Szene aus "Kater"

Viennale

Katerfrühstück und Männerliebe

Man sollte kein Problem mit nackten Männerkörpern haben, wenn man sich Händl Klaus’ neuen Spielfilm „Kater“ anschaut, der bei der Viennale seine Österreich-Premiere feiert. Körperlich und psychisch explizit ist dieser Film, in dem die Liebesbeziehung zweier Männer fundamental erschüttert wird. Der Tiroler Regisseur zieht alle Register eines naturalistischen Kammerspiels und lässt seine Schauspieler zur Höchstform auflaufen.

Es heißt, das Glück sei ein Vogerl. Wie schnell es mit paradiesischen Zuständen vorbei sein kann, müssen Andreas und Stefan, das Liebespaar in „Kater“, am eigenen Leib erfahren. In harmonischer Selbstzufriedenheit haben die beiden zunächst das, was man gemeinhin ein glückliches Leben nennt. Gemeinsam mit ihrem geliebten Kater Moses bewohnen sie ein schönes altes Haus in den Weinbergen von Wien und arbeiten als Musiker und Disponent im selben Orchester.

Kein typisches Bobo-Dasein

Trotz Roland-Rainer-Stühlen im Esszimmer und Biogemüse im eigenen Garten ist es kein typisches Bobo-Dasein, das die beiden führen. Eher eine fast schon spießige, weil über die Jahre gut eingespielte Lebensgemeinschaft, getragen von gegenseitigem Respekt und – ganz wichtig in diesem Film – einer immer noch leidenschaftlichen, innigen Sexualität. „Ich will auch so geliebt werden“, sagt eine Freundin einmal, als sie Stefan und Andreas im Umgang miteinander beobachtet.

Szene aus "Kater"

Viennale

Im Freundeskreis gelten Stefan und Andreas als perfektes Paar

Die beiden scheinen das zu haben, was alle wollen: eine harmonische Beziehung auf Augenhöhe. Immer mit dabei in diesem Haushalt voller Liebe und Geborgenheit ist Kater Moses. Er dient nicht als Kindersatz, sondern streift als Teil der gewachsenen Nähe durch Haus und Garten, verweilt, wo es ihm gerade passt und funktioniert auch als Bindeglied zwischen den beiden Männern. Ebenso wie die Musik, die sich durch alle Bereiche ihres Lebens zieht.

Händl Klaus

ORF.at/Sonia Neufeld

Regisseur Händl Klaus (geb. 1969) glaubt an die Liebe, die alles aushält - mehr dazu im Interview mit ORF.at.

Liebe als irrationale Kraft

Doch eines Morgens geschieht etwas, das alles verändert. Ein plötzlicher Gewaltausbruch – unerklärlich und genauso schnell wieder vorbei, wie er gekommen ist – erschüttert das Zusammenleben der beiden Männer grundlegend. Das Ganze hat - so viel sei verraten - mit dem Kater zu tun. Mit einem Schlag wird aus Vertrauen Angst und aus Nähe Entfremdung. Schmerz, Trauer und Misstrauen beherrschen von nun an die Beziehung, und es stellt sich die Frage, wie ein Miteinander unter diesen Umständen noch möglich sein kann. Was tun, wenn der geliebte Mensch plötzlich zum Fremden wird? „Liebe ist für mich eine irrationale Kraft, die das aushält. Auch dieses Fremde im anderen“, sagt Regisseur Händl im Gespräch mit ORF.at.

Kein gekünsteltes Partnerschaftsporträt

Das Haus wird vom sicheren Hafen zum Ort des Verbrechens. Als Zuschauer ist man im zweiten Teil des Films plötzlich mit hitchcockartigem Suspense konfrontiert. Nichts scheint mehr sicher, man fragt sich, welche Abgründe der menschlichen Seele sich noch auftun werden. Es ist Händls Fingerspitzengefühl und seiner musisch-poetischen Handschrift zu verdanken, dass der Film nach der abrupten dramaturgischen Wende nicht vom entspannt-naturalistischen Kammerspiel in ein gekünsteltes Partnerschaftsporträt umschlägt. Das Ringen um die Liebe bringen die zwei Hauptdarsteller Philipp Hochmair und Lukas Turtur beeindruckend authentisch auf die Leinwand und sie scheuen sich auch nicht, ihre (nackten) Körper als Werkzeug einzusetzen.

Liebestanz mit Miles Davis

Turtur und Hochmair laufen zur Höchstform auf und vergessen scheinbar die Kamera, wenn sie sich im Liebestanz zu „All Blues“ von Miles Davis verlieren. Kameramann Gerald Kerkletz tanzt unsichtbar mit. Und am Ende räkelt sich Kater Moses (gespielt von Toni).

„Man kann sich nicht vorstellen, wie schamhaft die meisten Schauspieler sind. Als hätten die alle kein Geschlecht. Die allerwenigsten begreifen ihren Körper als Werkzeug, als ganz selbstverständliches Ausdrucksmittel. Es war eine ewige Suche, bis ich endlich dieses Paar hatte“, so Händl im Interview.

Filmhinweis

„Kater“ wird bei der Viennale am 1.11. um 17.30 Uhr im Gartenbaukino und am 2.11. um 13.00 Uhr in der Urania gezeigt.

Kinostart ist am 4. November 2016

Vorsichtiger Optimismus

„Kater“ bringt die dunklen Seiten der Seele zum Schwingen. Das Unberechenbare, das jedes noch so stabile Gefüge zum Einstürzen bringen kann, kommt an die Oberfläche. Die Vertreibung aus dem Paradies ist jederzeit und völlig überraschend möglich. Doch bei allem Pessimismus, der mit dem Verlust der Unschuld und der Kontrolle einhergeht, lässt Händls Film auch den Ausblick auf Versöhnung und Neubeginn zu. Ist man bereit, für die Beziehung zu kämpfen, wenn es schwierig wird? Kann man Unverzeihliches verzeihen? Schließlich gilt auch hier: Was die Liebe nicht umbringt, macht sie stärker.

Sonia Neufeld, ORF.at

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