise die Euro-Begeisterung der Isländer noch bei knapp 70 Prozent lag, leiden die Verhandlungen mit der EU hinter den Kulissen offenbar zunehmend unter interner Uneinigkeit der Isländer. Streitpunkte sind Themen wie Fischerei, Walfang und Landwirtschaft. Mittlerweile ist eine Mehrheit der Isländer nicht nur letztlich gegen einen EU-Beitritt, sondern auch dafür, die Verhandlungen mit der EU sofort abzubrechen.
Austritt Griechenlands bleibt tabu
Die Situation Griechenlands gestaltet sich schwieriger. Zwar werden immer wieder einzelne Rufe nach einem Schuldenschnitt des Euro-Landes laut, die Diskussion darüber, ob man Griechenland aus der Euro-Zone ausschließen soll oder nicht, ist jedoch weiterhin tabu. Man werde „alles tun“, um eine Insolvenz Athens zu verhindern, sagte erst kürzlich Euro-Gruppe-Chef Jean-Claude Juncker nach einem Treffen der Euro-Finanzminister. Niemand habe sich für den Austritt aus der Euro-Zone ausgesprochen. Auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte, dass sie „nichts“ von einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hält. Europa fürchtet als Konsequenz eines Ausschlusses, dass andere Staaten folgen könnten.
Selbst wenn es doch zu einem Ausscheiden Griechenlands kommen sollte, resümierte das „WSJ“, zeige der Fall Islands, dass auch dieser Weg nicht schmerzfrei sei. Griechenland bleibe ohnehin nichts anderes übrig, als sein rigides Sparprogramm umzusetzen, so die Zeitung.
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