Heftige Kritik an Berlin
Die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten ab Donnerstagnachmittag in Brüssel über die Folgen der Schuldenkrise. Doch unmittelbar vor Gipfelbeginn stritten die EU-Staaten über die richtigen Lösungen für die Schuldenkrise.
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Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung den Euro-Staaten am Mittwoch die Solidarität Deutschlands im Notfall versicherte, forderte die spanische Wirtschaftsministerin Elena Salgado die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker und die Opposition in Deutschland bekräftigten ihre Forderung, in der Euro-Zone künftig gemeinsame Euro-Anleihen auszugeben.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag wollen die 27 Staats- und Regierungschefs einen dauerhaften Rettungsschirm für angeschlagene Euro-Länder beschließen. Dieser soll die Milliardenhilfen für Griechenland und andere Länder ablösen, welche 2013 auslaufen. Außerdem wollen sich die Regierungschefs auf die dafür aus deutscher Sicht nötige begrenzte Vertragsänderung verständigen.
Weniger Druck?
In Brüssel sagte ein ranghoher EU-Diplomat, angesichts der Spar- und Reformpakete der angeschlagenen Euro-Staaten nehme der Druck zur Nutzung des Euro-Rettungsschirms derzeit ab. „Wenn man sich die Maßnahmen ansieht, wird die Wahrscheinlichkeit dazu geringer“, sagte der Diplomat im Hinblick auf Spekulationen, nach Irland müsse bald Portugal die Finanzhilfe seiner Partnerländer in Anspruch nehmen.
EZB-Ratsmitglied Athanasios Orphanides mahnte Solidarität in der Euro-Zone an, bezeichnete aber gleichzeitig die deutsche Schuldenbremse als nachahmenswertes Beispiel, dem sich andere Euro-Staaten anschließen könnten.
„Niemand wird fallen gelassen“
Angesichts der anhaltenden Nervosität an den Finanzmärkten betonte Merkel die Solidarität Deutschlands mit angeschlagenen Euro-Partnern. „Niemand in Europa wird allein gelassen, niemand in Europa wird fallen gelassen.“ Ausdrücklich bekannte sie sich zur europäischen Integration, die auch die kommenden 50 Jahre Leitmotiv der deutschen Politik sein werde.
Kehrseite dieser Solidarität sei allerdings, dass die anderen EU-Partner die Wirtschafts- und Währungsunion auch als „Verantwortungsunion“ ansehen und deren Regeln einhalten müssten. Es sei aber klar, dass sich „der Euro als krisenfest erwiesen hat“. Sie forderte, dass die EU-Staats- und Regierungschefs die Änderung des EU-Vertrages spätestens im März endgültig beschließen sollten. Es sei nötig, die Ratifizierung in den 27 EU-Staaten bis Ende 2012 abzuschließen. Mitte 2013 läuft der bisherige Euro-Rettungsschirms aus.
Weiter Streit über Euro-Bonds
Umstritten ist weiter die Einführung von gemeinsamen Euro-Anleihen, die von Merkel und mehreren Rednern der schwarz-gelben Koalition abgelehnt wurden. Dagegen betonte EU-Kommissionspräsident Barroso vor dem Europäischen Parlament, die Idee sei interessant und könnte in Zukunft erwogen werden. Gleichzeitig sagte Barroso, das Augenmerk müsse aber auf einer Verbesserung des bisherigen Euro-Rettungsmechanismus (EFSF) liegen.
Weniger diplomatisch warnte da Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn Deutschland und Frankreich vor einem „Machtanspruch“, „der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt“. Asselborn ging die Kanzlerin ungewohnt hart an: Die Marschroute der EU könne „nicht von den großen Ländern vorgeschrieben werden“, sagte er der „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe).
Moody’s prüft Spanien
Unterdessen überprüft die Ratingagentur Moody’s eine Herabstufung Spaniens. Unklarheiten über die Einhaltung der Sparvorgaben in den spanischen Regionen sind demnach einer der Gründe, eine Herabstufung der Bonitätsnote für Spanien zu prüfen. Zudem gebe es Sorgen wegen des großen Finanzierungsbedarfs, teilte die Agentur mit.
Zuvor hatte zudem die Ratingagentur Standard & Poor’s gewarnt, dass die anhaltende politische Ungewissheit die Kreditwürdigkeit des hoch verschuldeten Belgien belasten könnte.
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