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Regierung will landesweite Regelung

Ein „gerechteres System“ schaffen und die „Zuwanderung ins Sozialsystem bekämpfen“: Diese Ziele verfolgt die ÖVP-FPÖ-Regierung mit ihrer landesweiten Reform der Mindestsicherung. Vor allem Ausländer - EU-Bürger und Drittstaatsangehörige - haben künftig mit erheblichen Nachteilen zu rechnen. Denn ohne Deutschkenntnisse soll es künftig keine Mindestsicherung mehr geben.

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Die Regierung präsentierte am Montag, dem zweiten Tag der Regierungsklausur in Mauerbach, eine seit Langem angekündigte Reform der Mindestsicherung. Diese Reform sei notwendig geworden, ist sich die Regierung einig, um das System finanzierbar zu erhalten. Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher sei stark gestiegen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Vom Jahr 2012 an ein Wachstum von rund 60 Prozent: Wir investieren hier mittlerweile eine Milliarde."

Deutsch und Wertekurs

Laut Statistik Austria ist die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher seit 2012 (bis 2016) um 38,9 Prozent gestiegen, die Kosten um 61,8 Prozent. Diese - korrekten - Zahlen nannte wenige Minuten später auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Jedenfalls soll künftig Deutsch „der Schlüssel zu einem vollen Zugang zur Mindestsicherung“ sein. „Ohne ausreichende Sprachkenntnisse gibt es keine Mindestsicherung“, sagte Kurz. Im Juni soll das Gesetz vorliegen und in Begutachtung gehen. Die Abstimmung im Parlament ist für Herbst geplant. Die Voraussetzungen für den Bezug der Mindestsicherung werden verschärft.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger während einer Pressekonferenz

APA/Robert Jäger

Die Regierung will den Bezug der Mindestsicherung für Ausländer beschränken

Eine Integrationsvereinbarung muss unterschrieben werden, Deutschkenntnisse müssen auf B1-Niveau, Englischkenntnisse auf dem höheren Level C1 nachgewiesen werden. Dafür soll es ein Schulungspaket geben, das neben einem Deutsch- auch einen Wertekurs vorsieht. Nach gewissen Übergangsfristen soll dieser Sprachnachweis laut Regierung auch für bestehende Bezieher gelten. Wer physisch oder psychisch nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen zu erfüllen, ist von den Verpflichtungen ausgenommen. Auf jeden Fall müssen Ausländer, die nicht als Flüchtlinge anerkannt sind, fünf Jahre warten, bis sie überhaupt einen Anspruch auf Mindestsicherung haben. Bisher gab es Ausnahmefälle, wo der Bezug schon früher möglich war.

300 Euro für Pflichtschulabschluss

Als Maximalbetrag können monatlich 863 Euro ausbezahlt werden. Darin ist schon ein „Arbeitsqualifizierungsbonus“ in Höhe von 300 Euro enthalten. Den erhält de facto jeder Österreicher, da als eine der Voraussetzungen nur der Pflichtschulabschluss genannt wird. Alternativ bekommt man ihn durch den Nachweis der Sprachkenntnisse. Ein anerkannter Flüchtling mit positivem Asylbescheid, aber schlechten Deutschkenntnissen, der noch nie einen Beitrag zum österreichischen System geleistet habe, bekomme daher nur 563 Euro, so Kurz.

Ziel sei es, mit der Mindestsicherung Armut zu vermeiden und zugleich Anreize zu schaffen, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen, sagte Strache. Mit der einheitlichen Regelung solle der „Wildwuchs“ in den Ländern etwa mit unterschiedlichen Sanktionierungen der Vergangenheit angehören, so Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Die Länder sollen sich künftig an der einheitlichen Regelung orientieren. Die Maximalsumme können sie aber auch unterschreiten, wenn etwa die Wohnkosten in ihrem Gebiet niedriger sind. Hier sollen die Länder noch einen Spielraum haben. Das Regierungsmodell orientiere sich an den bisherigen Modellen in Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland, so Kurz.

VfGH kippte NÖ-Modell

Die offene Frage aber ist, ob diese Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) hält. Der VfGH hatte die niederösterreichische Mindestsicherung gekippt. Eine von der Dauer des Aufenthalts in Österreich abhängige Wartefrist für die Leistung in voller Höhe und eine starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen waren von den Höchstrichtern als unsachlich qualifiziert worden.

Hans Bürger zur Regierungsklausur

ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger berichtet über die Regierungsklausur. Als Maximalbetrag können monatlich 863 Euro ausbezahlt werden. Darin ist schon ein „Arbeitsqualifizierungsbonus“ in der Höhe von 300 Euro enthalten.

Auch das oberösterreichische Modell, bei dem die Regierung Anleihen genommen hat, steht derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf dem Prüfstand. Ein in Oberösterreich lebender Asylberechtigter hatte Beschwerde gegen seine Schlechterstellung eingelegt. Das Landesverwaltungsgericht hatte die Beschwerde an den EuGH weitergeleitet.

Für Regierung „verfassungskonform“

Aus Sicht der Regierung ist die neue Regelung nun „verfassungskonform“. Aber natürlich habe der VfGH das letzte Wort, betonte Kurz. Man habe jedenfalls dem VfGH Rechnung getragen, so ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Denn es gebe keine fixe Deckelung, sondern eine „degressive Einschleifregelung“. In der Praxis bedeutet das, dass Familien mit jedem Kind weniger Unterstützung bekommen.

Für das erste Kind gibt es noch 25 Prozent der Leistung, für das zweite 15 und ab dem dritten Kind noch fünf Prozent. Diese Reduktion betrifft Großfamilien in Wien besonders stark. Dort bekommt man derzeit für jedes Kind mehr als 25 Prozent. Dafür erhalten Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen mit dem neuen Modell einen zusätzlichen Bonus. Auf die vom VfGH beanstandete Wartefrist - nach Dauer des Aufenthalts - ging die Regierung nicht ein.

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