Neuer Anlauf zur Eroberung
Nach der Niederlage seiner Truppen in der Hafenstadt Brega am Mittwoch hat der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi am Donnerstag Kampfflugzeuge in das Rebellengebiet geschickt. Ein Polizeikommandant in Bengasi, der inoffiziellen Hauptstadt des „befreiten Ostlibyens“, sagte der Nachrichtenagentur dpa, Al-Gaddafis Truppen hätten mehrere Ziele in Brega bombardiert.
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Die Aufständischen hatten am Mittwoch nach eigenen Angaben eine Offensive der Al-Gaddafi-Truppen in den Städten Brega und Adschdabija gestoppt. Dabei seien ihnen mehrere Soldaten und Söldner sowie 45 Militärfahrzeuge in die Hände gefallen. Eine Bombe sei am Donnerstag in einem Gebiet zwischen der Erdölraffinerie und einem Wohnviertel abgeworfen worden, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des städtischen Krankenhauses, Fattah al-Moghrabi, der Nachrichtenagentur AFP. Opfer habe es offenbar nicht gegeben.

Reuters/Folhapress/Joel Silva
Ein Aufständischer schießt gerade eine Rakete auf einen Kampfjet ab.
Weitere Rebellen auf dem Weg
Auch andere Augenzeugen beobachteten den Luftangriff. Ein AFP-Reporter sah nahe der Raffinerie zwei offenbar von dem Bombeneinschlag stammende Krater. Unterdessen begaben sich weitere Rebellen nach Brega, um die dortigen Regierungsgegner zu verstärken.
Al-Moghrabi sagte, am Mittwoch habe es bei Kämpfen in Brega zwischen regierungstreuen Einheiten und Aufständischen zwölf Tote gegeben - neun Regierungsgegner und drei Kämpfer des Regimes. Am Mittwoch hatten Al-Gaddafi-Gegner von zehn Toten gesprochen. In der weiter östlich gelegenen Stadt Tobruk habe sich eine Einheit der Marine den Aufständischen angeschlossen, meldete der Nachrichtensender al-Arabija. Nach Informationen des TV-Senders al-Jazeera wird inzwischen auch die südliche Oasenstadt al-Kufra von den Aufständischen kontrolliert.
Spanische Hilfe für Bengasi
Unterdessen macht die Organisation der Rebellen im Osten Fortschritte. Die libysche Exilopposition teilte mit, in Bengasi sei eine neue Brigade namens „Brigade 17. Februar“ gegründet worden. Die Übergangsregierung in Bengasi erklärte, der Transport weiterer ausländischer Söldner nach Libyen müsse unbedingt unterbunden werden. Dafür seien auch Luftangriffe ausländischer Armeen gerechtfertigt. „Das wäre keine ausländische Militärintervention auf libyschem Boden“, betonte ein Sprecher des Gremiums. Wie das spanische Außenministerium am Donnerstag erklärte, wird Spanien drei Tonnen Hilfsgüter und Medikamente nach Bengasi bringen.
Ärzte ohne Grenzen fordert Zugang
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte die Konfliktparteien auf, humanitäre Helfer und Hilfsgüter in die umkämpften Gebiete des Landes zu lassen. Die Organisation hat nach eigenen Angaben vom Donnerstag Anfang März in Bengasi den Hilfsappell eines Arztes in der Stadt Misrata erhalten, wo Berichten zufolge Kämpfe zu vielen Verletzten geführt haben. Die Stadt sei, wie auch andere Regionen im Westen, bisher für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich.
„Der Arzt bat uns um Medikamente und medizinisches Material für die Behandlung von Verwundeten“, sagte die medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Bengasi, Anne Chatelain. „Aber wir können das Material nicht liefern. Bewaffnete Männer blockieren den Verkehr und sperren die Straße nach Misrata.“
Weiteren Informationen zufolge würden viele Verletzte in Tripolis aus Angst vor Repressalien durch Milizen die Krankenhäuser meiden. „Ärzte behandeln die Verwundeten außerhalb des staatlichen Gesundheitssystems in Privathäusern“, teilte die Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen, Rosa Crestani, mit. In den Krankenhäusern in Bengasi seien vom 17. bis zum 21. Februar mehr als 1.800 Verletzte behandelt worden, die während der Kämpfe verwundet worden seien.
Der „geheime Plan“ der NATO
Die NATO will „für jeden Eventualfall“ in Libyen gerüstet sein. Das sagte eine Sprecherin des Bündnisses am Donnerstag in Brüssel auf die Frage, ob die NATO eine Flugverbotszone in Libyen vorbereite. Alle 28 NATO-Regierungen hätten bei einem Treffen des NATO-Rates am Mittwoch unter Vorsitz von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen „große Sorge über die anhaltende Gewalt und die ernste humanitäre Lage in Libyen gezeigt“.
„Der Generalsekretär setzt seine Konsultationen mit allen internationalen Partnern fort, um in jedem Eventualfall Unterstützung geben zu können, falls die NATO darum gebeten wird“, sagte die Bündnissprecherin Carmen Romero. Rasmussen hatte in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, die Allianz plane kein militärisches Eingreifen in Libyen. Es gebe dafür weder das nötige Mandat des UNO-Sicherheitsrates noch eine Anforderung. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am Donnerstag, die NATO arbeite „unter Hochdruck und streng geheim an Plänen für eine Flugverbotszone über Libyen“. Im „Fall des Falles“ wolle das Bündnis einen Einsatz innerhalb weniger Tage beginnen können, sofern dieser angefordert werde.
Drei niederländische Soldaten in Gefangenschaft
Am Donnerstag wurde auch bekannt, dass drei niederländische Soldaten bei einer Rettungsaktion von Ausländern in Libyen gefangen genommen wurden. Ein Vertreter der niederländischen Armee bestätigte der Nachrichtenagentur AFP einen entsprechenden Bericht der Zeitung „De Telegraaf“. Demnach gerieten die drei Marineinfanteristen bereits am Sonntag in Gefangenschaft, als sie aus Sirte im Norden des Landes einen niederländischen Bürger und einen weiteren Europäer per Helikopter in Sicherheit bringen wollten. Dem Bericht zufolge gerieten sie in die Hände von Getreuen Al-Gaddafis.
Der Hubschrauber wurde laut „De Telegraaf“ nach seiner Landung von Bewaffneten angegriffen. Die beiden Zivilisten seien später der niederländischen Botschaft übergeben worden und hätten inzwischen das Land verlassen. Um auch die Freilassung der Soldaten zu erreichen, gebe es intensive diplomatische Bemühungen, berichtete die niederländische Nachrichtenagentur ANP unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Die Infanteristen gehörten zur Besatzung der Fregatte „Tromp“, die ursprünglich auf dem Weg zu einem Anti-Piraten-Einsatz vor Somalia war. Vor einer Woche nahm sie wegen der Unruhen aber Kurs auf Libyen.
Deutsche Botschaft geschlossen
Die deutsche Botschaft in Tripolis wurde aus Sicherheitsgründen geschlossen. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte am Donnerstag weiter mit, dass die deutschen Staatsangehörigen in Libyen über die bevorstehende Schließung der Vertretung informiert worden seien. Auch seien sie wiederholt dringend aufgefordert worden, noch bestehende Möglichkeiten zu nutzen, das Land zu verlassen. Das Krisenreaktionszentrum im Auswärtigen Amt habe die konsularische Betreuung und Unterstützung deutscher Staatsangehöriger übernommen.
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