Händl Klaus: „Es ging darum, nackt zu sein“

Sein neuer Film „Kater“ zeigt eine Liebesbeziehung, die - plötzlich und unerklärlich - in ihren Grundfesten erschüttert wird. Im Gespräch mit ORF.at spricht der Tiroler Regisseur und Drehbuchautor Händl Klaus über die Viennale, schamhafte Schauspieler und die Liebe als Kraft, die alles aushält.

ORF.at: Herr Händl, was bedeutet es Ihnen, dass „Kater“ bei der Viennale seine Österreich-Premiere hat?

Händl Klaus: Das ist großartig. Das Beste, was uns passieren konnte, weil ich das Festival so liebe. Weil es eine unglaubliche Bandbreite an Filmen gibt und die ganze Stadt erfüllt ist von dem Geist. Vor allem sind wir im Gartenbaukino - meinem Lieblingskino - mit der schönsten Leinwand von Wien, die Architektur ist auch dem alten Haus in Hernals verwandt, in dem der „Kater“ entstanden ist. Es ist ein Heimkommen.

ORF.at: Ihr Film hat bei der Berlinale den Teddy Award gewonnen. Sind Ihnen Auszeichnungen wichtig?

Zum Film

Man sollte kein Problem mit nackten Männerkörpern haben, wenn man sich „Kater“ anschaut - mehr dazu in Katerfrühstück und Männerliebe.

Händl: Es war erlösend, eine Bejahung durch diese vielstimmige Jury. Das waren in Berlin ja doch neun Leute und 35 Filme, die zur Auswahl standen, darunter der neue Techine (der französische Regisseur Andre Techine stellte in Berlin seinen neuen Film „Mit 17 Jahren“ vor, Anm. ), gegen den ich mir nie im Leben eine Chance ausgerechnet hätte. Ich habe erst spät bemerkt, dass dieser Preis auch ein eigenes Gewicht hat als Ermutigung. Ich weiß nicht, ob uns die Festivals von nicht unbedingt schwulenfreundlichen Städten wie Ankara, Kiew oder Warschau ohne diesen Rückenwind eingeladen hätten.

Händl Klaus

ORF.at/Sonia Neufeld

„Die Viennale ist das Beste, was uns passieren konnte“

ORF.at: Wie kam Ihr verdrehter Name zustande?

Händl: Ich war halt in meiner Kindheit in Tirol der Händl Klaus. Und weil dann mein erstes Buch in diese Kindheit zurückgekehrt ist, war es natürlich vom Händl Klaus. Ich hätte nicht geglaubt, dass eine schlichte Drehung so viele Leute vor den Kopf stößt, wie das immer noch geschieht, nach so vielen Jahren. Wenn man so einen Witz nicht aushält, ist doch alles zu spät. Drum bleibe ich dabei.

ORF.at: Warum hat es acht Jahre gedauert, bis ein neuer Film von Ihnen ins Kino gekommen ist?

Händl: Na ja, zuerst habe ich sehr lange am Drehbuch geschrieben, dann sehr lange nach der Besetzung gesucht, dann habe ich sehr lange gedreht, sehr lange geschnitten und sehr lange gemischt. Der große Knackpunkt war aber die Besetzung, weil in unserem Film Nacktheit eine wesentliche Rolle spielt. Sie können sich nicht vorstellen, wie schamhaft die meisten Schauspieler sind. Als hätten die alle kein Geschlecht. Die allerwenigsten begreifen ihren Körper - auch den nackten Körper - als Werkzeug, als ganz selbstverständliches Ausdrucksmittel. Es war eine ewige Suche, bis ich endlich dieses Paar hatte. Die beiden müssen ja vor allem auch emotional unerschrocken sein und wirklich gut spielen können. Und die berühmte Chemie musste stimmen. Das war dann zwischen Lukas und Philipp der Fall - obwohl sie nicht schwul sind.

Szene aus "Kater"

Viennale

Lukas Turtur und Philipp Hochmair hatten kein Problem mit Nacktheit

ORF.at: Tut es etwas zur Sache, dass das Liebespaar im Film schwul ist?

Händl: Das ist zum Glück wirklich in der Normalität angekommen. Andreas und Stefan sind ja ein Liebespaar wie jedes andere auch, höchstens mit dem Unterschied, dass sie völlig harmonisch miteinander leben - bis zu jenem schlimmen Augenblick.

ORF.at: Wie haben Sie sich an die doch sehr expliziten Sexszenen herangetastet?

Händl: Lang vor Drehbeginn haben wir uns einmal zurückgezogen, in ein altes Hotel mit einer schönen Sauna, und haben nackt miteinander Zeit verbracht, auch im Wald, in aller Ruhe. Es ging nur darum, nackt zu sein. Außerdem haben wir wieder und wieder das Drehbuch gelesen und besprochen, was wir vorhaben. Und wenn ich „wir“ sage, dann meine ich immer auch den Kameramann Gerald Kerkletz, der viel mehr als ein Kameramann ist. Ihm kann man als Schauspieler hundertprozentig vertrauen. Das war die Voraussetzung. Es war ein gemeinsames Suchen.

Händl Klaus

ORF.at/Sonia Neufeld

„Zum anderen halten, auch wenn es noch so schwierig ist. Das ist Liebe.“

ORF.at: Die Protagonisten leben ja quasi im Paradies. Warum haben Sie dann eine derart unvermittelte dramaturgische Wende gewählt?

Händl: Weil das Leben so sein kann - wir haben nichts auf sicher, plötzlich kriegt etwas einen Riss. Der kann fein sein oder einen Bruch bedeuten, und man steht vor neuen Lebensumständen. Das kommt oft genug aus uns selbst. Ich weiß ja selbst nicht immer, woran ich mit mir bin. Warum sollte das mit einem vermeintlich noch so vertrauten Menschen in einer Beziehung anders sein? Das Erschrecken ist vielleicht sogar noch größer. Ich erlebe selbst Impulse, die ich mir nicht erklären kann. Ich muss damit leben, dass ich mich niemals vollständig in der Hand habe.

ORF.at: Der Film trägt den Untertitel „Ein Liebesfilm“. Was bedeutet Liebe für Sie?

Händl: Liebe ist für mich die Kraft, die das aushält. Auch dieses Fremde im anderen. Die zum anderen hält - halten muss, als irrationale Kraft. Und wenn es noch so schwierig ist. Dann ist es Liebe.

Das Gespräch führte Sonia Neufeld, ORF.at

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