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Pro-Kopf-Einkommen gehen weiter zurück

Dank einer unerwartet starken Expansion des Außenhandels und der Investitionen wächst Österreichs Wirtschaft heuer laut WIFO und IHS noch kräftiger als im Frühjahr angenommen. Sorge bereitet hingegen der private Konsum. Zusätzlich knabbert die Inflation weiter an den Einkommen der Haushalte.

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Die Konsumausgaben der Privathaushalte wachsen weiter nur mäßig, etwa um jeweils rund ein Prozent real. Grund dafür ist die schwache Einkommensentwicklung. Die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte dürften laut WIFO zwar heuer um 0,7 und 2012 um 1,2 Prozent wachsen sowie die nominellen Brutto-Löhne und -Gehälter pro Kopf um 2,7 bzw. 3,2 Prozent. Durch die hohe Inflation gehen die Pro-Kopf-Einkommen heuer netto aber um 0,8 Prozent zurück und steigen auch 2012 nur um 0,3 Prozent, erwartet das WIFO; 2010 hatte es ein reales Netto-Minus von 0,7 Prozent gegeben nach noch 2,7 Prozent Plus 2009.

WIFO für „großzügige Lohnrunde“

WIFO-Chef Karl Aiginger sprach sich daher für eine eher großzügige Lohnrunde aus. An sich könnten hohe Lohnabschlüsse die Wettbewerbsfähigkeit gefährden, „das ist aber derzeit ein geringeres Problem“, sagte Aiginger vergangene Woche: „Es muss auch wieder Reallohnzuwächse geben.“ Dass der private Konsum in Österreich auch jetzt nur rund ein Prozent real jährlich wachse, sei „eigentlich zu wenig in einem Aufschwung“. Das Konsumwachstum komme momentan nur aus einer Senkung der Sparquote. Das sei ein Punkt, der in den nächsten Lohnverhandlungen eine Rolle spielen werde, nämlich: „Wie macht man Lohnabschlüsse ohne Nettoverlust“, so Aiginger.

IHS-Chef Bernhard Felderer warnte dazu umgehend vor Zweitrundeneffekten über die Löhne und sagte, er „hoffe auf die Weisheit der Sozialpartner“. Gefährlich werde die Inflation in Österreich - wiewohl heuer wegen Energie- und Rohstoffkosten bereits bei zumindest drei Prozent im Gesamtjahr - erst bei Zweitrundeneffekten. Allerdings sei etwas Derartiges über die Löhne möglich.

Wirtschaft wächst stärker

WIFO und IHS hoben am Freitag die BIP-Wachstumsprognose von knapp 2,5 Prozent auf 3,0 Prozent an. Für 2012 wird das Wachstum allerdings geringer ausfallen. Die beiden Institute sehen für das kommende Jahr weiterhin nur um die zwei Prozent realen Anstieg - das IHS ist hier mit 2,1 Prozent etwas optimistischer als das WIFO mit 1,8 Prozent. Grund für die neuerliche Aufwärtsrevision des BIP für 2011 ist ein unerwartet starkes Anziehen der Warenexporte und -importe sowie umfangreichere Ausrüstungsinvestitionen der heimischen Betriebe.

Begünstigt wird das von Impulsen der Weltwirtschaft, die sich heuer aber abschwächen dürften. Auch nehmen die internationalen Konjunkturrisiken aus Sicht von WIFO und IHS zu. Verwiesen wird dazu etwa auf die hohen Rohstoff- und Energiepreise, die US-Schuldenkrise und die Griechenland-Turbulenzen, die für Unsicherheit im Euro-Raum sorgen.

Inflation wird weiter steigen

Wegen der teuren Energie, namentlich Öl, klettert die Inflationsrate in Österreich heuer auf 3,2 (WIFO) bzw. 3,0 Prozent (IHS) - davon sind aber 0,4 Prozent „hausgemacht“ durch neue Steuern oder Steuererhöhungen etwa auf Mineralöl, Tabak und Flugtickets. 2012 dürfte die Teuerungsrate auch nur auf 2,6 bis 2,3 Prozent sinken.

Das Beschäftigungsplus durch den Konjunkturaufschwung dürfte sich heuer verlangsamen, sodass der Rückgang der Arbeitslosigkeit zum Stillstand kommt, glauben die Experten. Sie erwarten für 2011 und 2012 mehr als vier Prozent Arbeitslosenquote nach Eurostat-Definition bzw. rund 6,5 Prozent nach nationaler Rechnung.

Mahnung zu verstärktem Defizitabbau

Die kräftige Konjunktur sollte zu einem stärkeren Defizitabbau genutzt werden, mahnt das IHS. Beide Institute sehen das Defizit des Staatshaushalts (laut Maastricht) von 4,6 Prozent im Vorjahr heuer auf 3,1 Prozent sinken. 2012 sollte ein weiterer Rückgang auf 2,9 (WIFO) bzw. 2,5 Prozent (IHS) möglich sein - „sofern Länder und Gemeinden ihre im neuen Stabilitätspakt festgelegten Defizitziele einhalten können“, wie das WIFO betont.

Schwellenländer und Deutschland als Antrieb

Die Weltwirtschaft wächst nach wie vor kräftig, getragen von Schwellenländern in Asien und Lateinamerika. Das WIFO rechnet heuer mit 4,1 Prozent realem BIP-Plus weltweit nach 4,9 Prozent im Vorjahr, für 2012 dann mit 4,2 Prozent. Der Welthandel nimmt laut IHS heuer um 7,5 Prozent zu, nur noch halb so kräftig wie 2010, nächstes Jahr sollen es 7,0 Prozent sein.

Im Euro-Raum, der heuer um fast zwei Prozent expandieren dürfte und nächstes Jahr zumindest um 1,5 Prozent, bleibt Deutschland die Wachstumslokomotive. Für den Haupthandelspartner Österreichs rechnet das WIFO heuer mit 3,4 Prozent realem BIP-Plus, das IHS mit 3,5 Prozent; 2012 wird eine Abschwächung des Anstiegs auf 1,8 bzw. 2,2 Prozent gesehen. Das Wachstum in der gesamten Europäischen Union (EU-27) dürfte etwas höher ausfallen als in der Euro-Zone.

In den USA dürfte sich das Wachstum von im Vorjahr 2,9 Prozent heuer und 2012 auf rund 2,5 Prozent abschwächen, erwarten beide Institute. China wächst weiter kräftig - nach 10,3 Prozent im Vorjahr heuer um 9,5 Prozent und nächstes Jahr um 8,5 Prozent, auch hier gehen WIFO und IHS konform.

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