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Diplomatie läuft auf Hochtouren

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Libyens Staatschef Muammar Al-Gaddafi und den Rebellen nehmen kein Ende. Eine Flugverbotszone soll Luftangriffe von Al-Gaddafis Anhängern gegen Zivilisten verhindern. Darüber wird aber heftig diskutiert, eine Autorisierung der UNO wird - auch von der NATO - als Voraussetzung genannt. Der UNO-Sicherheitsrat ist aber gespalten.

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Auch der Chef der libyschen Gegenregierung, Mustafa Abdel Dschalil, rief die internationalen Gemeinschaft zur Einrichtung einer Flugverbotszone über seinem Land auf, lehnte den Einsatz ausländischer Bodentruppen in Libyen aber ab. Dschalil war bis vor kurzem Al-Gaddafis Justizminister und ist nun Vorsitzender des Nationalen Übergangsrats.

Mittels der Flugverbotszone oder einer ähnlichen Maßnahme könne Machthaber Al-Gaddafi daran gehindert werden, „unsere Leute zu töten“, sagte Dschalil der deutschen Zeitung „Die Welt“ (Donnerstag-Ausgabe).

USA nicht mit „Volldampf“ dabei

Großbritannien und Frankreich arbeiten an einem Entwurf für die Flugverbotszone. Die USA hingegen betonten, bereits in den letzten Zügen einer politischen Bewertung der Lage zu sein. Sie seien nicht bereit, „derzeit mit Volldampf eine Flugverbotszone anzugehen“, sagte ein westlicher Diplomat gegenüber Reuters. US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, dass nicht die USA, sondern die UNO die Entscheidung treffen solle. Im Weißen Haus gibt man sich skeptisch über die Effektivität einer Flugverbotszone.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten drängten US-Präsident Barack Obama, mehr für die Rebellen in Libyen zu tun. Das Weiße Haus will aber nicht zu Entscheidungen gezwungen werden, die die USA in einen neuen Krieg verwickeln könnten. Und Libyen besitzt laut Experten nur geringe strategische Bedeutung für die USA.

Neben der Vetomacht USA sind auch die ständigen UNO-Sicherheitsratsmitglieder China und Russland wenig begeistert von einer Flugverbotszone. Indien und Südafrika, derzeit ebenfalls im Sicherheitsrat vertreten, sind skeptisch. Verhandlungen gibt es dennoch - um einsatzbereit zu sein, sollte es ein „ungeheuerliches Vorgehen“ von Al-Gaddafis Kräften gegen Zivilisten geben.

Beratungen von Brüssel bis Kairo

Die Diplomatie läuft auf Hochtouren. In Brüssel treffen sich am Donnerstag die Außenminister der 27 EU-Staaten und die Verteidigungsminister der 28 NATO-Länder zu getrennten Beratungen in Brüssel. Dort sollen auch härtere Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime abgestimmt werden wie die Aberkennung seiner Immunität und eine Blockade von Zahlungen für Öllieferungen. Am Freitag beraten die EU-Staatschefs bei einem Sondergipfel ebenfalls in Brüssel.

In Kairo wird die Arabische Liga am Samstag über eine Flugverbotszone beraten. Der UNO-Sicherheitsrat will offenbar die Beschlüsse der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union vor einer Entscheidung über ein Flugverbot über Libyen abwarten

Warten auf die UNO

Das Europäische Parlament sprach sich am Mittwoch für die Einrichtung einer Flugverbotszone aus. Die EU-Staatschefs verloren in ihrem Entwurf für die Abschlusserklärung des Libyen-Gipfels am Freitag aber kein Wort über weitere militärische Optionen.

Die NATO setzt auf die UNO. Für NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ist ein Mandat des UNO-Sicherheitsrats Voraussetzung für eine Flugverbotszone. Rasmussen betonte am Mittwoch, dass das Bündnis nicht danach trachte, in Libyen zu „intervenieren“. Es gebe bei den NATO-Militärs - für den Fall eines UNO-Mandats - aber eine Einsatzplanung „für alle Eventualitäten“.

Letztlich ist es auch eine Frage der Kapazitäten der NATO, betont Florence Gaub vom NATO Defence College in Rom. Nach Einschätzung von Barry Watts vom Zentrum für Strategische und Haushaltspolitische Begutachtung (CSBA) müssten täglich 50 bis 70 Flugzeuge im Einsatz sein, um ein Flugverbot durchzusetzen.

Angst wegen Einsatzes am Boden

Die Skepsis ist groß. US-Verteidigungsminister Robert Gates ist überzeugt, dass eine Flugverbotszone nur durchgesetzt werden könne, wenn Libyens Luftabwehr zuvor zerstört wurde. Bei einer Flugverbotszone, ohne vorher die libysche Luftwaffe und Luftabwehr ausgeschaltet zu haben, liefen die NATO-Jets eher Gefahr, angegriffen und abgeschossen zu werden.

Einige befürchten, dass eine Flugverbotszone zu einem Einsatz am Boden führen könne. Flugverbote bei den Einsätzen in Bosnien, im Kosovo und im Irak in den 90er Jahren wurden jeweils mit der Stationierung von internationalen Kräften am Boden unterstützt.

Schiffe nach Libyen?

Medienberichten zufolge überlegen die USA und andere NATO-Staaten bereits, Schiffe einzusetzen, um Hilfsgüter nach Libyen zu bringen und das Waffenembargo mit Seepatrouillen zu kontrollieren. Dafür ist keine UNO-Resolution Voraussetzung. Unklar bleibt, ob es sich dabei um Kriegsschiffe handeln soll.

Flugzeugträger könnten jedenfalls bei der Umsetzung einer Flugverbotszone helfen. Kampfjets brauchen in der Nähe des zu überwachenden Gebiets Stützpunkte an Land oder auf Flugzeugträgern.

Al-Gaddafi schickt Gesandte

Al-Gaddafi wappnete sich bereits. Mit Privatjets schickte er Gesandte nach Portugal und Kairo. Nach Angaben des italienischen Außenministers Franco Frattini soll auch eine Maschine in Brüssel gelandet sein. Offiziell wurde das aber nicht bestätigt. Laut NATO habe es bisher von libyscher Seite keine Bemühungen gegeben, das Militärbündnis oder die EU zu kontaktieren.

Nach Angaben der libyschen Botschaft handelt es sich bei Al-Gaddafis Mann in Kairo um General Abdel Rahman bin Ali al-Sajjid al-Sawi, den Vorsitzenden der libyschen Versorgungskräfte. In Lissabon traf ein Gesandter von Al-Gaddafis Regime den portugiesischen Außenminister Luis Amado, um diesem die Sicht von Tripolis darzulegen. Portugal wird das Treffen des UNO-Sicherheitsrats zur Lage in Libyen leiten. Am Donnerstag soll ein Vertreter Al-Gaddafis - mit Zustimmung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton - auch mit dem griechischen Vizeaußenminister Dimitris Dollis in Athen zusammentreffen.

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