Keine Einigung am Dienstag
Die unvermeidlichen weiteren Rettungsmaßnahmen für Griechenland spalten die Euro-Länder. Die Finanzminister der Euro-Zone verzichteten am Dienstag in Brüssel auf die zunächst geplante gemeinsame Erklärung, die zur Beruhigung der nervösen Finanzmärkte gedacht war. „Das ist ein sehr schwieriges Thema“, resümierte der finnische Ressortchef Jyrki Katainen nach stundenlangen Debatten.
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Es geht vor allem darum, wie Banken und Versicherungen an den Milliardenkosten für einen neuen Rettungsplan beteiligt werden. Vor allem Deutschland drängt auf einen Beitrag privater Gläubiger und bekommt dabei nicht unbedingt Unterstützung. Das Paket soll laut Spekulationen einen Umfang von 90 bis 120 Milliarden Euro haben.
Die Euro-Gruppe selbst will am Sonntag, einen Tag früher als geplant, ihre Beratungen über das weitere Vorgehen fortsetzen. „Die Gespräche gehen weiter“, sagte der Vorsitzende der Ministerrunde, Luxemburgs Jean-Claude Juncker. Laut Diplomaten gab es Bewegung, eine Einigung sei aber noch nicht absehbar.
Deutschland fordert umfassende Bankenbeteiligung
Der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) trifft mit seinen weitgehenden Plänen zur Beteiligung von Privatgläubigern auf erheblichen Widerstand der Euro-Partner. Die deutsche Regierung fordert, dass die Banken ihre alten griechischen Staatsanleihen freiwillig gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen.
Zwar sind die meisten Euro-Länder offenbar grundsätzlich bereit, auch private Gläubiger einzubeziehen. Allerdings wollen sie bei einer „sanften“ Umschuldung nicht so weit gehen wie Deutschland. Auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager forderte einem Sprecher zufolge, dass mehr als 30 Prozent der erforderlichen Summe vom Privatsektor übernommen werden müssten.
Weiteres Hilfspaket nötig
Da Griechenland trotz gewährter Notkredite von über 110 Mrd. Euro aus dem vergangenen Jahr weiter tief in der Schuldenkrise steckt, wird inzwischen an einem zweiten Hilfsprogramm gearbeitet. Der zweite Rettungsplan soll bis Ende des Monats vereinbart sein und könnte der Regierung in Athen neues Geld in Höhe von 90 bis 120 Mrd. Euro verschaffen.
Katainen sagte, er befürworte eine Beteiligung des Privatsektors. „Ich weiß aber noch nicht, wie wir das machen sollen“, fügte er hinzu. „Wir müssen um jeden Preis eine nächste Finanzkrise verhindern.“ Die Verhandlungen seien „nicht so weit von einer Lösung entfernt, wie manche glauben“, hatte bereits zuvor EU-Finanzkommissar Olli Rehn laut „Süddeutscher Zeitung“ („SZ“) gesagt.
„Alle Optionen durchspielen“
Eine Entscheidung über ein neues Griechenland-Programm könne beim nächsten Treffen der europäischen Finanzminister fallen, sagte Juncker. Bis dahin werde man „alle Optionen durchspielen“, wie der Chef der Euro-Gruppe betonte. Ist dann ein zweites Hilfspaket für Griechenland geschnürt, könnte dieses auf dem EU-Gipfel am 23. und 24. Juni endgültig beschlossen werden. Bedingung dafür sind nach den Worten Schäubles aber auch weitere Spar- und Reformanstrengungen der Regierung in Athen: „Denn ohne dass Griechenland eine entsprechende wirtschaftliche Entwicklung nimmt, ist das alles nicht zu schaffen.“
Fekter verweist auf „Vienna Initiative“
Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) sprach sich ausdrücklich für eine private Gläubigerbeteiligung aus. Sie habe „Sympathie“ für eine solche Beteiligung, Österreich habe mit der Wiener Lösung („Vienna Initiative“) bei den östlichen Nachbarländern gezeigt, wie eine Beteiligung der Banken zustande komme. „Ähnliches werden wir hoffentlich auch zustande bringen“, so Fekter.
EZB sieht „engen Spielraum“
Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, sieht für die Beteiligung des Privatsektors nur einen ganz engen Spielraum. „Wir sind nicht gegen eine Einbeziehung des Privatsektors“, sagte Stark am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Aber es muss völlig freiwillig sein.“ Aus Marktreaktionen habe man gelernt, „dass jede Art von Zwang dazu führt, dass eine Neubewertung der griechischen Papiere vorgenommen wird und dass letztlich die Gefahr droht, dass eine partielle oder eine totale Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands drohen könnte“. Den Euro sieht Stark trotz der Probleme Griechenlands, Irlands und Portugals nicht in Gefahr. „Das Schicksal des Euro hängt nicht von diesen Ländern ab“, sagte er.
Auch die französischen Geldinstitute teilen die Bedenken der EZB. Das sagte der Chef des Branchenverbandes, Francois Perol, der Nachrichtenagentur Reuters. Zwar sei wegen einer Beteiligung der privaten Gläubiger noch niemand bei dem Verband vorstellig geworden. Allerdings müsse jeder Vorschlag alle Marktteilnehmer gleich behandeln.
Ratingagenturen drohen mit „D“
Ratingagenturen wie Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch erhöhten zuletzt deutlich den Druck und drohten, eine Beteiligung privater Investoren einem Zahlungsausfall gleichsetzen zu wollen. Das wiederum hätte schwerwiegende Konsequenzen für den Bankensektor, insbesondere in Griechenland. Ab welchem Zeitpunkt die Agenturen griechische Anleihen mit „D“ (für „Default“, Zahlungsausfall) kennzeichnen würden, gilt indes als unsicher.
TV-Hinweis
Der „Club 2“ widmet sich am Mittwoch ab 23.00 Uhr in ORF2 dem Thema Griechenland. Unter anderen diskutieren die Vizerektorin der WU Wien, Regina Prehofer, die Finanzwissenschaftlerin der Universität Utrecht, Brigitte Unter, und Therese Mitterbauer von der Jungen Industrie über die Frage: „Machen uns die Griechen arm?“ - mehr dazu in tv.ORF.at.
Für die größte Agentur S&P ist das Hauptkriterium die „volle und zeitnahe“ Rückzahlung der Staatsanleihen. Mit anderen Worten: Sobald die Politik zusätzliches Staatsgeld für Griechenland an eine Beteiligung privater Gläubiger knüpft, wäre das für S&P ein Grund, von einem Zahlungsausfall zu sprechen - und zwar unabhängig davon, ob die Beteiligung freiwillig oder verpflichtend erfolgt.
Etwas anders positioniert sich Moody’s. Zwar droht auch Moody’s im Fall einer Belastung privater Gläubiger mit einer sofortigen Herabstufung der Bonität Griechenlands auf „D“, also Zahlungsausfall. Allerdings scheint sich Moody’s etwas offener für eine freiwillige Lösung zu zeigen - wenngleich sich die Agentur eine freiwillige Beteiligung im aktuellen Umfeld kaum vorstellen kann.
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