Die Führungsschicht von Cupertino
Beim rasanten Neustart und Aufstieg, den Apple seit 1996 hingelegt hat, hat sich Unternehmenschef Steve Jobs auf eine Riege brillanter Management- und Marketingprofis stützen können. Doch ob die Führungsriege mittelfristig auch ohne ihren legendären Chef den Höhenflug fortsetzen kann, darf bezweifelt werden.
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Der Zeitpunkt der Verkündung war so klug wie präzise gewählt: Dass sich Jobs erneut aus Gesundheitsgründen aus dem Tagesgeschäft von Apple zurückziehen würde, teilte das Unternehmen am Martin Luther King Day mit - einem nationalen US-Feiertag, an dem auch die Wall Street geschlossen hat.
Sensibler als 2004
Die Wahl des Termins zeigt, dass Apple den Anforderungen der Börse nun sensibler gegenübersteht als 2004, als sich Jobs wegen seiner Krebserkrankung einer Operation unterzog und sein Konzern dazu schwieg. Als die Angelegenheit dann doch ans Licht kam, sahen viele Marktbeobachter die Auskunftspflichten des Konzerns verletzt.
Jobs wird in einem derart hohen Maß mit dem Erfolg seines Unternehmens identifiziert, dass seine Krankheit keine Privatsache mehr sein kann. Nachdem Apple diesmal keine näheren Angaben zur Ursache des Rückzugs machte, wächst bei Fans und Investoren die Sorge, dass Jobs den Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht besiegt haben könnte.
Der Verwalter: Tim Cook
Jobs leitet Apple mit einer erzwungenen Unterbrechung von 1984 bis 1996 seit Gründung des Unternehmens im Jahr 1976. Apple wird dieses Jahr 35 Jahre alt. Einen Nachfolger hat Jobs allerdings auch nach seiner Lebertransplantation 2009 nicht benannt. Wie damals übernimmt auch diesmal Tim Cook das Kommando im Tagesgeschäft.
Der ehemalige Manager des traditionsreichen PC-Herstellers Compaq hat seit seinem Antritt vor rund 13 Jahren Produktion und Lagerhaltung bei Apple verschlankt. Cook gilt als detailbesessener Optimierer von Herstellungsabläufen. Er ist auch für die Abteilung Macintosh-Computer verantwortlich, deren Absatz dank geschickter Verzahnung mit iPod und iPhone in den vergangenen Quartalen stark wuchs.
Der Vermarkter: Philip Schiller
Als weiteren Kronprinzen führen sowohl die „New York Times“ als auch das „Wall Street Journal“ Philip Schiller an. Der langjährige Apple-Marketingchef übernahm während Jobs’ letzter Zwangspause die für das Image des Konzerns sehr wichtigen Produktpräsentationen. Der gelernte Biologe war bereits beim Grafiksoftwarehersteller Macromedia für das Marketing zuständig. Er arbeitet seit 17 Jahren für Apple und begleitete die wichtigsten Produkteinführungen.
Der Gestalter: Jonathan Ive
Seit 1996 ist der Brite Jonathan Ive für das Design der Apple-Rechner und -Mobilgeräte verantwortlich. Ive schaffte das Kunststück, die minimalistische Ästhetik klassischer Produkte aus der Bauhaus-Schule mit dem rationalistischen Industriedesign des legendären Braun-Chefgestalters Dieter Rams zu einer eigenen Formensprache für digitale Endgeräte im 21. Jahrhundert zu vereinen.
Ive ist unmittelbar Jobs unterstellt, seine hohe Position im Unternehmen spiegelt die Relevanz wider, die Apple dem Produktdesign beimisst.
Entscheider und Popstar
Während Ive, Schiller und Cook seit langem in der Szene als herausragende Vertreter ihres jeweiligen Fachs gelten, ist Scott Forstall in den Rängen der Apple-Spitzenmanager noch relativ neu. Forstall ist aber für das wichtige Mobilsystem iOS verantwortlich, unter dem iPhone, iPod Touch und iPad laufen. Seine Rolle im Unternehmen, so schätzen „New York Times“ und „Wall Street Journal“, werde in Zukunft weiter zunehmen.
Die Autorität, in diesem Team brillanter Köpfe eine nachhaltig wirksame Entscheidung treffen zu können, hatte bisher aber nur Jobs. Zudem bringen weder Cook noch Schiller noch Ive auch nur einen Bruchteil des Charismas auf die Bühne, die der Popstar Jobs selbst in geschwächtem Zustand auszustrahlen vermochte. Eine Apple-Präsentation mit Jobs ist ein Weltereignis, ohne ihn aber nur eine weitere langatmige Keynote-Show.
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