„Zuerst wird gesagt, dann getan“
Das Parlament hat am Freitag bei der traditionellen Veranstaltung gegen Gewalt und Rassismus der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der als Festredner eingeladene Autor Michael Köhlmeier übte dabei deutliche Kritik an der FPÖ - was bei den Freiheitlichen für erboste Reaktionen sorgte.
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In seiner Rede im Zeremoniensaal der Wiener Hofburg, die mit stürmischem Applaus bedacht worden war, hatte der Autor der FPÖ Heuchelei im Umgang mit den Juden vorgeworfen. Er höre die NS-Opfer, deren Geschichten gerade erzählt wurden, fragen: „Was wirst du jenen sagen, die einer Partei angehören, deren Mitglieder den Nationalsozialismus verharmlosen oder antisemitische Meldungen abgeben (...)“, sagte er mit Verweis auf Verschwörungstheorien.
„Der Begriff des ‚stichhaltigen Gerüchts‘ wird ins Wörterbuch der Niedertracht und Verleumdung kommen“, so Köhlmeier in Anspielung auf FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, dem zufolge es „stichhaltige Gerüchte“ gäbe, dass US-Milliardär George Soros daran beteiligt wäre, „Migrantenströme nach Europa zu unterstützen“. Gudenus selbst nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil.
Köhlmeier-Kritik an Kickl und Kurz
„Gehörst du zu jenen, die abgestumpft sind“, höre er die Toten fragen. „Zuerst wird gesagt, dann wird getan. (...) Wirst du es dir gefallen lassen, wenn ein Innenminister davon spricht, dass Menschen konzentriert gehalten werden sollen“, sagte er in Anspielung auf Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).
Köhlmeier: „Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle“
„Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt. Nie“, sagte Köhlmeier bei seiner Rede in der Hofburg, bei der er scharfe Kritik an der FPÖ übte.
Es sei unglaubwürdig, wenn sich die FPÖ als Beschützerin der Juden aufspiele und gleichzeitig die rechtsextreme „Aula“ unterstütze, in der befreite KZ-Häftlinge als „Landplage“ bezeichnet wurden. „Wer das glaubt, ist ein Idiot, oder er tut so als ob, dann ist er ein Zyniker“, so Köhlmeier. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierte er: „Es hat auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“
Scharfe Reaktion der FPÖ
Die FPÖ reagierte erbost auf die Rede. Klubobmann Walter Rosenkranz und der Abgeordnete David Lasar bezeichneten Köhlmeier als selbstgerecht und warfen ihm vor, die Gedenkveranstaltung desavouiert zu haben. Köhlmeier sei seit Jahren dafür bekannt, dass er seine „persönlichen und politischen Aversionen gegen die FPÖ bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von sich gibt“.
Daher dürfe es auch „nicht verwundern, dass er diese heutige Bühne hochmütig missbraucht hat. Dass er dabei die Ungeheuerlichkeit des Holocaust verharmlost und gleichzeitig eine Million österreichische Wählerinnen und Wähler pauschal verunglimpft, ist ein entbehrlicher Beitrag zur weiteren Spaltung der Gesellschaft in Österreich, die er selbst kritisiert.“
Gedenken an NS-Opfer im Parlament
Anlässlich der Befreiung des KZ Mauthausen durch amerikanische Soldaten am 5. Mai 1945 begeht die Republik alle Jahre den nationalen Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus.
„Dem heutigen Gedenktag hat Köhlmeier einen Bärendienst erwiesen, auch wenn ihn seine Claqueure dafür abfeiern. Vielen Ehrengästen war die Empörung sichtlich anzusehen, und sie applaudierten demonstrativ nicht“, so die FPÖ-Politiker in einer Aussendung.
Auch IKG nahm Teil
Im Zentrum des Gedenkakts, der den Auftakt für einen Reigen an Gedenkveranstaltungen bildete, stand der „Dialog des Erinnerns - Geschichten brauchen Stimmen“. Dabei erzählten Jugendliche die Geschichten von NS-Opfern, die im KZ Mauthausen ermordet wurden. An dem Festakt nahmen neben Abgeordneten mehrere Regierungsmitglieder, angeführt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), sowie Vertreter der Oppositionsparteien teil.
Anwesend waren zudem Zeitzeugen und Überlebende sowie Vertreter der Höchstgerichte und der Religionsgemeinschaften. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, wohnte dem Festakt bei und nahm damit doch an einer Veranstaltung mit FPÖ-Politikern teil. Die IKG wollte eigentlich im heurigen Gedenkjahr Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung boykottieren.
Sobotka warnt vor „neuem“ und „altem“ Antisemtismus
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) warnte in seiner Rede vor den deutlich sichtbaren Ausprägungen des „neuen“ und „alten“ Antisemitismus.
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor dem Aufkeimen eines neuen Antisemitismus gewarnt. Das dürfe man „nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern man muss diesen Bodensatz bekämpfen“. Er erinnerte daran, „dass es die Entmenschlichung war, die am Beginn der NS-Herrschaft gestanden ist“, und diese Entmenschlichung vom „Anschein der Rechtsstaatlichkeit begleitet wurde“. Deswegen müsse das Vertrauen in den Rechtsstaat gesichert werden.
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