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Turbulente Szenen in Port-au-Prince

Haitis Ex-Diktator Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier ist zwei Tage nach seiner überraschenden Rückkehr am Dienstag kurzzeitig verhaftet worden. Auch wenn Duvalier unter Auflagen wieder freigelassen wurde, sieht sich der 59-Jährige nun mit einer Anklage wegen Korruption und Veruntreuung konfrontiert, die aber erst zugelassen werden muss.

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Als Duvalier bei seiner Festnahme begleitet von seiner Frau vor das von der Polizei abgeriegelte Hotel trat, kam es zu Tumulten. Einige seiner Anhänger hatten sich dort versammelt und skandierten „Lasst Duvalier frei“. Dann versuchten sie vergeblich, mit brennenden Autoreifen einen Polizeiwagen am Abtransport Duvaliers zu hindern.

Vorwürfe laut Anwalt verjährt

„Herr Duvalier ist unter der Kontrolle der Justiz“, sagte der leitende Staatsanwalt Aristidas Auguste der Nachrichtenagentur Reuters. Die zuständigen Behörden sollen bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Veruntreuung eingeleitet haben. Mit diesem solle geklärt werden, ob Duvalier sich während seiner Herrschaft von 1971 bis 1986 aus der Staatskasse bereichert habe.

Wenige Stunden nach seine Festnahme konnte Duvalier wieder ins Hotel „Karibe“ zurückkehren. Den Angaben zufolge darf er das Land vorerst nicht verlassen, da er sich den Justizbehörden weiter zur Verfügung halten muss. Ob es zu einem Prozess kommt, ist derzeit allerdings offen. Sein Anwalt erklärte im Interview mit Radio Metropole, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandaten verjährt seien.

Verhaftung des haitianischen Ex-Diktators Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier

AP/Ramon Espinosa

Duvalier wird von Sicherheitskräften abgeführt.

„Geldangelegenheit“

Die Regierung in Haiti hat nach der Rückkehr von Jean-Claude Devalier einen Prozess gegen ihn grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Laut Ministerpräsident Jean-Max-Bellerive sei Duvalier wie jeder andere Bürger Haitis auch der Gerichtsbarkeit unterworfen. Konkret gebe es juristische Verfahren in einer Geldangelegenheit, die den Staat Haiti und „Monsieur Duvalier“ beträfen.

Vorwurf der Veruntreuung

Während seiner Herrschaft in Haiti sollen „Baby Doc“, seine Familie und Anhänger nach Angaben der haitianischen Behörden mehr als 100 Millionen Dollar Staatsgelder unterschlagen haben. Menschenrechtsgruppen machen Duvalier zudem für die Ermordung und Folter von Tausenden Gegnern verantwortlich. Sie fordern, ihn deswegen vor Gericht zu stellen.

Nach 25 Jahren im französischen Exil kehrte „Baby Doc“ am Sonntag überraschend in das zerrüttete Land zurück. Seitdem hielt er sich in dem von der Polizei abgeriegelten Hotel in der Hauptstadt Port-au-Prince auf. Der Ex-Staatschef wollte sich am Dienstag eigentlich vor Journalisten erstmals über die Hintergründe seiner Rückkehr äußern. Beobachter vermuteten, dass „Baby Doc“ versuchen könnte, die Instabilität in Haiti rund ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben im Jänner 2010 auszunützen, um wieder an die Macht zu kommen.

Ex-Diktator Jean-Claude Duvalier winkt von einem Balkon

AP/Ramon Espinosa

„Baby Doc“ residierte seit Sonntag in einem Luxushotel in Port-au-Prince.

Finsteres Kapitel in Haitis Geschichte

Der Name Duvalier steht für eines der finstersten Kapitel in der Geschichte Haitis. Fast drei Jahrzehnte beherrschte der Familienclan die bettelarme Karibikrepublik. Vater Francois „Papa Doc“ Duvalier, ein früherer Landarzt, errichtete nach seinem Wahlsieg 1957 ein Terrorregime, dem Zehntausende zum Opfer fielen. Nach seinem Tod übernahm Jean-Claude 1971 die Staatsgeschäfte. Auch er nannte sich „Präsident auf Lebenszeit“, musste aber 1986 ins Exil flüchten.

Der „Baby Doc“ genannte Jean-Claude war bei seinem Amtsantritt erst 19 Jahre alt. Sein Vater hatte noch wenige Monate vor seinem Tod das Mindestalter für das höchste Staatsamt herabsetzen lassen. Unter „Baby Doc“ ließ der Terror der gefürchteten Spezialeinheiten der „Tontons Macoutes“ in Haiti zwar etwas nach, dafür nahmen Korruption und Selbstbereicherung nie gekannte Ausmaße an.

Schlagzeilen machte Jean-Claude Duvalier auch durch seine Heirat mit Michele Bennett 1980 und der für ein Land wie Haiti skandalös teuren Hochzeitsfeier. Die Ansiedlung ausländischer Niedriglohnbetriebe und der zeitweise florierende Tourismus trugen nichts dazu bei, das Elend der armen Massen zu lindern. 1983 las Papst Johannes Paul II. mit den Worten „Hier muss sich etwas ändern“ Duvalier die Leviten. Bald darauf war es so weit: Nach wochenlangen Hungerrevolten wurde Duvalier am 6. Februar 1986 ins Exil nach Frankreich ausgeflogen.

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