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„Jeder will preisaggressiv tätig sein“

Kaffee, Bananen, Kakao, Rosen: Immer mehr wird in den heimischen Supermärkten auf Produkte geachtet, die bessere Einkommen für Kleinbauern im globalen Süden versprechen. Allein der Umsatz mit Produkten dem Fairtrade-Siegel wuchs im Vorjahr um 13 Prozent auf 304 Mio. Euro. Doch wird unter Fairtrade-Bedingungen viel mehr hergestellt, als verkauft werden kann.

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Beispiel Kakaoproduktion in Ghana: vor drei Jahren sind laut Fairtrade nur 15 Prozent der unter Fairtrade-Bedingungen hergestellten Waren auch mit dem Fairtrade-Label verkauft worden. Zwar habe es in den letzten Jahren eine Verschiebung gegeben, erklärt der Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, Hartwig Kirner, im Gespräch mit ORF.at. Diese gehe zwar in die richtige Richtung, sei aber „noch nicht so, wie wir uns das wünschen“, so Kirner.

Nur ein Drittel „schafft“ ganzen Weg

Mittlerweile steht man bei etwa einem Drittel. Sprich: Eines von drei Kilo ghanaischem Kakao, das unter Fairtrade-Bedingungen hergestellt wird, landet auch mit dem Fairtrade-Label im Supermarktregal. Voraussetzung dafür ist die Abnahme per Mindestpreis, den Fairtrade für eine Zertifizierung des Produkts vorschreibt. Der Rest - also immerhin zwei von drei Kilo - wird zu marktüblichen, jedenfalls niedrigeren Preisen und ohne Fairtrade-Pickerl verkauft.

Menschen bei der Teeernte in Tansania

Getty Images/Jfjacobsz

Die Nachfrage nach Fairtrade-Tee ist kaum nennenswert. Hier kann sich die Fairtrade-Idee nicht durchsetzen

Das Verhältnis am Beispiel des Kakaos aus Ghana entspricht etwa dem Verhältnis aller produzierten Waren im Fairtrade-Spektrum. Ziel von Fairtrade ist es, bei allen Warengruppen im Schnitt von einem Drittel „mittelfristig“ auf über 50 Prozent zu kommen. Bananen haben derzeit die beste Quote, gefolgt von Kaffee und Kakao - das Gegenstück zu Bananen sei Tee. Hier stehe eher der asiatische Markt im Fokus, so Kirner, in Österreich gibt es da vergleichsweise kaum Nachfrage.

Nicht nur Beliebtheit zählt

Doch allein an der Beliebtheit einer Produktklasse liegt es nicht - mehr Nachfrage bedeutet nicht automatisch bessere Einkünfte und Lebensverhältnisse für Produzenten, Landwirte und Arbeiterinnen. Beispiel Kaffee: Hier legte der Marktpreis in den vergangenen Jahren einen Zickzackkurs mit Talfahrttendenz hin, während eines Tiefs haben Kaffeebauern aus klassischen Anbauländern wie Äthiopien kaum eine Chance, kostendeckend zu arbeiten.

Kaffeebohnen in einer Hand

APA/AFP/Inti Ocon

Der Preisverfall bei Kaffee ist enorm - für Bauern existenzbedrohlich

2,5 Euro für ein Kilo Kaffee

Und so ein Tief gibt es derzeit: So liegt der Preis für ein Kilogramm Kaffee derzeit bei 2,962 US-Dollar (2,514 Euro) - im November 2016, also vor nur eineinhalb Jahren waren es über vier US-Dollar, im Oktober 2014 waren es fast fünf US-Dollar für ein Kilo Kaffee. Der Fairtrade-Mindestpreis liegt geringfügig über dem Marktpreis, dazu kommt eine Fairtrade-Prämie, die an die Kooperative geht und dort dem Gemeinwohl zugutekommt.

Zusätzlich wird der Gewinn durch den Fairtrade-Verkauf jährlich als Dividende ausbezahlt - Problem wiederum: Nur knapp die Hälfte der Kaffeemenge kann zu Fairtrade-Preisen verkauft werden. Die andere Hälfte geht zu marktüblichen Preisen in den Verkaufsprozess. Im Vergleich zu anderen Produktklassen wie Tee, Baumwolle und Blumen ist das ein hoher Wert. Trotzdem: Zuschläge gibt es damit trotz erfolgter Herstellung freilich keine und Grund, weshalb die Kaffeebauern auf höhere Kaffeepreise drängen.

Was wollen Konsumenten zahlen?

Laut Fairtrade selbst dreht sich alles um die Frage, wie viel Konsumenten bereit sind, zu zahlen: Laut den Werten, die Fairtrade nennt, ist etwa ein Viertel der Bevölkerung sehr nachhaltig orientiert, einem Viertel sei es völlig egal, ausschließlich Konsumation stehe im Fokus. Etwa die Hälfte der Konsumentinnen und Konsumenten findet das Thema zwar grundsätzlich wichtig - Bereitschaft, mehr für Produkte zu zahlen, gibt es aber nicht.

„In diesem Spannungsfeld müssen wir uns orientieren“, so Kirner. Dabei sei zu sehen, dass das Thema „immer mehr in die Mitte“ der Gesellschaft gehe und „keine kleine Nische mehr“ sei. „Die Unternehmen haben die Verantwortung, dass sie in Lieferketten nicht unethisch agieren, aber ob sie jetzt billigere oder hochwertige Produkte anbieten - das ist eine Entscheidung der Konsumenten“, beschreibt der Fairtrade-Österreich-Chef im ORF.at-Interview.

Mindestpreis unverrückbar

Die Hersteller der Rohstoffe - in der Regel sind es in Kooperativen organisierte Kleinbauern - erhalten fixe und unverrückbare Mindestpreise und Geld für Gemeinschaftsprojekte. Das Segment wächst seit Jahren stark, weil sich zunehmend Handelsketten dafür entscheiden. „Die Konsumentennachfrage war da, Hersteller haben darauf reagiert“, sagt Kirner. So sei man „im Massenmarkt angekommen“.

Bananenbaum mit Früchten

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Bananen sind das stärkste Segment im Fairtrade-Spektrum - doch dennoch: Auch hier gibt es Kostendruck

Preiswettbewerb „wirklich brutal“

Trotzdem sei der Preiswettbewerb im österreichischen Handel „wirklich brutal“: Niemand wolle teurer sein als der andere: „Jeder will preisaggressiv tätig sein. Die Unternehmen treiben in erster Linie über den Preis Werbung – die Aktionsfrequenz in Österreich ist extrem hoch. Das wirkt sich auf die Margen aus, die in der gesamten Lieferkette zustande kommen“, so Kirner.

Hauptproblem sei der „laxe Umgang mit Arbeitnehmerrechten im globalen Süden“. Der Druck in der Kette verlagere sich dabei stets auf den Anfang, auf die schwächsten Glieder dieser Kette. Der Druck wandert vom Lebensmittelhandel auf die Lieferanten bzw. deren Vorlieferanten: „Am Ende kommt’s dann auf die Bäuerinnen und Bauern zurück, sie leiden unter dem massiven Preisdruck.“ Doch Fairtrade geht es darum, Plantagenarbeitern langfristig eine existenzsichernde Entlohnung sicherzustellen.

Wirkt das System Fairtrade?

Um die Wirksamkeit des von Fairtrade postulierten Systems zu dokumentieren, ließ die Organisation Betriebe in den Herstellerländern untersuchen. Damit beauftragt wurde das Centrum für Evaluation (CEVAL) der Universität des Saarlandes im deutschen Saarbrücken. In einem Zeitraum von fünf Jahren wurden die Betriebe in den Produktionsländern von Bananen, Kaffee und Co. qualitativ vergleichbar bewertet - gearbeitet wurde hauptsächlich mit Interviews.

Vor Kurzem ist die Untersuchung veröffentlicht worden: In den sechs Fallstudien in Kenia, Ghana, Peru und Indien wird insbesondere auf die gesteigerten Bildungsmöglichkeiten der Landwirte bzw. deren Familien hingewiesen, die für Fairtrade-zertifizierte Betriebe arbeiten. Generell wird eine verbesserte Lebenssituation der Arbeiterinnen und Arbeiter erkannt.

Lebenserhaltungskosten zu hoch

Doch kommt die Studie in manchen Fällen, etwa bei Blumenproduzenten in Kenia, zum Schluss, dass diesen die Deckung der Lebenserhaltungskosten mit ihren Einkommen vielfach schwerfällt. Daneben benannte die Studie weitere anhaltende Herausforderungen: Bei Bananen gehört dazu der starke Preisdruck, bei Kaffee leiden die Produzenten nicht nur unter dem niedrigen Marktpreis, sondern auch unter den negativen Folgen des Klimawandels.

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