„Ein bedeutendes Risiko“
Das aktuelle hohe Ölpreisniveau bedroht nach Ansicht der Internationalen Energieagentur (IEA) die Entwicklung der Weltwirtschaft. „Ich befürchte, dass die derzeitigen Preise ein bedeutendes Risiko für die Erholung der globalen Ökonomie darstellen“, warnte IEA-Chefökonom Fatih Birol am Dienstag auf einer Konferenz in Singapur.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Birol sagte, er sei sehr besorgt, dass sich die Entwicklung aus dem Jahr 2008 wiederholen könnte: Im Sommer 2008, vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, war der Preis für ein Barrel (159 Liter) Öl auf 147 Dollar (102,4 Euro) geschnellt, was den privaten Verbrauch gedrosselt und das Vertrauen der Investoren geschwächt hatte. Dem IEA-Chefökonomen zufolge lag der durchschnittliche Ölpreis des Jahres 2008 bei 90 Dollar (62,7 Euro) - in diesem Jahr sind es bisher 110 Dollar (76,6 Euro).
Die IEA
Die IEA ist ein zwischenstaatlicher Arm der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ihr Sitz ist in Paris.
Blieben die Preise auf diesem Level, könnten sie die Erholung der Weltwirtschaft „entgleisen lassen“, sagte Birol. Die Ölpreise erreichten derzeit eine „Gefahrenzone“ und forcierten Inflationsrisiken. Als kritische Marke für den Ölpreis gelten 100 Dollar (69,5 Euro) je Barrel. Der als wichtige Ölpreisbenchmark geltende Future auf die Rohölsorte Brent notierte am Dienstag in London bei 112,5 Dollar (78,3 Euro) je Barrel, am Montag hatte der Brent-Future 111,7 Dollar (77,8 Euro) betragen.
Spekulationsanteil bei 20 Prozent
Die UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) schätzt den Spekulationsanteil bei der Preisbildung für Öl bei 20 bis 25 Prozent. Dass es Spekulation gibt, glaubt auch der Generalsekretär der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) Abdallah al-Badri. „Es wird täglich 35-mal so viel Öl gehandelt, wie verbraucht wird“, so Badri beim World Economic Forum (WEF) in Wien.
Dass Öl mehrmals gehandelt wird, ist für den BP-Ökonomen Kevin Goodwin aber nicht per se schlecht: „Meiner Meinung nach treibt das nicht künstlich die Preise in die Höhe.“ Spekulanten könnten zwar Trends verstärken, diese „Overshoots“ seien aber nicht für die langfristige Preisentwicklung verantwortlich, so Goodwin. Mutmaßliche Auswirkungen von Spekulation durch Preisfestsetzungen zu unterbinden, halte BP daher nicht für sinnvoll.
Höhere Nachfrage in zweiter Jahreshälfte
Als Belastungsfaktor für den Ölmarkt sehen Rohstoffexperten auch, dass die weltweite Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte um 1,7 Millionen Barrel pro Tag zunehmen wird. Das geht aus dem neuen Monatsbericht der OPEC hervor. Der Ölbedarf werde höher sein, als die Mitgliedsländer des Kartells derzeit produzieren, und es werde zu einem Öllagerabbau komme. Die größten Verbrauchszuwächse werden von China, dem übrigen Asien, Lateinamerika und dem Nahen Osten erwartet. So führte Japan im Mai um 6,9 Prozent mehr Öl als im April ein.
Dass die OPEC zuletzt die Förderquoten von 24,845 Millionen Barrel täglich (ohne Irak) nicht anhob, sorgte für einen kräftigen Preissprung. Das Weiße Haus warnte daraufhin vor einem unzureichenden Ölangebot. „Wir denken, dass wir uns in einer Situation befinden, in der das Ölangebot nicht ausreichend ist, um die Nachfrage zu decken“, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, in Washington. Die IEA äußerte sich ähnlich.
Links: