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„Irgendwie wie eine große WG“

Nach einer Woche in Haft ist der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn Freitagabend (New Yorker Ortszeit) in den Hausarrest entlassen worden. Entgegen den ursprünglichen Plänen ist er statt in der mondänen Upper East Side nun mitten in Manhattans Finanzdistrikt in einem Appartement „eingesperrt“.

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Der 62-Jährige wurde nach Angaben der New Yorker Behörden am Freitag einer Sicherheitsfirma anvertraut, die für seine Überwachung zuständig ist. Der wegen versuchter Vergewaltigung angeklagte Strauss-Kahn befindet sich in der Wohnung unter strengsten Sicherheitsauflagen im Hausarrest. Unklar blieb vorerst, ob er bis zum Prozess in der Wohnung an der Adresse 71 Broadway bleiben wird.

Nur Arztbesuch erlaubt

Ein Richter hatte am Donnerstag der Freilassung gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von einer Million Dollar (700.000 Euro) zugestimmt, außerdem musste Strauss-Kahn Bürgschaften in Höhe von fünf Millionen Dollar hinterlegen. Am Freitag verließ der Franzose schließlich die Gefängnisinsel Rikers Island, wo er in einer Einzelzelle gesessen war.

Vorerst wohnt Strauss-Kahn unter strengen Auflagen in dem Appartement am Broadway. Dort wird er rund um die Uhr von bewaffneten Sicherheitsleuten überwacht und muss eine elektronische Fußfessel tragen. Seine Reisepässe musste er abgeben. Verlassen darf er die Wohnung nahe Ground Zero, wo die Zwillingstürme des World Trade Centers standen, nur aus medizinischen Gründen.

Plan für Nobelappartement gescheitert

Erst später, wenn er in ein ständiges Domizil umgezogen ist oder seine nunmehrige Bleibe entsprechend adaptiert ist, sind auch von Sicherheitsleuten begleitete Fahrten zu Gerichtsterminen, zu Treffen mit seinen Anwälten oder zu Gottesdiensten erlaubt - allerdings nur bei sechsstündiger Voranmeldung. Von 22.00 bis 06.00 Uhr darf Strauss-Kahn die Wohnung gar nicht verlassen. Besuch darf er nur nach Einwilligung der Justiz empfangen, und nur höchstens vier Besucher auf einmal.

Journalisten vor Appartment mit Adresse 71 Broadway

Reuters/Mike Segar

Auch vor Strauss-Kahns neuer Bleibe gab es Protest gegen seinen Einzug.

Laut Medienberichten hatte Strauss-Kahns Ehefrau, die Journalistin Anne Sinclair, zuvor bereits eine andere Wohnung in Manhattan gemietet. Nach Beschwerden von Anwohnern habe der Besitzer seine Einwilligung aber wieder zurückgezogen. Strauss-Kahns Anwalt William Taylor wies diese Version zurück: Vielmehr sei der ursprüngliche Plan, in die Wohnung zu ziehen, wegen des Medienansturms geändert worden.

Unerreichbare Pizzeria

Das Wohnhaus verfügt zwar über einige Annehmlichkeiten - gemessen am geplanten Aufenthalt im noblen Bristol Plaza wirkt es jedoch geradezu armselig. Der hauseigene Fitnessraum und die Pizzeria im Erdgeschoß sind für Strauss-Kahn allerdings ohnehin außer Reichweite. Zudem sind die „neuen Nachbarn“ wohl ungewohnter Umgang für Strauss-Kahn. Die meisten von ihnen sind mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.

Ein Stockwerk voller Arrestanten

Laut dem Boulevardblatt „New York Post“ ist der gesamte vierte Stock des historischen „Emprire Building“ von der Sicherheitsfirma Stroz Friedberg angemietet. In allen Wohnungen sind demnach Angeklagte untergebracht, die in Hausarrest auf ihren Prozess warten. Einer von ihnen ist demnach Andrew Auernheimer, der die Daten von 120.000 Nutzern von Apples iPad gehackt hat und deshalb seit Februar unter Hausarrest steht.

„Er ist in Ordnung“, urteilte Auernheimer gegenüber dem Boulevardblatt über Strauss-Kahn. „Ich habe ihn hereinkommen sehen, mit den Bewachern, im Eingangsbereich herumstehen. Ich habe ihn hereingebeten und ihn ein paar Leuten vorgestellt.“ Immerhin gebe es in dem Wohnhaus „acht oder neun Leute, die alle in derselben Situation sind - wir sind irgendwie wie eine große WG hier“.

Nächster Gerichtstermin am 6. Juni

Eine Grand Jury hatte Strauss-Kahn am Donnerstag formell angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, vor einer Woche in einem New Yorker Luxushotel ein Zimmermädchen sexuell bedrängt und zum Oralsex gezwungen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen Strauss-Kahn, der als aussichtsreicher Kandidat für die französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr galt, bis zu 74 Jahre Haft. Es wird erwartet, dass er beim nächsten Gerichtstermin am 6. Juni auf „nicht schuldig“ plädiert.

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