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Unharmonische Harmonisierung

Die EU-Kommission gleicht in Sachen Steuerpolitik vielfach einem machtlosen Riesen. Denn laut Gründungsvertrag der Europäischen Gemeinschaft ist das Festsetzen und Einheben von Steuern alleinige Befugnis der Mitgliedsstaaten.

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Die Kommission hat - wie in vielen anderen Bereichen auch - lediglich ein Vorschlagsrecht. Erschwerend - aus Sicht Brüssels - kommt allerdings hinzu, dass in Steuerfragen der EU-Rat nur im Einstimmigkeitsprinzip entscheidet - ein einziges Land also mit seinem Veto Änderungen verhindern kann. Darin zeigt sich, wie wesentlich die Steuerhoheit - eine der Säulen von souveränen Staaten - auch innerhalb der EU für die Mitgliedsstaaten geblieben ist. Und selbst ein Brüsseler Hinweis auf Verletzungen der Grundfreiheiten lässt Mitgliedsstaaten, sobald es um ihre Steuereinnahmen geht, oft kalt, und Entscheidungen werden zumindest jahrelang verschleppt.

Auf Minimum beschränkt

Auf Ebene von EU-Recht werden steuerrechtliche Fragen grundsätzlich nur dann geregelt, wenn es darum geht, die Einhaltung des Diskriminierungsverbots zu garantieren bzw. Behinderungen des freien Warenverkehrs und der Dienstleistungsfreiheit zu unterbinden.

Brüssel gegen Einstimmigkeit

Kein Wunder, dass die Kommission seit langem für die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips plädiert. Noch vor den letzten Erweiterungsrunden wies Brüssel darauf hin, dass es mit „25 und mehr Mitgliedsstaaten“ schwer sein werde, „auch nur eine einzige der für Europa notwendigen steuerlichen Koordinierungsmaßnahmen zu erreichen“.

Die wichtigsten Beschränkungen und Hürden durch indirekte Steuern wurden mittlerweile beseitigt. Indirekte Steuern waren seit Beginn des europäischen Einigungsprozesses ein Thema, da sie ein unmittelbares Hindernis für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sind. Wie mühsam das Geschäft Brüssels und wie groß die nationalen Beharrungskräfte gerade in Steuerfragen sind, zeigt sich daran, dass auch nach Jahrzehnten nur ein kleinster gemeinsamer Nenner gefunden wurde.

Am weitesten fortgeschritten ist die Harmonisierung bei der Mehrwertsteuer (MwSt.). Doch selbst hier gibt es lediglich Mindeststeuersätze: Die MwSt. darf demnach nicht unter 15 Prozent liegen, ein ermäßigter Satz - der nur für bestimmte Produktkategorien möglich ist - muss mindestens fünf Prozent betragen. Die zweite große Gruppe der indirekten Steuern sind die Verbrauchsabgaben - also auf Alkohol, Tabak und Energie. Auch hier gelten EU-weit Mindeststeuersätze, die Mitgliedsstaaten können höhere Sätze frei festlegen.

Direkt vs. indirekt

Anders als im Fall von direkten Steuern wie etwa der Einkommen- oder Körperschaftssteuer, ist bei indirekten Steuern derjenige, der die Steuer bezahlt, nicht ident mit demjenigen, der sie ans Finanzamt abführt. Das betrifft etwa die Umsatz- oder Mehrwertsteuer sowie Verbrauchssteuern wie Tabak- und Energiesteuern, die der Endkonsument entrichtet, aber der Unternehmer abführt.

Alle Kontrolle beim Rat

Die EU-Verträge (Artikel 94 EG-Vertrag) sehen zudem die Möglichkeit vor, relativ einfach auch direkte Steuern auf europäischer Ebene zu regulieren. Kann die Union nämlich das Ziel eines funktionierenden Binnenmarktes mit den bestehenden Befugnissen nicht umsetzen, so kann sie den Rat (sprich: die Regierungschefs) um neue Befugnisse - etwa auch, Steuern zu harmonisieren - bitten. Dieser muss einstimmig entscheiden, das Parlament muss lediglich angehört werden.

Ein wichtiges Ziel der Kommission ist weiters die Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, um EU-weit gleiche Bedingungen zu schaffen. Mehrere Brüsseler Vorstöße dazu wurden von den nationalen Regierungen zurückgewiesen. Seit 2004 tagt eine Arbeitsgruppe zur Vereinheitlichung der Körperschaftssteuer. Diese hat im Zusammenhang mit der Irland-Krise - das Land hat EU-weit den niedrigsten Steuersatz - neue Aktualität gewonnen. Brüssel tritt zudem dafür ein, dass für internationale Unternehmen EU-weit eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Gewinne geschaffen wird.

„Schädlicher Steuerwettbewerb“

Ein bedeutender Eingriff in die Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten war auch die Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen. Gegen diese 2003 erlassene und im Juli 2005 in Kraft getretene Norm leistete vor allem Österreich jahrelang zähen Widerstand. Aufgrund des Bankgeheimnisses sind zahlreiche ausländische Vermögen in heimischen Banken gelagert.

Aus Brüsseler Sicht ist das Problem klar: Kapitalerträge sind besonders mobil und eignen sich daher besonders gut für einen „schädlichen Steuerwettbewerb“ zwischen den Mitgliedsstaaten, womit gleiche Bedingungen auf dem Kapitalmarkt nicht mehr gegeben sind. Betroffen von der Richtlinie sind Zinsen, die an natürliche Personen gezahlt werden, „die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässig sind als dem Mitgliedstaat, in dem die Zinsen ausgezahlt werden“.

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