„Schuld ist der Bund“
Am 12. Dezember tritt der neue ÖBB-Fahrplan in Kraft. Zahlreiche Verbindungen fallen den Sparplänen der Bundesbahnen zum Opfer - für großen Wirbel im Vorfeld sorgte bereits die angekündigte Streichung der Direktverbindung zwischen Graz und Linz. Auch im Nah- und Regionalverkehr werden einige Züge aufgelassen. Erweitert wird das Angebot im Fernverkehr.
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ÖBB-Fahrgäste benötigen künftig für die Strecke zwischen der steirischen und der oberösterreichischen Hauptstadt etwa 20 Minuten länger. Die Direktverbindung zwischen den beiden Städten fiel den Sparplänen der ÖBB zum Opfer. Ebenso wie Dutzende Verbindungen im Regionalverkehr vor allem im Osten des Landes, sowie auf zahlreichen Nebenbahnen. In der Ostregion werden laut ÖBB 2,2 Mio. Zugskilometer gestrichen, 400.000 davon in Wien und 1,8 Mio. in Niederösterreich. Auch im Busverkehr werden heuer österreichweit mehr als 150 Mio. Kilometer eingespart. Der Fernverkehr wird um etwa 120.000 Kilometer im Jahr ausgebaut.
Der neue Fahrplan verstärke den „Fleckerlteppich im Bahnbereich“ nur noch mehr, kritisierte Peter Haibach, der Sprecher der Fahrgastinitiative probahn, im ORF.at-Interview. „Das hat natürlich schlechte Auswirkungen auf die Fahrgäste.“ Die ÖBB wiesen am Freitag in einer Aussendung zurück, dass das Verkehrsnetz einem „Fleckerltepppich“ gleiche. Die Zahl der Zugsfahrten habe sich in den vergangenen Jahren erhöht.
ÖBB: Länder schuld
Die Schuld für die jetzigen Kürzungen geben die ÖBB den Bundesländern: Man sei verpflichtet, wirtschaftlich und effizient zu handeln, heißt es bei den ÖBB. „Einige wenige Verbindungen, die ohne Zuzahlung der Länder nicht mehr geführt werden konnten, müssen daher eingestellt werden“, begründete der Konzern die Einstellung mehrerer Strecken.
Gegenüber ORF.at reagierten die ÖBB nach mehrmaligen Anfragen erst nachträglich: „Das Land Oberösterreich hätte es in der Hand gehabt, die Verbindung (Graz - Linz, Anm.) zu unterstützen, so wie sie es letztes Jahr getan haben. Der bestehende Vertrag wurde aber seitens des Landes gekündigt“, so Pressesprecher Thomas Berger.
„Kuhhandel“ mit Ländern
Für Haibach liegt die Verantwortung beim Bund: Das „Grundübel“ liege daran, dass der Bund mit den Ländern nicht wirklich geklärt habe, „wie das Grundangebot aussehen soll“, kritisierte Haibach. Das sei jährlich ein „Kuhhandel“. „Schuld ist der Bund, weil er nicht sagt, welche Finanzmittel er konkret den Ländern zur Verfügung stellt und kein Grundangebot mit ihnen vereinbart.“ Je nachdem, wie „mächtig“ der jeweilige Landeshauptmann sei, zahlten die einen Länder mehr, die anderen weniger. Die ÖBB strichen denen, die zu wenig zahlen, die Verbindungen.
Erst „herunterwirtschaften“, dann „zusperren“
Der Konzern begründete die Kürzungen damit, dass die Strecken unrentabel gewesen seien und zu wenig genutzt worden seien. Bei der geringen Nachfrage sei eine eigenwirtschaftliche Direktverbindung „völlig undenkbar“, so Berger. Vor allem Nebenbahnen zeigten sich als wenig erfolgreich: Das Unternehmen habe seine Strecken evaluiert, und dabei habe sich gezeigt, dass im „Ergänzungsnetz“ mehr als 700 Kilometer Strecken nicht effizient seien - „d. h. sie haben einen hohen Investitionsbedarf und eine Auslastung von weniger als 2.000 Reisenden täglich“, so Berger. Dort werden deshalb künftig Fahrten eingestellt bzw. Alternativen wie Busse angeboten.
Eine Begründung, die Haibach nicht gelten lassen will. Denn der Grund, dass diese Verbindungen so wenig genutzt wurden, liege aus seiner Sicht in einer schlechten Bewirtschaftung der Verbindungen.
„Die Bahnen leiden darunter, dass man sie heruntergewirtschaftet hat, und jetzt sperrt man sie zu.“ Schlechte Fahrpläne und Schienen, die zum Teil ein sehr langsames Fahren erforderten, führten dazu, dass diese Verbindungen zum Teil nur sehr wenig genutzt würden, ist Haibach überzeugt. Durch häufige Personalwechsel im Verkehrsministerium und der ÖBB-Chefetage fehle es dem Konzern an Kontinuität.
Kern: Management „nicht nobelpreisverdächtig“
Vorwürfe, auf die Bahnchef Christian Kern kürzlich überraschend offen reagierte: „Grundsätzlich war das Management des Unternehmens in den letzten Jahren mit Sicherheit nicht nobelpreisverdächtig. Auslöser war eine Struktur, die einzigartig ist im österreichischen Wirtschaftsleben, unglaublich komplex, die tendenziell zur Selbstbeschäftigung neigt. Das Bahngesetz aus dem Jahr 2003 hat das Unternehmen zerteilt. Verantwortlichkeiten so lange umverteilt, bis hinterher keiner mehr gewusst hat, wer wofür zuständig ist“, so Kern in einem kürzlich ausgestrahlten Interview mit der ORF-Sendung „Report“.
Petra Fleck, ORF.at
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