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„Leistungen werden nicht gekürzt“

Der Ministerrat hat die Reform der Sozialversicherung am Mittwoch abgenickt. Geplant ist die Zusammenlegung der derzeit 21 Träger auf maximal fünf. Mit Fusionen sowie Einsparungen bei Personal und Verwaltung soll bis 2023 eine Milliarde Euro eingespart werden. Bis November soll es eine Regierungsvorlage geben, sagte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).

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Konkret sollen die Versicherungen der gewerblichen Wirtschaft und die der Bauern zu einer gemeinsamen für die Selbstständigen fusioniert werden, jene für öffentlich Bedienstete und Eisenbahn/Bergbau zu einer für den öffentlichen Dienst, die Pensionsversicherungsanstalt bleibt bestehen. Die größte Fusion betrifft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Die neun Gebietskrankenkassen werden zu einer „Österreichischen Gesundheitskasse“ („ÖGK“) zusammengelegt.

Grafik zeigt Details zur neuen Sozialversicherung

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BMI

Wie es mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) weitergeht, ist noch offen. „Die Selbstverwaltung der AUVA hat bis 31. August Zeit, ein entsprechendes Konzept vorzulegen“, sagte Hartinger-Klein. Bis dato habe sie allerdings kein Schreiben erhalten. Die Regierung fordert Einsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro.

„Gesundheitsmilliarde“ durch Reform

Im Zuge der Reform sollen weder Spitäler noch Rehazentren zugesperrt noch Kündigungen ausgesprochen werden, sagte Hartinger-Klein nach dem Ministerrat am Mittwoch. Auch Leistungskürzungen solle es nicht geben. Einsparungen, so die Sozialministerin, die gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) den Ministerratsbeschluss präsentierte, sollen vor allem beim Personal, einer Reduktion der Verwaltungskosten, besseren Einkaufskosten und mit einer „Vereinfachung des Systems“ erreicht werden.

Die Ministerinnen sprachen von einer „Gesundheitsmilliarde“, die durch die Reform lukriert werden und den „Menschen zugutekommen soll. Das ist uns wichtig“, sagte Schramböck. Hartinger-Klein sagte, dass die Reform im Juli in Begutachtung geschickt werden soll. Bis Ende September würden die Stellungnahmen der Interessengruppen eingearbeitet und politische Gespräche beendet. Ende November soll es dann eine parlamentarische Beschlussfassung geben.

Funktionäre benötigen Qualifikation

Insgesamt, so jedenfalls der Plan der Regierung, sollen 80 Prozent der Funktionäre eingespart werden - von 2.000 auf 400. Von den bestehenden 19.000 Stellen in der Verwaltung sollen durch natürliche Abgänge in den ersten drei Jahren zehn Prozent und in den nächsten zehn Jahren rund 30 Prozent wegfallen und nicht nachbesetzt werden. „Leistungen werden nicht gekürzt, auch wenn es von manchen gesagt wird“, versprach Hartinger-Klein.

Grafik zeigt Details zur neuen Sozialversicherung

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BKA

Künftig könne auch nicht jeder Funktionär werden. „Mitglieder der Selbstverwaltungsgremien dürfen kein politisches Mandat mehr ausüben, fachliche Qualifikationen sind entscheidend“, sagte Hartinger-Klein weiter. Es sei ein komplexes System, wofür man eine fachliche Qualifikation vorweisen müsse. „Wie hätte es sonst passieren können, dass Sozialversicherungsfunktionäre es zugelassen haben, dass es bei den Gebietskrankenkassen unterschiedliche Leistungen gibt“, so die Sozialministerin.

Skepsis bei RH-Präsidentin

Ob diese Vorhaben allein Einsparungen in Höhe von einer Milliarden Euro gewährleisten, bezweifeln Experten. Dazu zählt auch die Präsidentin des Rechnungshofs (RH), Margit Kraker. Sie hatte sich am Dienstag kritisch zu den Plänen geäußert. Grundsätzlich sei der Mut zu Reformen anzuerkennen. Doch die Zahlen der Regierung seien „nur schwer zu glauben", sagte sie im ORF-„Report“. Eine Milliarde sei eine „magische Zahl“, denn der Verwaltungsaufwand in der gesamten Sozialversicherung liege bloß bei 750 Millionen. Kostenschätzungen, so Kraker, seien „oft Wunschdenken“.

Kraker skeptisch bei Sozialversicherungsreform

Die Zusammenlegung der Sozialversicherungen ist beschlossene Sache, doch die Zahl der Kritiker steigt. Auch RH-Präsidentin Margit Kraker zeigt sich skeptisch.

Die propagierte Einsparung von einer Milliarde Euro zog auch Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien IHS) in Zweifel. Im Ö1-Morgenjournal sagte er, dass Einsparungen nur in kleinen Bereichen der Verwaltung möglich seien. Aber der geplante Umbau und die Leistungsharmonisierung würden etwas kosten. „Wenn sie für alle (Versicherten der Gebietskrankenkassen, Anm.) die gleichen Leistungen haben wollen, dann wird das einen Großteil der Einsparungen wieder auffressen“, so Czypionka - Audio dazu in oe1.ORF.at

Harmonisierung nur bei „ÖGK“

Während für Unselbstständige in allen Ländern also die gleichen Leistungen gelten sollen, sollen die Leistungen der „ÖGK“ mit jenen der Sozialversicherung für Selbstständige oder der öffentlich Bediensteten nicht harmonisiert werden. Das System der unterschiedlichen Selbstbehalte bleibt bestehen. Für die Sozialministerin hat die Harmonisierung der Leistungen innerhalb der künftigen „ÖGK“ Priorität. Sie sprach nach dem Ministerrat von „mehr Fairness durch Leistungsharmonisierung“ und erwähnte Beispiele wie die Psychotherapie, Schuheinlagen und die Prostata-MRT.

Auf die Frage, ob die Leistungen der „ÖGK“ künftig auf das höchste Niveau angepasst werden sollen, antwortete die Ministerin eher ausweichend. Das sei noch nicht festgelegt, und es gebe noch Verhandlungen. Doch schon am Dienstag hatte die FPÖ-Politikerin in der ZIB2 gesagt, dass sie davon überzeugt sei, „dass die Zuschüsse für die Versicherten natürlich das höhere Niveau haben“.

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