„Sehr schlimme Verbrechen begangen“
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Ermittlungen gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi eingeleitet. Al-Gaddafi sowie weiteren hochrangigen Vertretern Libyens werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, sagte Ankläger Luis Moreno-Ocampo am Donnerstag vor Journalisten in Den Haag.
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Die Ermittlungen beträfen „Al-Gaddafi, seinen inneren Kreis, darunter einige seiner Söhne“. Betroffen seien jene Vertreter, die „Befehlsgewalt über die Sicherheitskräfte“ hätten. Betroffen seien etwa auch der Außenminister des Landes, der Chef des militärischen Sicherheitsdienstes und der nationale Sicherheitschef sowie der Chef der persönlichen Sicherheit Al-Gaddafis und der Regierungssprecher. Moreno-Ocampo nannte aber keine Namen.
Der UNO-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof am Samstag beauftragt, wegen der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste durch die Sicherheitskräfte von Al-Gaddafi zu ermitteln. Der spanischen Zeitung „El Pais“ hatte Moreno-Ocampo zuvor gesagt, in Libyen würden weiterhin „sehr schlimme Verbrechen“ begangen. „Staatsführer, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, müssen verstehen, dass sie keine Immunität genießen“, sagte er der Zeitung in Anspielung auf Al-Gaddafi.
Kurze Voruntersuchung
Der UNO-Sicherheitsrat begründete sein Vorgehen mit den „weit verbreiteten und systematischen Angriffen“ auf die Zivilbevölkerung, die „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gleichkämen. Chefankläger Moreno-Ocampo hatte daraufhin am Montag eine Voruntersuchung eingeleitet, die nun binnen drei Tagen zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren führte.
„Der nächste Schritt für den Staatsanwalt wird darin bestehen, seinen Fall den Richtern des IStGH zu präsentieren, die dann entscheiden, ob auf der Basis des Beweismaterials Haftbefehle ausgestellt werden“, so Moreno-Ocampo. Wann es so weit sein könnte, sagte er nicht. Als einer der Beweise gelten die Aussagen von zwei Piloten der libyschen Luftwaffe, die sich bereits vergangene Woche nach Malta abgesetzt hatten, weil sie die eigene Bevölkerung nicht bombardieren wollten.
Erst zweite Anrufung
Der IStGH, dessen Gründungsvertrag bisher von 114 Staaten ratifiziert wurde, ist zuständig für die Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte des 2002 gegründeten Gerichts, dass es direkt vom UNO-Sicherheitsrat angerufen wird. 2005 waren so Ermittlungen zum Darfur-Konflikt eingeleitet worden, die zu einem internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit führten.
Tausende Tote?
Bei den Unruhen in Libyen gab es nach Schätzungen von Menschenrechtsaktivisten bisher Tausende Tote. Die Internationale Menschenrechtsliga (FIDH) in Paris sprach am Mittwoch von bis zu 3.000 Toten. Die FIDH hatte bei ihrer letzten Schätzung am 23. Februar noch von 640 Toten gesprochen. Diplomaten schätzten die Zahl bisher auf 1.500 bis 2.000.
Die libysche Menschenrechtsliga gab die Opferzahl sogar mit mindestens 6.000 an. Allein 3.000 Menschen seien in der Hauptstadt Tripolis getötet worden, die noch unter der Kontrolle Al-Gaddafis steht, sagte ein Sprecher in Paris. 2.000 Menschen starben demnach in Bengasi, das jetzt in der Hand der Al-Gaddafi-Gegner ist. Tausend weitere Menschen seien in anderen Teilen des Landes gestorben.
Libysche Menschenrechtsaktivisten erhoben zudem Vorwürfe gegen den Tschad, der nach Angaben eines Sprechers eine wichtige Rolle bei den ausländischen Söldnern im Dienste Al-Gaddafis spielt. „Zwei tschadische Generäle befehligen die Söldner“, sagte der Sprecher. Er gab die Zahl der Söldner mit 3.000 in Tripolis und weiteren 3.000 in dessen Vororten an.
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