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Leck noch nicht abgedichtet

Die Rückschläge im Kampf gegen die Katastrophe in den Reaktoren des japanischen AKW Fukushima I bringen die Betreiberfirma TEPCO immer mehr unter Zugzwang: Sie muss dringend Arbeiter finden, die in extrem gefährliche und verstrahlte Bereiche der Reaktoren vordringen. Bis zu 3.500 Euro werden Freiwilligen laut japanischen Medien pro Tag oder auch nur für weniger als eine Stunde geboten.

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Denn häufig kann aufgrund der hohen Radioaktivität nur kurz gearbeitet werden. Einem TEPCO-Vertreter zufolge gebe es spezielle Aufgaben für „Jumpers“, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Diese Arbeiter erledigen rasch Aufgaben in extrem verstrahlten Bereichen und versuchen diese so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Lässt es die Strahlendosis zu, könnten sie auch mehrmals in das AKW geschickt werden.

„Pumpe hineinwerfen und rausrennen“

TEPCO kämpft auch mit dem Dilemma, nicht genau zu wissen, ob die Maßnahmen helfen, da man nicht nahe genug an die Reaktoren kommt. In anderen Fällen würden für solche Aufgaben Roboter eingesetzt. Aufgrund der starken Zerstörung durch das Erdbeben und den Tsunami ist das aber in Fukushima nicht möglich.

Einer dieser schnellen Jobs wäre gewesen, verstrahltes Wasser abzupumpen. Für die Pumpe muss ein eigener Generator angebracht werden. „Alles, was jemand tun muss, ist, ein Ende dieser Pumpe zum Wasser zu bringen, hineinzuwerfen und rauszurennen“, hieß es von TEPCO.

Zwei AKW-Arbeiter gestorben

Die finanziellen Angebote lassen dennoch viele zögern, denn die Risiken sind enorm. Laut TEPCO wurden erst am Freitag wieder 18 Mitarbeiter des Unternehmens und drei externe Arbeiter einer Radioaktivität von 100 Millisievert ausgesetzt. Die durchschnittliche Dosis für einen AKW-Arbeiter beträgt 50 Millisievert über einen Zeitraum von fünf Jahren. Erst wenige Tage zuvor wurden zwei Arbeiter ins Spital gebracht, nachdem ihre Beine im Reaktor 3 einer Radioaktivität von 170 bis 180 Millisievert ausgesetzt gewesen waren.

Am Sonntag gab TEPCO zudem bekannt, dass zwei tote AKW-Mitarbeiter bereits am Mittwoch gefunden wurden. Diese sollen aber durch den Tsunami gestorben sein. Sie mussten dekontaminiert werden und wurden dann ihren Angehörigen übergeben.

Einige fühlen sich trotz der Risiken gezwungen, die hoch riskanten Arbeiten im AKW zu übernehmen. „Es ist gefährlich dort, aber wenn ich mich weigere, glaube ich nicht, dass ich meinen Job behalten kann“, sagte ein 41-jähriger Arbeiter gegenüber der Zeitung „Tokyo Shimbun“.

Katastrophale Arbeitsbedingungen

Die Arbeiter am havarierten Atomkraftwerk Fukushima I arbeiten unter katastrophalen Bedingungen. „Wenn es nötig ist, übernachten sie in einem Gebäude auf dem AKW-Gelände“, sagte TEPCO-Pressesprecher Yoshimi Hitosugi in einem am Sonntag in Tagesschau.de veröffentlichten Interview. „Ernähren müssen sie sich leider mit Notfallrationen.“

Wie Hitosugi betonte, tragen die Arbeiter Dosimeter und sind radioaktiver Strahlung unterhalb festgelegter Werte ausgesetzt. 80 bis 90 Prozent seien TEPCO-Angestellte. Die anderen kämen etwa von der Feuerwehr oder Reaktorherstellerfirmen. Sie arbeiteten im Schichtsystem.

Zur heftig kritisierten Informationspolitik des Energiekonzerns sagte Hitosugi: „Wir geben mehrmals am Tag Pressekonferenzen. Die Daten der Boden- und Meerwasserverseuchung werden nach der Untersuchung und der Bewertung sofort veröffentlicht.“

Vergebliche Versuche, Leck abzudichten

Entspannung ist im AKW Fukushima nicht in Sicht. Am Samstag wurde ein Leck im Boden von Reaktor 2 gefunden worden, aus dem hoch radioaktives Wasser direkt in den Pazifik austritt. Ein erster Versuch, den Riss im Betonboden zu schließen, ist gescheitert. Der Austritt von Wasser wurde durch das Hineingießen von frischem Beton nicht aufgehalten. Auch der Versuch, mit einem Polymerstoff den Wasseraustritt zu stoppen, schlug fehl.

Nach Einschätzung der Regierung könnte noch monatelang Radioaktivität entweichen. Japan könne einen „langen Kampf“ gegen die Atomkrise nicht vermeiden, sagte Regierungssprecher Yukio Edano nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo.

„Lebensbedrohliche“ Werte

Laut TEPCO läuft aus dem 20-Zentimeter-Spalt Wasser mit einer Strahlendosis von mehr als 1.000 Millisievert pro Stunde ins Meer. Greenpeace-Experte Wolfgang Sadik bezeichnete die gemessenen Werte als „lebensbedrohlich“. Der Riss befindet sich laut dem japanischen Fernsehsender NHK in der Wand einer zwei Meter tiefen Grube für Stromkabel.

Das Wissenschaftsministerium veröffentlichte Jod-Werte, die im Meer rund 40 Kilometer von der Atomruine entfernt doppelt so hoch waren wie der zulässige Grenzwert. Es war das erste Mal, dass Radioaktivität über den gesetzlich zugelassenen Werten so weit vor der Küste gemessen wurde, wie NHK meldete. Japanische Fischer reagierten mit Entsetzen und Wut auf die Nachricht. „Was soll nur aus unserem Leben nun werden“, zitierte die Nachrichtenagentur Jiji einen Fischer.

Der Gouverneur der Präfektur Fukushima kritisierte die Informationspolitik der japanischen Atomaufsichtsbehörde. Die Angaben zur radioaktiven Belastung landwirtschaftlicher Produkte seien zu spät veröffentlicht worden. Ein Behördenvertreter soll vor Journalisten erklärt haben, dass es nicht genügend Materialien für Tests in der Präfektur gebe.

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