Entwurf für Gipfel-Erklärung
Europa erhöht den diplomatischen Druck auf den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi. Die EU-Staats- und -Regierungschefs wollen seinen sofortigen Rücktritt fordern. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung des Sondertreffens der EU-„Chefs“ hervor, das am Freitag in Brüssel stattfindet.
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„Oberst Gaddafi muss seine Macht sofort aufgeben“, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Nach Ansicht von Diplomaten dürfte es bei dem Treffen heftige Debatten über diese klare Aufforderung geben.
Es ist äußerst selten, dass die 27 EU-Staaten einen Machthaber zum Rücktritt drängen. Während der jüngsten Unruhen in Tunesien und Ägypten hatte die EU beispielsweise nicht den Abgang der Präsidenten, sondern nur den Übergang zur Demokratie verlangt.
Ringen um einheitliche Position
Die EU-Mitgliedsstaaten hatten lange über eine einheitliche Position gegenüber Libyen gerungen. Insbesondere Italien sieht Libyen als wichtigen Handelspartner und hatte das Gaddafi-Regime noch geraume Zeit verteidigt. Nach dem Abgang des Diktators sollte Libyen nach Ansicht der EU-Chefs „mit einem breiten Dialog schnell einen geordneten Übergang zur Demokratie einleiten“. Für diesen Fall verspricht die EU dem Land ihre Unterstützung.
„Die EU steht bereit, Kontakt zu den neuen libyschen Behörden aufzunehmen, um Libyen beim Aufbau eines Rechtsstaates zu helfen“, heißt es in dem Papier. Auch wirtschaftliche Hilfe stellen die Chefs in Aussicht. Der Entwurf wurde von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vorbereitet.
Die Gipfel-Abschlusserklärung nennt keine Maßnahmen, die die EU ergreifen würde, falls Al-Gaddafi die Aufforderung ignoriert. Die EU hat - nach den USA und den UNO - bereits Sanktionen wie Waffenembargo, Einreiseverbote und Kontensperrung gegen den Gaddafi-Clan verhängt, weitere Maßnahmen sollen am Freitag in Kraft treten.
Kein Hinweis auf Flugverbotszone
Auch die Option eines Militäreinsatzes oder einer Flugverbotszone mit dem Ziel, Al-Gaddafi an Gewalt gegen das eigene Volk zu hindern, sind nicht enthalten. Ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates sind diese nicht denkbar. „Die Sicherheit der Menschen muss mit allen Mitteln gesichert werden“, heißt es lediglich in dem Entwurf in einem Abschnitt über humanitäre Hilfe.
Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Libyen wollen die Staats- und Regierungschefs den „am stärksten betroffenen“ EU-Staaten „konkrete Solidarität“ zusagen. Italien, wo die meisten Flüchtlinge aus Nordafrika landen, hatte der EU bisher Untätigkeit vorgeworfen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, mehr technische Hilfe und Experten für die EU-Grenzschutztruppe bereitzustellen, die derzeit in Italien und im Mittelmeer im Einsatz ist.
Partnerschaft mit Nordafrika
Mit Blick auf die Zukunft will die EU ihre Partnerschaft mit den nordafrikanischen Staaten vertiefen und engere wirtschaftliche und politische Verbindungen schaffen. Zudem erwägt die EU die Wiederbelebung der gescheiterten Mittelmeerunion - dafür hat sich insbesondere Frankreich starkgemacht.
„Als Lektion aus den jüngsten Ereignissen steht die Europäische Union bereit, die Aufgaben der Mittelmeerunion nochmal zu durchdenken“, steht in dem Entwurf der Abschlusserklärung, „mit dem Ziel, Demokratie und Stabilität in der Region zu stärken.“
Das 2008 auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gegründete Forum hatte die Zusammenarbeit der Mittelmeer-Anrainer fördern sollen. Die Mittelmeerunion war aber bald in institutionelle Starre verfallen, geplante Gipfeltreffen wurden abgesagt.
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