Die ersten zehn Finalisten stehen fest
Mit der Startnummer 13 ins Rennen gegangen, hat sich Cesar Sampson am Dienstagabend für das Finale des Eurovision Song Contest qualifiziert. Lange warten musste der Linzer nicht, um Gewissheit hinsichtlich seines Finaleinzugs zu erlangen - Österreich wurde bei der Verkündung des Votings als erstes Land genannt, das heuer ins Finale einzieht.
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In den direkt auf die Show folgenden Interviews waren Sampson Freude und Erleichterung deutlich anzusehen. „Wir sind überglücklich, dass wir einen guten Job gemacht haben“, so Sampson. Für die Kameras hatte er dann fast keine Augen: „Wir waren zu beschäftigt, glücklich zu sein.“ Alles in allem sei es für ihn ein perfekter Abend gewesen: „Ich konnte noch einmal ein Scheibchen nachlegen.“
„Eingeölt für die Show“
Druck habe er dabei nie verspürt: „Wenn ich etwas mache, mache ich das, weil ich eine innerliche Leidenschaft spüre.“ Er sei grundsätzlich ein Typ, der sich langsam steigere: „Es wird einfach jedes Mal besser - so bin ich nun mal.“ „Da ist noch ein einiges im Tank“, stellte der 34-Jährige nach seinem erfolgreichen Halbfinale Dienstagnacht vor Journalisten klar: „Jetzt bin ich schon langsam eingeölt für die Show.“

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„Zu beschäftigt, glücklich zu sein“: Sampson feierte mit seinem Team in Lissabon den Finaleinzug
Und er glaubt, dass sie es im Finale noch besser hinbekommen. Er denke schon darüber nach, was sich im Finale noch verbessern lässt. „Ich kann ein paar Sachen noch cooler machen, ich habe nur einen Bruchteil meiner Tanzmoves ausgepackt“, witzelte Sampson gegenüber Ö3. Ziel sei es, möglichst weit zu kommen oder gar zu gewinnen, das sei „the name of the game“.
Sampson überzeugte mit seiner souligen Stimme und einer unaufgeregten Bühnenshow, die dennoch genügend Kraft und für Song-Contest-Verhältnisse große Authentizität zu versprühen wusste. Sampsons konzentriertes und fokussiertes Auftreten tat ein Übriges, um das Publikum zu begeistern.
Alle Augen auf Israel
Doch besonders waren am Dienstagabend die Scheinwerfer auf die israelische Teilnehmerin Netta gerichtet, die mit Exzentrik und viel zur Schau gestelltem Selbstbewusstsein punkten konnte. Die gewichtige Sängerin bot mit „Toy“ Club-Beats, die insbesondere einem jungen Publikum gut ins Ohr gehen. Wobei Nettas Auftritt angesichts des steten Betonens ihres Andersseins gerade im Song-Contest-Kontext durchaus auch formelhafte Züge hatte.

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Mit viel Exzentrik, die auch etwas Formelhaftes an sich hatte, zieht Netta ins Finale ein
Funky Tscheche
Einen ebenso bemerkenswerten Auftritt hat Mikolas Josef aus Tschechien hingelegt. Der in Wien lebende Sänger gab sich mit dem Elektrosong „Lie to Me“ betont funky, mit kurzen Ausritten ins Jazzfach in Form einer schrill quietschenden Trompete. Optisch setzte der Tscheche auf eine Mischung aus Schulbub und Buchhalter aus den Wirtschaftswunderjahren: Mit viel Pomade, dicken Brillenrändern und einer Schultasche auf dem Rücken war ihm die Aufmerksamkeit gewiss. Die bis dato beim Song Contest außerordentlich glücklosen Tschechen dürften mit dem Beitrag das beste Ergebnis aller Zeiten erzielen.

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Mikolas Josef aus Tschechien war einer der herausragenden Künstler des ersten Halbfinales
Mit Heißblütigkeit zur Favoritin
Am Samstag wird es im großen Finale auch ein Wiedersehen mit Eleni Foureira aus Zypern geben, die im Rahmen des Halbfinales ein feuriges Inferno veranstaltete und damit die Heißblütigkeit in der Darbietung zu unterstreichen wusste. Ihr Song „Fuego“ gibt sich sehr rhythmusbetont mit ethnischem Einschlag, aber auch sehr energetisch und opulent – lediglich hinsichtlich der Menge des getragenen Textils wurde gespart. Foureira gilt laut Buchmachern neben Israels Netta als aussichtsreiche Anwärterin auf den Sieg am Samstag.
Für den musikalischen Ausreißer des Abends war Elina Nechayeva aus Estland zuständig und setzte damit die Song-Contest-Tradition der Klassikausflüge fort. Nechayeva ist ausgebildete Opernsängerin und in dieser Funktion an der Tallinner Oper engagiert. „La Forza“ war nicht nur hinsichtlich Sound und Stimme um Größe bemüht. Nechayeva wählte eine Inszenierung, die auch eine Materialschlacht hinsichtlich der benötigten Stoffmenge bedeutete.
Der große Hang zur Mystik
Dunkel, düster und mystisch hat es die Supergroup Equinox aus Bulgarien mit „Bones“ angelegt - und war damit wie erwartet erfolgreich. Das Quintett steht bei den Buchmachern seit Monaten hoch im Kurs, auch wenn sich die konkrete Aussage des Songs kaum erschließt. Im Vorfeld war von „der Liebe jenseits der materiellen Welt die Rede“.

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Eleni Foureira aus Zypern setzte auf eine feurige Show und war damit erfolgreich
Auch für Ieva Zasimauskaite aus Litauen reichte es mit der Klavierballade „When We’re Old“, die die ewige Liebe beschwört, für das Finale. Und der einzige lupenreine Rocksong des Abends, der von Eugent Bushpepa aus Albanien in Form des Songs „Mall“ intoniert wurde, ist ebenso weiter wie Finnlands Saara Alto, die mit dem nordisch angehauchten und sehr hymnischen Eurodance-Song „Monsters“ angetrat. Für eine große Erlösung sorgte Ryan O’Shaughnessy aus Irland mit „Together“ – die große Song-Contest-Nation Irland steht damit erstmals seit Jahren wieder in einem Finale. Für Verwunderung sorgte jedoch das inszenierte Schneegestöber auf der Bühne.
Deutliche Inspirationsquellen
Weniger Glück hatte Aisel aus Aserbaidschan, die mit „X My Heart“ den Abend eröffnet hatte und ganz offensichtlich beim einstigen Siegertitel „Euphoria“ von Loreen abgekupfert hat. Sie tritt die Heimreise an. Trotz gewohnt hoher Qualitäten ebenso ausgeschieden ist Belgien – eine der ganz großen Überraschungen des Abends. Sängerin Sennek legte es mit ihrer Ballade „A Matter of Time“ höchst dramatisch an, was ihr im Vorfeld bereits Vergleiche mit klassischen Bond-Songs eingebrachte, aber punkten konnte sie damit nicht.

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Aisel aus Aserbaidschan sang davon, zum Mond zu fliegen, und fährt nach Hause
Ebenso draußen ist Griechenlands Yianna Terzi, die mit „Oniro mou“ auf eine Ballade, die sich in klassischer Song-Contest-Manier zuspitzt, setzte. In ihrem weißen Bühnenoutfit ließ sie an die Popversion des Orakels von Delphi denken, was zu wenig fürs Finale war.
Um besondere Eindringlichkeit war der für Weißrussland angetretene Ukrainer Alekseev bemüht, konnte aber wenig davon in Richtung Publikum transportieren. Der in weiten Teilen Osteuropas via YouTube berühmt gewordene junge Sänger versuchte sich trotz großer Ambitionen vergebens als theatralischer Rosenkavalier.
Schweiz setzt Durststrecke fort
Für den dreistesten Ideenklau des ersten Halbfinales sorgte jedoch Franka aus Kroatien. „Crazy“ nahm starke Anleihen an Sam Browns 1980er-Jahre-Hit „Stop“, was weder Publikum noch Jury goutierten. Auch Sevak Khanagyan aus Armenien, der sich wie viele andere sehr mystisch gegeben hat, wird dem Finale ebenso fern bleiben wie das Duo Eye Cue aus Mazedonien, das mit „Lost and Found“ etwas ungelenke Hüfteinlagen und knappe Bekleidung zu bieten hatte.
Genauso draußen ist die Schweiz, die damit ihre Durststrecke fortsetzt. Das eidgenössische Geschwisterduo ZiBBZ lieferte mit dem rockigen Song „Stones“ eine etwas harmlose Show. Und auch der Paradeschwiegersohn Ari Olafsson aus Island, der es mit viel Schmalz und aufgesetzter Verbindlichkeit versuchte, konnte nicht überzeugen. Weiter geht es am Donnerstag, wenn im Rahmen des zweiten Halbfinales die restlichen zehn Finalteilnehmer ermittelt werden.
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red, ORF.at, Johannes Luxner, für ORF.at