„Bis zum Sturz Al-Gaddafis“
Luftangriffe gegen Libyen können bereits in wenigen Stunden beginnen. Frankreich werde sich daran beteiligen, sagte Regierungssprecher Francois Baroin am Freitag dem Sender RTL. Der UNO-Sicherheitsrat hatte in der Nacht den Weg dafür frei gemacht.
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„Es handelt sich nicht um eine Besetzung libyschen Gebiets, sondern um einen Militäreinsatz, um das libysche Volk zu schützen und ihm zu ermöglichen, in seinem Streben nach Freiheit bis zum Ende zu gehen, also bis zum Sturz (des libyschen Machthabers Muammar, Anm.) Al-Gaddafis“, fügte Baroin hinzu. Wann, wo und in welcher Form die Angriffe stattfinden würden, wolle er im Moment nicht mitteilen. Diplomaten zufolge sollen die Luftangriffe von einer Koalition aus USA, Frankreich und Großbritannien angeführt werden.
NATO-Krisensitzung in Brüssel
Nach der UNO-Entscheidung erörtert derzeit der NATO-Rat bei einem Sondertreffen die Konsequenzen. Die ständigen NATO-Botschafter wollen neben dem vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Flugverbot auch über Pläne für „alle Eventualitäten“ sprechen.
Von Luftschlägen war beim Militärbündnis zunächst nicht die Rede. Für eine mögliche NATO-Operation seien eine gesicherte regionale Unterstützung und eine klare gesetzliche Grundlage nötig, hieß es. Unter diesen Bedingungen „ist die NATO bereit, um als Teil einer breiten internationalen Anstrengung zu handeln“.
Al-Gaddafi-Sohn: „Keine Angst“
Vor allem Frankreich hatte sich für ein hartes Durchgreifen gegen das Regime starkgemacht, aber auch andere Länder wollen sich mit ihren Luftstreitkräften beteiligen. Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen sollen auch Kampfflugzeuge aus den USA, Großbritannien „und anderen europäischen und arabischen Ländern“ bereitstehen.
Ein Sohn Al-Gaddafis sagte unterdessen, seiner Familie machten die angekündigten Luftangriffe „keine Angst“. Die Bombardierung Libyens, die Tötung von Libyern helfe den Menschen nicht, sagte Saif al-Islam der Sendung ABC News Nightline aus der libyschen Hauptstadt Tripolis. Laut Angaben der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol schloss Libyen seinen Flugraum für jeglichen Luftverkehr, wie die Behörde am Vormittag mitteilte.
Auf Veto verzichtet
Nach tagelangem Ringen und schweren Bedenken gegen eine Flugverbotszone ist die nun beschlossene Resolution somit viel weitreichender als alles, was bis zum Vortag noch zur Debatte stand. Als Hauptgrund für die schnelle Entscheidung gilt Al-Gaddafis verschärfte Offensive gegen die Rebellenhochburgen Misrata und Bengasi.
Zum Schutz von Zivilisten dürften laut der verbreiteten Erklärung des UNO-Sicherheitsrates „alle notwendigen Maßnahmen“ ergriffen werden. Die Resolution erlaubt militärisch fast alles - bis auf Bodentruppen. Damit genehmigte das Gremium de facto ein militärisches Eingreifen in dem nordafrikanischen Land.

APA/EPA/Peter Foley
Der Sicherheitsrat stimmt ab.
Die Entscheidung fiel mit zehn Pro- und null Kontrastimmen bei fünf Enthaltungen, darunter Russland, China und Deutschland. Die UNO-Vetomächte China und Russland lehnen die Resolution weiter ab, machten aber keinen Gebrauch von ihrem Veto. Einer der Hauptgründe dürfte sein, dass es den USA gelungen ist, auch arabische Staaten für den Militärschlag zu gewinnen.
Auch die nicht ständigen Mitglieder Deutschland und Indien enthielten sich. Sie sind skeptisch, weil sie nicht in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden wollen. Laut dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle werde sich Deutschland nicht an einem Militäreinsatz in Libyen beteiligen. Zur Entlastung der NATO bei einer möglichen Libyen-Mission steht offenbar aber der Einsatz von AWACS-Überwachungsflugzeugen in Afghanistan zur Debatte.
Vorbereitungen auch in den USA
Die USA sind nach Angaben von Mitarbeitern des US-Kongresses bereits mitten in den Vorbereitungen für Luftschläge. Bereits grünes Licht gibt es in Großbritannien. Wie Premier David Cameron am Freitag mitteilte, wird sich Großbritannien mit Tornados und Eurofightern an einem Libyen-Einsatz beteiligen. Die Kampfflugzeuge würden in den kommenden Stunden zu Luftwaffenstützpunkten gebracht, von denen aus sie eingreifen könnten, um die Flugverbotszone in Libyen durchzusetzen.
Eine Zusage an einer Beteiligung an der im Raum stehenden Libyen-Mission kommt unter anderem aus Norwegen. Auch Dänemark wartet nach Angaben von Außenministerin Lene Espersen auf die Zustimmung des Parlaments zur Entsendung von F-16-Kampfjets. Polen bot Transportflugzeuge an, schloss die Bereitstellung von Kampfflugzeugen jedoch aus.
Auch der Golfstaat Katar kündigte seine Beteiligung an den Maßnahmen zur Umsetzung der Resolution des Sicherheitsrats an. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur QNA unter Berufung auf einen Verantwortlichen des Außenministeriums.
Individuelles Vorgehen möglich
Die Resolution erlaubt Luftschläge und alle anderen „erforderlichen Maßnahmen“ zum Schutze der Zivilisten „mit Ausnahme von Okkupationstruppen“. Möglich wäre also auch ein Angriff auf Bodenziele oder die Zerstörung der Luftwaffe auf dem Boden durch Kampfjets oder Marschflugkörper. Die UNO-Mitgliedsstaaten dürfen auch individuell handeln.
„Frankreich steht bereit“, hatte Außenminister Alain Juppe gesagt. „Wir erleben einen historischen Moment: Die Menschen in Arabien verlangen nach Freiheit. Dieser arabische Frühling ist eine gute Nachricht für die ganze Welt.“ Umso erschütternder sei, dass Al-Gaddafi friedliche Demonstranten zusammenschießen lasse. „Wir sind nun willens und bereit, gemeinsam zu handeln. Wir haben nicht viel Zeit, es ist eine Frage von Tagen, vielleicht Stunden.“ Gut zwei Wochen nach seiner neuerlichen Ernennung war er extra nach New York gereist, um die Zustimmung zu forcieren.
„Hilfeschrei gehört“
Die Europäische Union begrüßte die Libyen-Resolution. Diese sei „eine klare Grundlage für die Mitglieder der internationalen Gemeinschaft, der Zivilbevölkerung Schutz zu gewähren“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton von Freitagfrüh in Brüssel.
„Die Vereinten Nationen haben den Hilfeschrei des libyschen Volkes gehört“, sagte US-UNO-Botschafterin Susan Rice. Mit der Resolution habe der Sicherheitsrat seine Handlungsfähigkeit bewiesen und ein starkes Signal an Al-Gaddafi gesandt. „Über die Zukunft Libyens darf nur das Volk Libyens entscheiden.“
Al-Gaddafi droht mit „Hölle“
Der Fernsehsender al-Jazeera zeigte unmittelbar nach der Entscheidung Bilder aus der Rebellenhochburg Bengasi. Tausende Gegner des Machthabers jubelten und zündeten Feuerwerke. Truppen des libyschen Staatschefs bereiten die Erstürmung der ostlibyschen Stadt vor. Al-Gaddafi drohte unterdessen mit Vergeltungsschlägen. Er werde der Welt „das Leben zur Hölle machen“, falls sein Land von ausländischen Mächten angegriffen werde. Die UNO habe kein Mandat, um sich in Libyen einzumischen.
Vizeaußenminister Chaled Kaim dagegen sagte, die Regierung sei zu Waffenstillstandsverhandlungen mit den Rebellen bereit. Zunächst müsse aber über die Details einer solchen Vereinbarung diskutiert werden. Der Vizeaußenminister fügte hinzu, dass sein Land „positiv“ auf die Resolution des UNO-Sicherheitsrates reagieren werde. „Und wir werden unseren Willen zeigen, den Zivilisten Schutz zu garantieren.“
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