Themenüberblick

„Es gibt noch viel Arbeit“

Nachdem erste Brände das hermetisch abgeschlossene Gebiet der russischen Atomwaffenschmiede Sarow erreicht haben, sahen sich die Behörden dazu veranlasst, den rund 500 Kilometer von Moskau entfernt liegenden Komplex zu räumen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Alle radioaktiven und explosiven Materialien seien demnach aus Sarow abgezogen worden, betonte der Chef der Atomenergiebehörde Rosatom, Sergej Kirijenko, am Mittwoch bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Dadurch bestehe kein Risiko eines atomaren Unfalls mehr, selbst wenn das Feuer Sarow erreiche. „Ich kann garantieren, dass selbst im Falle einer Extremsituation (...) kein Risiko für die atomare Sicherheit besteht.“

Zudem sind in Sarow laut Kirijenko mittlerweile 3.000 Soldaten samt schwerer Militärtechnik, vier Löschflugzeugen und Helikoptern im Löscheinsatz.

Die Anlage in Sarow, bekannt unter dem Tarnnamen Arsamas-16, wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als geheimes Atomwaffen-Forschungszentrum errichtet. Dort werden noch immer russische Atomwaffen gebaut. Die Flammen befanden sich am Mittwoch etwa vier Kilometer vor den ersten Einrichtungen der Forschungsanlage.

Erste personelle Konsequenzen

Der russische Präsident, Dimitri Medwedew, der seinen Urlaub für die Krisensitzung unterbrach, wies die Regierung zudem an, schnellstmöglich eine Liste mit den strategischen Anlagen zu erarbeiten, von denen im Falle eines Brandes „besondere Gefahr“ ausgehe. Die Lage sei zwar unter Kontrolle. Eine „negative Entwicklung“ könne jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Bereits ein Raub der Flammen wurde ein Nachschubzentrum der russischen Marine in Kolomna südöstlich von Moskau. Laut dem Nachrichtenportal Russland-Aktuell wurden dort unter anderem 13 Lagerhallen samt Ausrüstungsgegenständen und 17 Abstellflächen mit – angeblich ausgemusterten – Militärfahrzeugen zerstört. Bisher unbestätigten Berichten zufolge sollen auch 200 Flugzeuge und Hubschrauber verbrannt sein.

„Ich habe die Armee angewiesen, beim Löschen zu helfen und die Bevölkerung zu schützen, aber es zeigt sich, dass sie sich manchmal nicht mal selbst schützen kann“, zeigte Medwedew wenig Verständnis für die Vorfälle in Kolomna. Wegen der Zerstörung des Stützpunktes entließ Medwedew gleich mehrere ranghohe Offiziere „wegen verbrecherischer Schlamperei“. Ferner habe er Marine-Oberbefehlshaber Wladimir Wysozki und dessen Stellvertreter Alexander Tatarinow verwarnt. „Wenn etwas Ähnliches andernorts passiert, werde ich ohne Gnade auf die gleiche Art verfahren“, sagte der Staatschef.

Putin: „Lage angespannt und gefährlich“

Medwedew war offenkundig bemüht, die Führerschaft im Kampf gegen die Brände für sich zu reklamieren. Bisher hatte vor allem Premier Wladimir Putin - sein Vorgänger und vermutlich neuerlicher Rivale bei der nächsten Präsidentenwahl - das Krisenmanagement an sich gezogen.

Ministerpräsident Wladimir Putin

Reuters/Ria Novosti

Russlands Premier Putin im Gespräch mit den Einsatzkräften.

Dieser reiste Mittwoch weiter durch die Krisenregionen. „Es gibt leider noch viel Arbeit“, sagte er zu den Feuerwehrleuten in der Region um Woronesch südlich von Moskau. Die Lage an Ort und Stelle bezeichnete Putin zudem als „angespannt und gefährlich“.

Scharfe Kritik von Opposition

In der Region Swerdlowsk im Ural ermittelt unterdessen die Staatsanwaltschaft wegen Fahrlässigkeit gegen die Verantwortlichen eines Nationalparks. Ihnen wird vorgeworfen, nicht rechtzeitig Maßnahmen gegen die Brände eingeleitet zu haben. Die russischen Behörden warfen zudem Campingurlaubern in ganz Russland vor, die Lage durch unbeaufsichtigte Lagerfeuer noch verschlimmert zu haben.

Russische Oppositionelle und Umweltschützer geben der Regierung eine Mitschuld an den Problemen bei der Bekämpfung der schweren Waldbrände. Unter der Präsidentschaft von Putin sei 2006 der Schutz der riesigen russischen Forsten dezentralisiert und für wirtschaftliche Zwecke gelockert worden, klagten die Oppositionellen.

Durch die Brände starben nach offiziellen Angaben bisher 50 Menschen. Hilfsorganisationen gehen jedoch davon aus, dass es weit mehr Opfer gibt. Laut Katastrophenschutzministerium lodern im ganzen Land noch 520 Brände. Die Umweltschutzorganisation WWF sprach von mehr als 7.000 Bränden.

Links: