Verheerende Ernte in Madagaskar
Schlechte Nachricht für Vanilleliebhaber: Auf sie kommen wohl weitere unangenehme Preissteigerungen zu. Doch damit nicht genug, müssen sie vielleicht bald ganz auf den süßen, duftenden Rohstoff verzichten. Denn die Lagerbestände werden wegen der schlechten Ernte knapp.
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Madagaskar, das rund 60 Prozent des Weltbedarfs abdeckt, bestimmt mit seiner Produktion die Preisentwicklung der begehrten Vanilleschoten. Doch der Zyklon „Enawo“ hatte im Frühling einen großen Teil der Anbauflächen auf der Ostafrika vorgelagerten Insel zerstört. Derzeit ist die Ernte voll im Gange. Doch bereits vor ihrem Ende ist klar, dass die Erträge heuer äußerst mager ausfallen werden und sich die Preise daher auch im kommenden Jahr nicht entspannen, sondern ganz im Gegenteil wohl weiter nach oben gehen dürften.

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Die geernteten Schoten müssen erst zum Trocknen aufgelegt werden
Preisexplosion in den letzten Jahren
Einige Experten rechnen mit einer Jahresernte von etwas mehr als 1.000 Tonnen auf der Insel, im Vorjahr waren es fast 2.000 Tonnen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“, Freitag-Ausgabe). Auch 2016 war die Ernte in Madagaskar bereits dürftig ausgefallen. Unwetter hatten auch in den 1970er Jahren zu einer Vanillekrise geführt und die Preise explodieren lassen, dann wieder im Jahr 2000, doch noch nie war der Rohstoff so kostspielig wie heuer. Mittlerweile gehört Vanille zu den teuersten Gewürzen der Welt - nur Safran erzielte bisher noch höhere Preise.
Bis vor vier Jahren bewegte sich der Preis für Vanille indes auf Niedrigniveau. Er lag bei nur 30 Euro pro Kilo. Dann kletterte er stetig nach oben, vor allem seit 2014. Bis Anfang des Jahres hatte sich der Preis laut „SZ“ verzehnfacht und seither fast nochmals verdoppelt. Derzeit kostet ein Kilo Vanille um die 600 Euro - und damit mehr als Silber.
Hohe Nachfrage nach natürlichen Inhaltsstoffen
Die Gründe für die derzeitige Preisspitze sind mannigfaltig. Die schlechte Ernte geht mit einer stetig wachsenden Nachfrage einher. Da vermehrt Produkte mit natürlichen Inhaltsstoffen gekauft werden, verwenden auch die großen Speiseeis- und Kosmetikhersteller zunehmend echte Vanille statt künstlicher Aromen.

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Eis, Backwaren, Joghurt und Kosmetik - Vanille ist aus vielen Produktsparten kaum wegzudenken
Neben der teils zerstörten Ernte traten heuer zusätzliche Schwierigkeiten in Madagaskar auf: Viele Bauern begannen offenbar aus Angst vor Diebstählen zu früh mit der Ernte - noch vor Beginn der Blüte ab Mitte Juni. In den unreifen Kapseln konnte sich aber noch nicht die volle Menge des typischen Aromastoffs Vanillin bilden.
Die akute Krise betrifft zudem nicht nur Madagaskar. Weil so viel nachgefragt wird, kommen auch andere Produktionsländer kaum noch hinterher. Die speziellen Orchideen, aus denen Vanille gewonnen wird, wachsen etwa auch in Tahiti, Indonesien, Papua-Neuguinea und Mexiko.
Entspannung vorerst nicht in Sicht
Hinzu kommt Händlern zufolge, dass Spekulanten das Angebot künstlich verknappt haben und jetzt die Preise in die Höhe treiben. „Die Preise werden noch höher liegen als im vergangenen Jahr“, so Georges Geeraerts vom Vanille-Exporteursverband in Madagaskar gegenüber der dpa. Auch der im Vanillegeschäft engagierte deutsche Duft- und Aromenhersteller Symrise geht nicht von sinkenden Preisen aus. Engpässe bei der aktuellen Ernte sieht er jedoch nicht: „Für unsere Nachfrage sind Mengen in ausreichender Qualität verfügbar“, sagt Symrise-Vorstand Heinrich Schaper der dpa.

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Vanille ist als Basisduftstoff in der Kosmetikproduktion essenziell
Das Unternehmen gehört zu den etwa zwei Dutzend Unternehmen, die Vanille von der Insel weiterverarbeiten. Es ist nach eigenen Angaben das einzige in Madagaskar, das Rohvanille an Ort und Stelle extrahiert und dann in hochkonzentrierter, flüssiger Form exportiert. Die Vanilleschoten selbst enthalten nur zwei Prozent wertvolle Aromastoffe. Auch Schaper spricht von einer hohen Nachfrage: „Vor allem in den USA und Asien, aber auch Europa ist der Trend nach Authentizität, nach Natürlichkeit ungebrochen.“
Geduld ist gefragt
Die gegenwärtige Krise ruft möglicherweise bald neue Anbieter auf den Plan - etwa in Indien oder auch in Uganda. „Mit derartigen Preisen dürften auch andere Länder mit dem Vanilleanbau beginnen, sodass ein Überangebot die Preise fallen lassen wird“, so Geeraerts vom Verband der Vanilleexporteure. Doch bis dahin ist Geduld angesagt. Der Grund: Nach der Anpflanzung der Kletterorchideen dauert es rund drei bis vier Jahre, bis die ersten Vanilleschoten geerntet werden können.
Genauso lange - drei bis vier Jahre - muss man nach Einschätzung von Tim McCollum, Gründer des US-Schokoladeherstellers Madecasse, abwarten, bis sich die Preise auf 100 bis 150 Dollar (83 bis 125 Euro) pro Kilogramm eingependelt haben werden. McCollum nennt im Interview mit der „Financial Times“ („FT“) allerdings auch einen positiven Aspekt der derzeit hohen Preise: Für Vanillebauern auf Madagaskar habe sich die Situation nun deutlich verbessert. Sie könnten ihre Häuser mit Zement bauen und ihren Kindern eine bessere Ausbildung finanzieren.
Zu „Weihnachten wird es kaum noch Vanille geben“
„Es hat schon viele Vanillekrisen gegeben, auch diese wird wieder vorbeigehen“, gibt sich Berend Hachmann, Hamburger Vanillehändler, gegenüber der „SZ“ vorsichtig zuversichtlich. Doch auch er erwartet nicht, dass sich die Preise vor Mitte nächsten Jahres wieder entspannen werden. Für die Vorweihnachtszeit hat er gar eine Hiobsbotschaft parat: Zu „Weihnachten wird es kaum noch Vanille geben“.
Im Notfall kann man sich auch mit künstlich hergestelltem Vanillearoma behelfen. Geschmacklich macht das angeblich kaum einen Unterschied. Nur die kleinen schwarzen Punkte - als typischer Hinweise für natürliche Vanille - fehlen.
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