Prägende Auseinandersetzungen
„Jugendliche Ungeduld“, aber auch grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten sind oft zwischen Bruno Kreisky und seinem Sohn Peter gelegen. Im Interview mit ORF.at erinnerte er sich genau fünf Monate vor seinem Tod Ende Dezember an frühere Auseinandersetzungen über politische Fragen und daran, wie sein Vater in vielen Fällen auch dazugelernt habe.
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ORF.at: Welche Rolle hat Politik für Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gespielt?
Peter Kreisky: Ich bin ohne das direkte Zutun meines Vaters mit 14 Jahren zum Verband Sozialistischer Mittelschüler (VSM) gegangen. Dieser stand am linken Rand der SPÖ und hat mich - neben meinem Vater - sicher politisch sehr geprägt. Da gab es aber immer wieder Spannungsverhältnisse zwischen der offiziellen Politik der SPÖ und kritischen jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Begonnen habe ich als Sportreferent im Bezirk Döbling, dann wechselte ich in verschiedene ehrenamtliche Funktionen auf Landesebene. Im Gegensatz zu meinem Vater war ich aber kein Leistungs-, sondern ein Ausdauersportler beim Bergsteigen oder Radfahren. Das hat mir manchmal kritische Anmerkungen meines Vaters gebracht.
ORF.at: Hat der Name Ihres Vaters Ihren Weg eher geebnet oder steiniger gemacht?
Kreisky: Beides. Es ist schwer zu sagen, wann was der Fall war. Jedenfalls habe ich einmal von meinem ehemaligen Abteilungsleiter bei der Arbeiterkammer gehört, dass er sich erkundigte, ob ich der Institution etwas bringe oder nur ‚politische Scherereien‘ mache.

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Peter Kreisky im Interview mit ORF.at
ORF.at: Sie haben gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf demonstriert, über das Bruno Kreisky eine Abstimmung durchführen ließ. Wie reagierte er darauf?
Kreisky: Diese Frage war wahrscheinlich über mehrere Monate hinweg aufgrund der Intensität der heftigste Konflikt. In der überparteilichen Allianz von rechts bis links gegen das Atomkraftwerk lieferten wir wahrscheinlich in der letzten Phase den ausschlaggebenden Beitrag für den knappen Ausgang der Volksabstimmung. Wir haben eingeschüchterten sozialdemokratischen Sympathisanten, auf die auch Druck ausgeübt wurde, andere Möglichkeiten gezeigt. Zwischen meinem Vater und mir hat es heftige Diskussionen darüber gegeben. Er hat in dieser Frage aber radikal dazugelernt. Einige Jahre vor seinem Tod wurde er zu einem klaren Befürworter einer rot-grünen Allianz in Europa. Das ist mittlerweile in Vergessenheit geraten.
ORF.at: Wo standen Sie - abseits von Zwentendorf - im Widerspruch zu Ihrem Vater?
Kreisky: In konkreten politischen Fragen hat es immer wieder größere Differenzen gegeben. Das war - neben unterschiedlichen Ansichten in der Kommunalpolitik, etwa bei der Verbauung der Steinhof-Gründe und einer Autobahn durch Hütteldorf und Ottakring - international der Vietnamkrieg. In der Endphase fand er im kleinen Kreis kritische Worte zur US-Politik. Auf die Frage, warum er dazu öffentlich keine Stellung nehme, schwieg er. Wahrscheinlich war der Druck der USA zu groß. Nicht verstehen konnte ich, warum mein Vater Hannes Androsch (damaliger Finanzminister, Anm.) so lange favorisierte - ohne dessen Verdienste schmälern zu wollen. Bruno Kreisky glaubte lange Zeit, dass Androsch für sein Alter sehr pragmatisch, realpolitisch und wenig verankert in sozialdemokratischen Traditionen sei. Diese Tendenz hat mich einige Zeit vor meinem Vater gestört. Den Bruch zwischen Androsch und Bruno Kreisky konnte ich daher nachvollziehen.
ORF.at: Wie hat Sie die Rolle als Sohn von Bruno Kreisky in Ihrem Alltag begleitet?
Kreisky: Es war mir kein besonderes Anliegen, Konflikte um jeden Preis zu führen. Ich habe ihn geschätzt und geliebt. Manchmal war er über Auseinandersetzungen persönlich verletzt - nicht nur aus einem persönlichen Vater-Sohn-Verhältnis, sondern weil er die Politik sehr ernst genommen hat und seine politischen Überzeugungen vertreten hat.

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Peter Kreisky: „Der Streit über das AKW Zwentendorf war wahrscheinlich aufgrund der Intensität der heftigste Konflikt mit meinem Vater.“
ORF.at: Wie wirkt Kreisky auf die heutige SPÖ?
Kreisky: Bruno Kreisky hat Maßstäbe gesetzt. In der SPÖ hat man heute Angst davor. Es gibt immer wieder Jubiläen, zuletzt etwa im April anlässlich des 40. Jahrestags der Kreisky-Regierungszeit. Ich habe den Eindruck, dass man diese Chance nicht genützt hat. Das hat mit der nicht angemessenen Übervorsicht und Überpragmatismus zu tun.
ORF.at: Worauf sind Sie stolz, was Bruno Kreisky erreicht hat?
Kreisky: Das ist schwer zu sagen. Das waren seine Verdienste, aber auch die vieler anderer. Er hat aber schon wesentlich zu einer nachhaltigen Reformpolitik beigetragen und dass es 13 Jahre eine SPÖ-Regierung unter seiner Führung gab. Uns waren die Reformen manchmal zu wenig tiefgreifend. Das war manchmal aus jugendlicher Ungeduld, manchmal auf notwendige und begründete Ungeduld auf Grundlage von Analysen und Praxiserfahrung zurückzuführen.
Das Gespräch führte Simone Leonhartsberger, ORF.at