Tyrann und Schöngeist
Längst widerlegen viele Quellen den Mythos des zündelnden Kaisers Nero (37 bis 68 n. Chr.), weil sich dieser während des großen Brandes im Jahr 64 gar nicht in der Stadt aufgehalten haben soll. In einer neuen Großausstellung in Rom wollen italienische Historiker nun auch mit so manch anderem Mythos rund um den Herrscher aufräumen.
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Gleich vorweg: An den brutalen Christenverfolgungen, den Morden an seiner Mutter und seiner Frau und der legendären Verschwendungssucht wird dabei nicht gerüttelt. Die Archäologin der Stadt Rom und Kuratorin der bis September zu sehenden Ausstellung „Nerone“, Maria Antionetta Tomei, erklärte gegenüber Ö1: „Nero war eine sehr komplexe Persönlichkeit, und wir dürfen eines nicht vergessen, er hatte den größten Philosophen seiner Zeit, Seneca, zum Lehrmeister. Und dass man Nero oft als Gaukler darstellte, lag an den antiken Quellen. Die Verfasser waren gegen ihn und so haben sie ihn oft negativ dargestellt.“
Zu diesen „negativen Quellen“ zählt für Tomei die senatorische Geschichtsschreibung der römischen Gelehrten, wie etwa Tacitus und Sueton, die Nero als den reinsten Tyrannen und ohne jegliche positive Seite beschrieben.

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Die Ausstellung zeigt unter anderem, wie Neros Prunkpalast Domus Aurea ausgesehen haben könnte.
Nero soll den Krieg verabscheut haben
Rosella Rea, Direktorin des Kolosseums und Kokuratorin der Ausstellung, betonte gegenüber Ö1, dass die jüngste Forschung dieses Bild des Kaisers dagegen zurechtrücken würde: „Nero verabscheute den Krieg und die Darstellung von Grausamkeiten. Vielmehr galt seine große Leidenschaft dem Theater.“
Trotzdem hätten ihn seine Soldaten geliebt, und das Volk habe ihn verehrt, so Rea. „Nach seinem Tod brachten die Menschen für sehr lange Zeit Blumen auf sein Grab. Sogar der Mythos des wiederauferstandenen Nero wurde gepflegt, denn viele seiner Zeitgenossen hatten den Selbstmord des geliebten Kaisers mit nur 30 Jahren nicht akzeptieren wollen.“
Bruch in der Biografie Neros
Unklar bleibt jedoch auch in der neueren Forschung wodurch der Bruch - vom kunstinteressierten Schöngeist und Reformer zum dekadenten Tyrannen - letztendlich ausgelöst wurde. „Die Ausstellung will eine komplexe Persönlichkeit besser erklären“, erläuterte der Untersekretär des italienischen Kulturministeriums, Francesco Maria Giro, bei der Eröffnung.

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Mit 3-D-Rekonstruktionen gewährt die Ausstellung Einblicke in den kaiserlichen Prunk.
Die von Italiens Kulturministerium organisierte Schau zeigt Skulpturen, Fresken, Gemälde und auch Ausgrabungen, von denen einige zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich sind. Auch laufende Grabungsarbeiten an Gebäuden Neros sollen aus der Nähe betrachtet werden können. Dreidimensionale Videoanimationen veranschaulichen etwa, wie der riesige Palast des Kaisers ausgesehen haben könnte.
Ein Kaiser als Stadtplaner
So führt die Ausstellung ins Kolosseum, ins Forum Romanum und zum Palatin. Den Kuratoren geht es dabei nicht nur um den Brand in der Nacht zum 19. Juli im Jahr 64 n. Chr., sondern auch darum, zu zeigen, wie der römische Kaiser das zerstörte Gebiet wieder aufbaute.
Denn der große Brand von Rom, den Nero den Christen in die Schuhe schob und der zum Anlass für die blutigen Verfolgungen diente, hatte für den Kaiser einen Vorteil: Er konnte die Stadt nach seinen Vorstellungen neu gestalten. So entstand auch das Domus Aurea in der Nähe des Kolosseums, der prunkvollste Palast der Antike, neben den Pyramiden in Ägypten eine der größten Sensationen des Altertums.
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