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„Als Spielerin braucht man eine dicke Haut“

„Game-Slut“, „Whore“ oder im nettesten Fall „Nerd-Girl“ – das sind nur einige der üblichen Bezeichnungen, die in der Community für professionelle Videospielerinnen existieren. „Ich könnte einen ganzen Katalog vorlesen“, sagt die österreichische E-Sportlerin Yvonne Scheer.

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Als Frau sei man in der Gamingszene nicht nur unterrepräsentiert - oft sei sie die einzige Frau bei Events, und andere Frauen seien nur Ersatzspielerinnen oder „Mitbringsel“ der männlichen Gamer, man brauche als Frau auch eine dicke Haut. „Whore“ und „Slut“ zählten in der Szene zu den häufigsten Beschimpfungen, erzählte Scheer bei der gut besuchten Podiumsdiskussion „Gaming Girls - Sexismus in der Gamingszene“ im Juni in Wien.

Gaming Girls im VREI

HeForShe Vienna

Die Teilnehmenden (v. l. n. r.): Daniela Etzinger, Natalie Denk, Felix Bohatsch, Jennifer Rassi, Rafael Eisler und Yvonne Scheer

„Mit einem weiblichen Nicknamen bekommt man viele Nachrichten. Nicht alle sind positiv. Manche schreiben mir, dass ich hässlich bin, obwohl sie mich noch nie gesehen haben. Andere schreiben, ich soll in die Küche gehen und ihnen ein Bier holen. Es ist nicht immer einfach, da drüberzustehen“, sagte Scheer bei der Diskussion des Vereins HeForShe Vienna.

HeForShe Vienna

Der gemeinnützige Verein zur Unterstützung der UNO-Women-HeForShe-Kampagne widmet sich verstärkt der Rolle des Mannes im Kampf für Gendergerechtigkeit.

Hübsche Frauen hätten außerdem ständig mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie nicht spielen könnten, so Scheer, die mit ihrem Team das Gegenteil beweist. So hat sie bereits mehrfach den ersten Platz in den Call-of-Duty-Staatsmeisterschaften errungen und ist für den eSport Verband Österreich als Schiedsrichterin aktiv. Auch Jennifer Rassi, Content Managerin für die Vienna Comic Con, wird von ihren männlichen Gegenspielern regelmäßig unterschätzt. Vor allem zu Beginn ihrer Spielerinnenkarriere habe sie immer das Gefühl gehabt, sich besonders beweisen zu müssen, so Rassi in der Debatte.

Videospiele statt Barbie-Puppen

Die Gründe, warum es weniger Frauen in der professionellen Gamingszene gibt, sind laut dem erfolgreichen Raffael Eisler alias „VeniCraft“ in Sozialisierungsprozessen in der Kindheit zu finden. „Wenn ich als Mädchen auf die Welt gekommen wäre, hätte ich hundertprozentig Barbie-Puppen statt Videospiele bekommen“, sagte Eisler.

Mädchen beim Spielen

Getty Images/Hero Images

Gerade junge Mädchen brauchen starke Vorbilder

Die Gamedesignerin Daniela Etzinger zeigt sich überzeugt, dass vielen Mädchen der Zugang zu Technik fehle. Denn während Buben bereits früh in technischen Bereichen gefördert würden, sei diese Rolle für Mädchen von der Gesellschaft einfach nicht vorgesehen. Sie fordert daher einen umfassenderen Computerunterricht sowie mehr technische Fächer an Schulen. Diese sollten sich bewusst auch an Mädchen richten. Nur so könne das nötige Bewusstsein geschaffen werden.

Frauen in der Gamingszene sichtbar machen

Die Kategorie Geschlecht als soziales Konstrukt der Gesellschaft sei immer wieder aufs Neue zu hinterfragen, meinte Natalie Denk, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Angewandte Spieleforschung an der Donau-Universität-Krems. Schließlich gebe es, was Spielefähigkeiten betreffe, keine physiologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Denk will mit ihrem Projekt „League of Girls“ junge Spielerinnen ermutigen. „Wenn jemand sagt, Videospiele sind nichts für Frauen, dann liegt das daran, dass Frauen in diesem Bereich einfach nicht sichtbar sind. Gerade junge Mädchen brauchen hier starke weibliche Vorbilder“, so Denk. Female-only-Turniere könnten dabei zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung sein, nicht aber die endgültige Lösung. Ziel sollte sein, die „vermeintliche Kategorie Geschlecht ganz zu überwinden“, sagt die Forscherin.

Weibliche Figuren in Bikinirüstung

Um eine Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, müsse man bereits in der Spieleentwicklung ansetzen, meint Felix Bohatsch, Game Designer und CEO des erfolgreichen Wiener Indiegame Studios Broken Rules. Denn gerade als Spieleentwickler könne man mit Erwartungen brechen und neue Realitäten schaffen. Doch auch hier gebe es hauptsächlich männliche Entwickler - obwohl sich der Frauenanteil in Österreich langsam steigere. „Heutzutage können auch Frauen Spieleentwickler sein, ohne gleich als Nerd-Frau oder Gaming-Slut bezeichnet zu werden“, sagt Bohatsch.

Von Männern entwickelt – für Männer gemacht, das kritisiert auch Etzinger. So frage sie sich etwa, „warum weibliche Figuren immer eine Bikinirüstung tragen, während bei den männlichen sogar das Gesicht verhüllt ist“. Sie fordert mehr Diversität in den Entwicklerteams. Es sei wichtig, auch die weibliche Sicht zu integrieren.

Gerade Spiele böten gute Möglichkeiten, neue Erlebnisse hervorzurufen und von „ewig wiedergekäuten“ Rollenklischees wegzukommen, so Denk. Unterstützt wurde sie in ihrer Sichtweise von einem männlichen Zwischenrufer aus dem Publikum: „Gaming hat das Potenzial, jede Grenze niederzureißen. Es ist egal, woher du kommst, was du bist oder was du tust: Im Gaming verbindet einfach die Leidenschaft für das Spielen.“

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