„Verantwortung und Chance für Europa“
Österreich übernimmt am Sonntag den EU-Vorsitz für ein halbes Jahr. Es ist das dritte Mal nach 1998 und 2006. Der Vorsitz steht unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“. Bei einem „Gipfeltreffen“ auf der steirischen Planai hat am Samstag unter dem Titel „Servus Europa“ die symbolische Übergabe des EU-Ratsvorsitzes von Bulgarien an Österreich stattgefunden.
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Angereist waren EU-Ratspräsident Donald Tusk und der bulgarische Premierminister Bojko Borissow - Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die Mitglieder der Bundesregierung nahmen sie in Empfang. Kurz sprach von einer „großen Verantwortung, aber auch einer großen Chance für Europa“.

APA/Barbara Gindl
Kurz, Tusk und Borissow auf der Planai
„Brückenbauer sein“
Man sei sich des Umstands bewusst, „dass das internationale Umfeld derzeit ein schwieriges ist“, so Kurz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Der Kanzler wiederholte bekannte Ankündigungen: Österreich wolle „Brückenbauer sein“, um die „Spannungen“ in der EU wieder abzubauen, so Kurz. Das Umfeld beschrieb er mit dem Hinweis auf Spannungen mit Russland, eine unberechenbare Situation in den USA sowie den „Brexit“ als herausfordernd.
Erfolgreich sei man nur, wenn es eine gute Zusammenarbeit zwischen allen EU-Staaten und -Institutionen gebe, sagte Kurz. Dem stimmte auch Borissow zu - Sicherheit und Schutz könne es nur geben, wenn man zusammenstehe. Der Ministerpräsident sagte Kurz auch jegliche Unterstützung während des EU-Vorsitzes zu - mehr dazu in steiermark.ORF.at.
„First of all: Grüß Gott!“
Tusk packte zu Beginn seiner Stellungnahme seine Deutschkenntnisse aus und begrüßte die Medienschar mit: „First of all: Grüß Gott!“ Er wünsche Kurz alle Gute die Ratspräsidentschaft. Kurz werde das richtige Gespür haben, die „Brückenbauer-Präsidentschaft“ zu einem Erfolg für ganz Europa zu machen, gab sich Tusk überzeugt.
Österreich hat offiziell EU-Ratsvorsitz
Samstagvormittag hat Österreich symbolisch den EU-Ratsvorsitz von Bulgarien übernommen und behält diesen am Sonntag für sechs Monate. Das Motto der Ratspräsidentschaft lautet „Ein Europa, das schützt“.
Auch lobte er die Wahl des Mottos „Ein Europa, das schützt“. „Das Bedürfnis nach Sicherheit, so alt wie die Menschheit, hat sich mit allen Fehlern während der Migrationskrise manifestiert“, sagte Tusk. „Es ist der Job eines jeden Politikers, das Gesetz durchzusetzen, um das Staatsgebiet und die Grenzen zu schützen.“
Dank für „stimmungsvollen Auftakt“
Nach der Staffelübergabe des EU-Ratsvorsitzes lud der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) zum Mittagessen auf die Schafalm-Hütte wenige Meter unterhalb der Planai-Bergstation. Kurz bedankte sich für den „stimmungsvollen Auftakt in der schönen Steiermark“.
Kurz betonte noch einmal vor den geladenen Gästen des Empfangs, dass die eingeleitete „Trendwende in der Flüchtlingspolitik“ nun auf den Boden gebracht werden müsse. Das werde viel Arbeit. Aufgabe sei es auch, „Spannungen in der EU abzubauen“ und danach gestärkt dazustehen.
„Arme Teufel“
Schützenhöfer wählte kritische Worte. Er habe gewusst, dass so viele Ankünfte von Flüchtlingen wie 2015 nicht lange gut gehen würden: „Damals haben wir für ein paar Stunden die Souveränität verloren.“ Das nun aufgezogene Grenzmanagement etwa in Spielfeld soll derart große Anstürme in geordnete Bahnen bringen - wenngleich sich über Probeläufe streiten ließe, so der Landeshauptmann. Über die ankommenden Menschen meinte er: „Das sind ja arme Teufel. Aber sie haben alle ein Handy und werden gelenkt“, sagte er und nahm damit auf Schlepper Bezug.
Nach den offiziellen Worten setzen sich Schützenhöfer, Kurz sowie die Ministerinnen Juliane Bogner-Strauß und Margarete Schramböck, Minister Gernot Blümel und Staatssekretärin Karoline Edtstadler (alle ÖVP) sowie ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann an einen Tisch. Der Runde wurde eine deftige Brettljause serviert, umrahmt von Volksmusikklängen.
Mayer-Bohusch berichtet aus Schladming
ORF-Reporter Andreas Mayer-Bohusch berichtet aus Schladming über Österreichs Möglichkeiten als EU-Ratsvorsitz sowie die bevorstehenden Herausforderungen.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) war übrigens nicht bei der Staffelübergabe dabei. Aus den Reihen der FPÖ war dafür aber Außenministerin Karin Kneissl zu Gast. Zum Empfang auf der Schafalm kam auch der Song-Contest-Dritte Cesar Sampson. Er war am Abend Teil des Konzerts „Europa Live“, das vor rund 3.500 Zuschauerinnen und Zuschauern über die Bühen ging.
Riesenband auf der Bühne
Sampson sang „Nobody But You“, mit dem er beim Eurovision Song Contest den unerwarteten dritten Platz geschafft hatte. Die Seer lieferten den volkstümlichen Beitrag, während Opus bekannten Austropop bot. Bereits im Vorfeld groß angekündigt worden war die möglicherweise größte Band der Welt: Rund 500 Musikerinnen und Musiker aus ganz Österreich sowie Frankreich, Italien, Ungarn und anderen Ländern hatten sich gemeldet, um einen Beitrag zum musikalischen „Servus Europa“ zu liefern.
Sie spielten zu Beginn des Konzerts die „Ode an die Freude“, die Europahymne, gesungen von einem Kinderchor. Anschließend kam Bundeskanzler Kurz auf die Bühne, begrüßte das Publikum und gestand ein, dass seine „Talente für Instrumente nicht vorhanden“ seien. Das Konzert konnte bei freiem Eintritt besucht werden. Seitens der Polizei hieß es, dass es bis auf eine Protestaktion während der Pressekonferenz kurz vor Mittag nahe dem Gipfel der Planai zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen sei.
Hunderte Veranstaltungen während des Vorsitzes
Ob Österreichs EU-Vorsitz auch so reibungsfrei verlaufen wird, ist eine andere Frage. Die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen 2021 - 2027 werden - glauben Beobachter - so schwierig wie noch nie in der Geschichte der Gemeinschaft, weil mit dem Wegfall des Milliardennettobeitrags der Briten vieles anders wird.
Auch die „Brexit“-Verhandlungen selbst werden ein harter Brocken. Zum von Österreich forcierten Schwerpunkt Migration soll es bei einem EU-Gipfel am 20. September in Salzburg, der sich dem Thema Sicherheit widmen soll, konkrete Ergebnisse geben. Generell wird es während der Ratspräsidentschaft an die 300 Vorsitzveranstaltungen in Österreich geben. Kommende Woche am 3. Juli hält Kanzler Kurz im Europäischen Parlament in Straßburg seine Grundsatzrede. Am 5. und 6. Juli wird dann die EU-Kommission zu einem Antrittsbesuch in Wien erwartet.
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