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Orban kündigt „Genugtuung“ an

Bereits einen Tag nach dem deutlichen Sieg von Ministerpräsident Viktor Orban bei der Parlamentswahl in Ungarn zeigte sich, dass der Rechtspopulist nicht gedenkt, von seinem bisherigen Führungsstil abzugehen. Orbans Gegnern und der EU droht ein noch schärferer Gegenwind.

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Schon im Mai könnte seine Partei FIDESZ mit ihrer Mehrheit ein geplantes Gesetz beschließen, das ein Verbot zuwanderungsfreundlicher Nichtregierungsorganisationen ermöglicht, gab der Fraktionssprecher von Orbans Regierungspartei FIDESZ, Janos Halasz, am Montag im ungarischen Fernsehen bekannt. Auf dieser rechtlichen Grundlage hätte die Regierung dann die Möglichkeit, solche Organisationen als Risiko für die nationale Sicherheit zu verbieten. Der Gesetzesentwurf sieht außerdem eine Steuer von 25 Prozent auf ausländische Spenden an ähnliche Gruppierungen vor. „Es ist eine Frage der Souveränität, es geht um die Sicherheit des Landes“, sagte Halasz.

EU bereitet sich auf härtere Zeiten vor

Schon Orbans vorangegangene acht Regierungsjahre waren geprägt von Initiativen, die von Menschenrechtlern und von Ungarns europäischen Partnern als Provokationen wahrgenommen wurden. Den jetzigen Urnengang hatte der Ministerpräsident zur „Schicksalswahl“ erklärt, bei der angeblich die Zukunft Ungarns und des christlichen Europas auf dem Spiel stehe. Die zersplitterte Opposition kritisiert er als „Soros-Söldner“, die angeblich alle vom ungarischstämmigen Investor George Soros finanziert würden und dafür sorgen wollten, „noch in diesem Jahr 10.000 Migranten in Ungarn anzusiedeln“.

Viktor Orban

AP/Szilard Koszticsak

Orban erhielt am Sonntag neue Rückendeckung für seinen harten Kurs gegenüber jeglicher Zuwanderung

In der EU geht man davon aus, dass eine Neuauflage der Regierung Orban zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird. Seit 2010 steuert der Rechtspopulist einen Konfrontationskurs zur EU. Streitpunkte sind neben der Asylpolitik die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmaßliche Missbrauch von Fördergeldern. Von der EU beschlossene Quoten zur faireren Verteilung von Asylwerbern boykottiert Orban.

„Quälgeist dürfte noch lange erhalten bleiben“

Das deutsche „Handelsblatt“ kommentierte: „Insbesondere Deutschland und Frankreich werden sich bei ihren Plänen einer tiefgreifenden Reform der EU jetzt auf scharfen Gegenwind aus Budapest einstellen müssen. Orban pflegt im Rahmen der Visegrad-Gruppe enge Beziehungen zu den europakritischen Regierungen in Polen, Slowakei und Tschechien. Zum konservativ-rechtspopulistischen Bündnis in Österreich unterhält der FIDESZ-Chef ebenfalls exzellente Verbindungen.“

Noch schärfer die Einschätzung der deutschen „Zeit“ (Onlineausgabe): „Tatsächlich hat Viktor Orban mit seinem erneuten Triumph nicht nur seine Machtposition zementiert und seine Endlosära um eine vierte Amtszeit verlängert, sondern auch seine internationale Rolle als Leitbild der EU-skeptischen Rechten gestärkt. (...) Der EU dürfte ihr Quälgeist wohl noch lange erhalten bleiben.“

Grafik zeigt die Ergebnisse der Parlamentswahl in Ungarn

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Opposition unter Schock

Die Führer der Oppositionsparteien wirkten in ihren Ansprachen nach der Wahlniederlage schockiert. Mehrere Parteichefs und Spitzenkandidaten verkündeten ihren Rücktritt, darunter auch der Vorsitzende der Rechtsaußenpartei Jobbik, Gabor Vona. Der parteilose Bürgermeister der südostungarischen Stadt Hodmezövasarhely, der bei seiner Wahl im Februar von der vereinigten Opposition unterstützte Peter Marki-Zay, bemerkte dann auch bitter, bei dieser Wahl sei „die Opposition abgewählt“ worden. Er geißelte in einer ersten Reaktion auch die zerstrittenen Parteien, denen es nicht gelungen war, sich auf gemeinsame Kandidaten in den Einzelwahlkreisen zu einigen. Diese seien wegen „Verrätern und eigener Dummheit“ unterlegen.

Rechnen mit „grauenvollsten Dingen“

Orban werde nach seinem Sieg „um sich schlagen“, sagte Gaspar Miklos Tamas. Der prominente Philosoph und Publizist bezeichnete den Wahlsieg von Orban als „Tragödie“. Jetzt laute die Frage, „mit was für einem Staat wir in Zukunft rechnen müssen, wobei uns hier die grauenvollsten Dinge vorschweben“. Die Mehrheit der Wähler habe „für eine Politik, Mentalität, Kultur gestimmt, die all das einfach von der Landkarte fegen wird, was wir als ungarische Kultur, Tradition, Zivilisation bezeichnen“.

Auch Peter Kreko vom Budapester Thinktank Political Capital schließt aus, dass Ungarns Premier künftig versöhnlicher auftreten werde. „Es ist Träumerei, darauf zu hoffen, dass sich die Lage beruhigen wird. Orban braucht den ständigen Gegensatz und permanente Konflikte, um politisch erfolgreich zu sein“, sagte Kreko der britischen „Times“.

„Wir sind sanfte und freundliche Menschen“

Orban sprach am Wahlabend von einem „historischen Sieg“. Das Wahlergebnis gebe den Ungarn „die Möglichkeit, sich zu verteidigen und Ungarn zu verteidigen“. In seiner Rede zum ungarischen Nationalfeiertag am 18. März hatte Orban gesagt: „Wir sind sanfte und freundliche Menschen, aber wir sind weder blind noch tölpelhaft. Nach der Wahl werden wir uns natürlich Genugtuung verschaffen - moralische, politische und auch juridische Genugtuung.“ Aus dem Kontext ging hervor, dass diese Worte auf Kritiker seiner Regierung gemünzt waren sowie auf Journalisten, die jüngst korruptionsverdächtige Vorgänge in Orbans unmittelbarem Umfeld aufgedeckt hatten.

Ernüchternd fiel am Montag die Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) des Wahlkampfes in Ungarn aus. „Die exzessiven Ausgaben der Regierung für Anzeigen, die die Wahlkampfaussagen der Regierungskoalition verstärkten, haben die Chancen der Herausforderer auf einen Wettbewerb auf gleicher Basis untergraben“, erklärte der Wahlbeobachter Douglas Wake. „Einschüchternde und fremdenfeindliche Rhetorik, voreingenommene Medien und undurchsichtige Wahlkampffinanzierung“ hätten die politische Debatte behindert. Insgesamt seien die Grundrechte zwar respektiert worden, sagte Wake, die Wahl habe aber in einem feindlichen Klima stattgefunden.

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