„Fun ist ein Stahlbad“
„Fun ist ein Stahlbad“, das wusste schon der Sozialphilosoph Theodor W. Adorno. Er meinte damit das Kommerzamüsement in der Freizeit. In der Arbeit hatte man damals noch Spaß mit Techtelmechteln, einem Bier zum Menü in der Kantine und einem Packerl Zigaretten pro Schicht. Heute, prangert der britische „Economist“ an, gebe es hingegen Zwangsfun als gewinnmaximierende Teambuilding-Maßnahme.
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Der „Economist“ trauert dem Bier, den Zigaretten und den Techtelmechteln nach. In seiner Kritik am Bürozeitgeist vermischt das Wirtschaftsmagazin zwei Dinge: verordnete Blödeleien wie das verpflichtende Tragen eines bescheuerten Hutes - und das Angebot von Freizeitaktivitäten innerhalb der Arbeitszeit. Viele Beispiele für beides wurden zusammengetragen.
Bekanntermaßen sind vor allem typische Silicon-Valley-Firmen auf den Arbeitsplatz als Freizeitidylle bedacht - damit man wohl nicht merkt, wie viel Zeit man eigentlich in der Arbeit verbringt, aber auch, weil so die Produktivität erwiesenermaßen steigt. Es gibt dort Firmen, die Kletterwände in ihren Lobbys installiert haben und deren Büros von aufblasbaren Tieren bevölkert sind. Der Spaßkult verbreite sich „wie eine ekelhafte, hämorrhagische Krankheit“, kommentiert das der „Economist“. Bei der IT-Firma Acclaris gebe es sogar einen „Chief Fun Officer“.
Schafe scheren in der Mittagspause
Die TD Bank, der amerikanische Arm einer kanadischen Bank, beschäftigt eine eigene „Wow!“-Abteilung, die kostümierte Angestellte herumschickt, um erfolgreiche Mitarbeiter zu „überraschen und zu erfreuen“. Eine ganze Industrie hat demnach den Spaßfaktor zum Geschäft gemacht.
So gibt es etwa „Madan Kataria“, einen Inder, der sich selbst als „Guru des Kicherns“ bezeichnet und sich von Firmen für „Lachyoga“-Einheiten engagieren lässt. Die britische Firma „Fun at Work“ wirbt damit, „mehr Lustiges“ zu bieten, „als Du aushältst“. Dazu gehört etwa, statt der Rezeptionisten Doppelgänger der Schauspielerinnen von „Absolutely Fabulous“ an den Empfang zu setzen. Chiswick Park, eine britische Firma, bietet „Genussarbeit“ an, zum Beispiel Mittagspausenevents wie Schafescheren und Gänsehüten.
Arbeitsplatz als Wellnesstempel
Besonders auf das Glücksgefühl ihrer Mitarbeiter sind Google und Twitter bedacht. Google war eine der ersten Firmen, die ihren Sitz wie einen Wellness- und Sporttempel ausstattete, Swimmingpool inklusive. Heute gibt Twitter vor, das mitarbeiterfreundlichste Unternehmen zu sein. Anders als bei Google werden hier aber vor allem fragwürdige Teambuilding-Maßnahmen ergriffen. Die Mitarbeiter ziehen, die Hände auf den Schultern des Vordermanns, durch die Büros, und am Ende wird ein Mitarbeiter beklatscht und bejubelt, der dann eine Woche lang einen lächerlichen Hut tragen muss.
Der „Economist“ bekrittelt, dass das Ziel der Unternehmen kein altruistisches sei - vielmehr gehe es um Gewinnmaximierung, einerseits durch das positive Image, das mit „Fun“ auf dem Arbeitsplatz verbunden wird, andererseits, weil zufriedene Mitarbeiter mehr leisten können. Zwangsbeglückung durch vom Arbeitspsychologen verordnete Spaßmaßnahmen ist zweifellos problematisch. Freizeit- und Bewegungsangebote durch Firmen, die vom „Economist“ mit den „Blöder Hut“-Psychotricks in einen Topf geworfen werden, haben jedoch tatsächlich ein höheres Glücksgefühl als Resultat, wie etwa Google von unabhängigen Umfragen bescheinigt wird. Und dagegen ist wenig zu sagen.
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