Vollständige Harmonisierung gefordert
„Wir leisten damit keine Gesundheitsreform, sondern eine Struktur- und Verwaltungsreform.“ Das sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag über die von der Regierung angekündigten Reform der Sozialversicherungen. Der Chef des Hauptverbands, Alexander Biach, begrüßte zwar die Ehrlichkeit des Kanzlers. Seiner Meinung nach gehöre aber noch „sehr viel mehr gemacht“, als bisher angepriesen wurde.
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Konkret wünscht sich Biach bei der Kassenreform einen Stufenplan, der als zweiten Schritt eine Leistungsharmonisierung zwischen unselbstständig Beschäftigten, Selbstständigen und Beamten bringt. Dass das teurer werde, „da sollte man den Menschen reinen Wein einschenken, auch die Politik“, sagte er am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Biach bezieht sich auf Berechnungen der London School of Economics, die von Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro pro Jahr ausgehen - Audio dazu in oe1.ORF.at.

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Biachs Wunsch nach einer vollständigen Harmonisierung ist in der Kassenreform der ÖVP-FPÖ-Regierung nicht enthalten. Derzeit habe die Leistungsanpassung innerhalb der neun Gebietskrankenkassen, die zu einer „Österreichischen Gesundheitskasse“ („ÖGK“) zusammengelegt werden, Priorität, so Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Ob die Harmonisierung auf das höchste Niveau gebracht wird, ist allerdings noch offen. Details dazu wurden auch nach dem Ministerrat nicht genannt.
Biach fordert Stufenplan
Für Biach führt an einer allumfassenden Harmonisierung aber kein Weg vorbei. Freilich, so der Chef des Hauptverbandes, seien die Berufsgruppen „unterschiedlich“, trotzdem beharrt er auf einem „Stufenplan“, wie Biach seinen Vorschlag nennt. So bedeute Stufe eins eine Anhebung auf das „beste Gebietskrankenkassenniveau“. In einem weiteren Schritt müsse man sich dann an die noch höheren Leistungsstufen bei Beamten und Selbstständigen heranarbeiten.
„Ich darf der Regierung nochmals mitteilen: Wir machen seit einem Jahr nichts anderes, als unsere Kräfte massiv auf Stufe eins zu konzentrieren. 17 von 24 Leistungen konnten wir bereits anpassen“, sagte Biach. Für Stufe zwei müsse man nun Beamte und Selbstständige „bitten, auf die Stopptaste zu drücken, um uns dann an dieses Niveau heranarbeiten zu können. Außerdem müsse man auch die Regierung ersuchen, uns zu helfen.“ Biach geht davon aus, dass das höchste Niveau als Maß genommen wird, eine Nivellierung nach unten schloss er aus.
Hauptverbandchef Biach zur Reform
Studiogespräch mit dem Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Alexander Biach, der vor allem bei der angepeilten Harmonisierung der Leistungen Klärungsbedarf sieht.
Zu dem von der Regierung angekündigten Sparpotenzial von einer Milliarde Euro sagte Biach, dass das durchaus möglich sei. Laut Zahlen des Hauptverbandes, die "auf Herz und Nieren“ geprüft worden seien, wüsste man, dass allein durch eine Bündelung der Aufgaben in Summe bis zu 120 Millionen pro Jahr gespart werden könnten, so der Hauptverbandchef.
ÖGB droht mit Kampfmodus gegen Sozialumbau
Aggressiver gingen am Mittwoch Vertreter der Gewerkschaft mit der Reform ins Gericht. Der Umbau des Sozialversicherungssystems werde nur unter schwerem Protest der Gewerkschaft über die Bühne gehen, so der ÖGB. Noch nie in der Zweiten Republik habe es eine Regierung gegeben, die so klar und ungeniert eine „Regierung der Industriebosse“ sei, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. Geplant sei der Umbau in eine „Dritte Republik“.

APA/Herbert Pfarrhofer
ÖGB-Präsident Erich Foglar drohte anlässlich der Kassenreform indirekt mit Streiks
Zumindest indirekt wurde mit Streiks gedroht. Der künftige ÖGB-Chef Wolfgang Katzian meinte in Richtung Regierung: „Wird eine rote Linie überschritten, wird es entsprechende Maßnahmen und Aktivitäten von uns geben.“ Und: „Wenn ihr mit uns nicht auf Augenhöhe umgeht, müssen wir uns die Augenhöhe erkämpfen.“ Durchaus auf Linie mit den roten Gewerkschaften zeigte sich auch der Chef der Christgewerkschafter, Norbert Schnedl. Der Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) befand, wer die Sozialpartnerschaft schwächen wolle, wolle auch die Demokratie in Österreich schwächen.
Kurz zeigte sich von all dem unbeeindruckt. Es sei „legitim, dass Interessengruppen ihre Interessen wahren. Ich bin denen aber nicht verpflichtet, die dort ihre Jobs und Funktionen haben, ich fühle mich den Österreicherinnen und Österreichern verpflichtet“ - und in diesem Fall den Patienten. „Wir setzen das um, was wir angekündigt haben“, so der Kanzler. Auch im Falle von Streiks sehe er „keinen Grund, die Reform nachzuverhandeln“.
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