Studie verweist auf Potenzial von Bio
Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Altersheime, Haftanstalten oder Kasernen - nur eine Auswahl an Einrichtungen, für die Bund, Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden zuständig sind. Alle haben eines gemein: Es müssen Tonnen von Nahrungsmittel beschafft werden, Hunderttausende Menschen sind zu versorgen. Die Qualität ist dabei sehr unterschiedlich - das hat viele Gründe.
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Dabei gibt es - angesichts der gigantischen Anzahl der Portionen - ausreichend Möglichkeiten für qualitativ hochwertiges Essen: Bis zu 1,8 Millionen Gerichte (Gastronomie nicht mitgerechnet) gehen täglich mehrheitlich von der öffentlichen Hand bereitgestellt über die Kantinen- und sonstigen Essenstische - Tendenz steigend. Angesichts des riesigen Lebensmittelbedarfs ist die Bedeutung für die heimische Landwirtschaft immens groß.
Fünf Mahlzeiten um 3,50 Euro
Die Nahrungsmittel dafür müssen nach gesetzlichen Regeln erstanden werden: Die Beschaffung unterliegt genauen Kriterien und Prinzipien - eine Rolle spielt dabei aber auch, wer die Entscheidungen zur Auswahl trifft. Entsprechend unterschiedlich sind die Qualitätsanforderungen. Per Definition muss die Verpflegung „preislimitiert“ sein, circa 3,50 Euro müssen täglich vielfach für fünf Mahlzeiten reichen, das soll aber den teils hohen Qualitätsvorgaben nicht zuwiderlaufen.

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Rinderherde eines Biobetriebs im Marchfeld
Nicht mehr nur eine Preisfrage
Verantwortlich für die Beschaffung sind etwa die Länder - Beispiel: Was in den niederösterreichischen Spitälern auf die Teller kommt, entscheidet sich im Zuge des Ausschreibungsprozesses des Landes Niederösterreich. Hinsichtlich der Prinzipien zum Einkauf gab es zuletzt eine Verschiebung: Während früher nach dem „Billigstbieterprinzip“ ausgesucht werden musste, folgt man jetzt dem „Bestbieterprinzip“.
Im herkömmlichen Sinn bedeutet das, dass nicht ausschließlich der Preis darüber entscheidet, welcher Anbieter den Zuschlag für die Belieferung öffentlicher Einrichtungen mit Nahrungsmitteln bekommt, sondern auch andere Kriterien. Freilich werden die Kosten nicht wirklich weniger wichtig, jedoch können in Ausschreibungen einfacher Kriterien wie biologischer Anbau der Lebensmittel und Fairer Handel als Bedingung genannt werden.
Angebote werden geprüft und bewertet
Wenn also in einer Leistungsbeschreibung solche besonderen Qualitätsmerkmale als Mindestanforderungen beschrieben werden, dann liegt es letztlich nur noch am Preis, wer den Zuschlag erhält. Dabei sind die beiden Bezeichnungen „Billigstbieterprinzip“ und „Bestbieterprinzip“ leicht irreführend, schließlich werden in der öffentlichen Beschaffung nicht direkt die Bieter, sondern ihre Angebote geprüft und bewertet. Ziel des Vergabeverfahrens ist es, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln und diesem den Zuschlag zu erteilen.

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15 Prozent der biologisch genutzten Flächen gehen derzeit an die Gemeinschaftsverpflegung
Greenpeace und Bio Austria fordern Bioquoten
Mit einer neuen Studie des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL) machen nun Greenpeace und der Branchenverband Bio Austria den Bioanteil in der öffentlichen Beschaffung zum Thema und fordern fixe Bioquoten für öffentliche Einrichtungen: Laut Greenpeace kam es in den letzten Jahren kaum zu einem Mehreinsatz von Lebensmitteln aus biologischer Landwirtschaft. Zugleich versucht man, der „Annahme“ entgegenzutreten, dass die Anschaffung von mehr Biolebensmitteln viel teurer wäre.
Derzeit liegt der Anteil an Bioprodukten in den Kantinen öffentlicher Einrichtungen im Schnitt bei 30 Prozent. Auch in diesem Zusammenhang verweisen Greenpeace und Bio Austria auf die Bedeutung der biologischen Landwirtschaft in Österreich: Im Vorjahr wurden laut offiziellen Zahlen 23,9 Prozent der gesamten Nutzfläche biologisch bewirtschaftet - von insgesamt 23.117 Betrieben.
Jeder zehnte Hektar für Gemeinschaftsverpflegung
Wie sich diese Quote in die Beschaffung umsetzt, dazu gibt es keine Zahlen - schließlich ist das Feld breit gestreut und auf sehr viele Stellen verteilt. Abschätzbar ist der gesamte Aufwand für öffentliche Beschaffung: Laut der Studie werden derzeit etwa zehn Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Österreich von der Gemeinschaftsverpflegung in Anspruch genommen - etwa ein Drittel dieser Fläche (etwa drei Prozent) wird für Biolebensmittel beansprucht.

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Tierhaltung im Biobetrieb - Schweine verfügen über viel Platz und haben bestmögliche Lebensbedingungen
Das heißt, dass etwa 15 Prozent der Produkte von biologisch bewirtschafteten Nutzflächen in die Gemeinschaftsverpflegung gehen. In der Studie wird das Szenario einer Komplettumstellung auf Bioessen in der Gemeinschaftsverpflegung durchgespielt: Die Erhebung kam zum Schluss, dass das eine Steigerung des Anteils der Bioanbaufläche um das Dreifache zur Folge hätte - diese wäre auf einen Schlag fast so groß wie ganz Vorarlberg.
„Motor für Biolandwirtschaft“
Auch eine Umstellung auf 60 Prozent Bioessen in der Gemeinschaftsverpflegung wurde in der Studie durchgespielt. Bei diesem realistischem Szenario würde die Bioanbaufläche stark steigen - um rund ein Viertel mehr Fläche, als Wien einnimmt.
Eine Umstellung würde eine „starke Steigerung der österreichischen Bioflächen“ bedeuten, so Studienautorin Isabella Gusenbauer bei der Vorstellung der Studie. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gemeinschaftsverpflegung als Motor für die Biolandwirtschaft in Österreich dient“, erklärt die Expertin. Zur Frage der Machbarkeit verweist Gusenbauer auf die dänische Metropole Kopenhagen, wo seit etwa drei Jahren in den kommunalen Küchen 90 Prozent Bioprodukte verwendet werden.
Bio Austria: „Relativ einfach machbar“
Eine Umstellung des Bioanteils auf 60 Prozent „sei relativ einfach in ein bis drei Jahren machbar“, so Claus Holler von Bio Austria bei der Studienpräsentation. In vielen Bereichen sei bereits „zu erkennen, dass es funktionieren kann, wenn der Wille da ist“, so Holler. Österreich sei Spitzenreiter in der EU, viele Bioprodukte gingen in den Export.

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Studienautorin Isabella Gusenbauer (M.), Claus Holler von Bio Austria (l.) und Theissing-Matei von Greenpeace (r.)
„Unser Wunsch wäre, dass mehr Produkte in die heimische Verpflegung gehen“, meint der Branchenvertreter. Vier Maßnahmen sind laut Bio Austria für eine Steigerung des Bioanteils auf 60 Prozent zu beachten: weniger Lebensmittelabfälle, weniger Fleischkonsum, Schulung und Sensibilisierung des Küchenpersonals und Saisonalität.
„Beträchtlichen Hebel in der Hand“
„Ein Ausbau der biologischen Landwirtschaft wäre gesellschaftlich höchst wünschenswert“, so Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher von Greenpeace Österreich, bei der Studienpräsentation. „Wenn man Tiere (wie bei Massentierhaltung, Anm.) sieht, die im eigenen Kot liegen, wird allen klar sein, wo es den Tieren besser geht.“ Die öffentliche Hand hat laut Theissing-Matei einen „beträchtlichen Hebel in der Hand“. Nach den Vorstellungen von Greenpeace sollte mindestens die Hälfte des Essens in der öffentlichen Versorgung aus biologischem Anbau kommen.
35 Prozent Bioanteil in Niederösterreich
Ein kleiner Blick in die Praxis zeigt verschiedene Herangehensweisen: So gibt es etwa laut der niederösterreichischen Landesregierung „klare Regeln für den Kauf von Lebensmittel“. Verwiesen wird auf „erste Erfolge“ des 2015 gestarteten Programms, wie es auf ORF.at-Anfrage aus dem Büro von Landeshauptmannstellvertreter Stephan Pernkopf heißt: Die 115 Großküchen der Landesverwaltung mit zehn Mio. Mittagsportionen jährlich kaufen „nahezu 100 Prozent regional“ - bei einem durchschnittlichen Bioanteil von aktuell 35 Prozent. Der „Fahrplan“ schreibt den Angaben zufolge derzeit 30 Prozent vor.
Wiener Kindergärten als Vorbild
Ähnlich die Regeln in Wien, wo es das Programm ÖkoKauf Wien gibt. Als wichtig wird dabei erachtet, „dass die Kriterien so gewählt werden, dass sie den Zielen der Stadt Wien entsprechen, den Anforderungen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen und einen Wettbewerb zulassen“, heißt es auf Anfrage von ORF.at.
Für die Beschaffung wurde das Positionspapier zum nachhaltigen Einkauf von Speisen und Lebensmitteln erarbeitet, es ist Grundlage für spezifische Kriterienkataloge. Ziel sei generell, „dass wertmäßig mindestens 30 Prozent der Lebensmittel aus ökologischem Landbau stammen“, heißt es gegenüber ORF.at. Eine Erhöhung auf 50 Prozent werde angestrebt.
Die 30-Prozent-Quote könne in allen Institutionen erfüllt werden, wie es heißt. Teilweise liege der Bioanteil auch deutlich höher, etwa in den Wiener Kindergärten, wo derzeit über 50 Prozent der Lebensmittel in Bioqualität gekauft würden - in den Schulen liegt der Bioanteil im Catering den Angaben zufolge bei etwa 40 Prozent.
„Regional vor bio“ bei gespag
Ein wenig anders wird etwa in Oberösterreich argumentiert. Beim größten oberösterreichische Krankenhausträger gespag (Oö. Gesundheits- und Spitals-AG) stehe die „regionale Wirtschaft“ im Mittelpunkt - generell gelte die Devise „Regional vor bio“. Auf ORF.at-Anfrage heißt es, „diverse Produkte“ werden in Bioqualität (etwa Milch und Butter) ausgeschrieben oder es wird das AMA-Gütesiegel gefordert.
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Valentin Simettinger, ORF.at