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Hohe Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent

Das dritte Mal in Folge hat der ungarische Premier Viktor Orban mit seiner FIDESZ-Partei einen Wahlsieg eingefahren. Nach Auszählung fast aller Stimmen erreichte die Partei bei der Parlamentswahl am Sonntag 48,8 Prozent. Laut Daten der Wahlbehörde gehen 133 der 199 Mandate an die FIDESZ. Damit ist eine knappe Zweidrittelmehrheit möglich.

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Orban verkündete noch in der Nacht seinen Wahlsieg: „Ungarn hat heute einen großen Sieg errungen.“ Hinter dem Wahlergebnis stehe eine „große Schlacht“: „Wir haben einen schicksalsentscheidenden Sieg errungen, eine Möglichkeit erhalten, um Ungarn zu verteidigen.“ Der Premier dankte nicht nur den heimischen Wählern, sondern auch der im Ausland lebenden ungarischen Minderheit, die „geholfen hat, die Mutternation zu verteidigen. Es war gut, mit euch zu kämpfen“, so Orban.

Er kann nun seine vierte Amtszeit und die dritte in Folge antreten. Vor vier Jahren hatte FIDESZ mit 44 Prozent der Stimmen 133 Mandate und damit eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit gewonnen. Diese verlor die Regierung allerdings bei einer Parlamentsnachwahl im April 2015.

Kampagne für „Schicksalswahl“

Orban hatte das Votum in der Kampagne als „Schicksalswahl“ dargestellt: Es gehe darum, ob Ungarn ein „Einwanderungsland“ werde oder seine Identität behalten könne. Der einen harten Kurs gegen Flüchtlinge fahrende Orban wirft dem ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros seit Jahren vor, Millionen Migranten in Europa ansiedeln zu wollen, und stellt Oppositionspolitiker und Nichtregierungsorganisationen als „Soros-Söldner“ hin. Nur wenn er weiterregiere, könne das verhindert werden. Beweise für die angeblichen Pläne legte er nie vor.

Viktor Orban

APA/AP/Darko Vojinovic

Premier Orban erklärte sich am späten Sonntagabend zum Wahlsieger

Jobbik-Chef erklärt Rücktritt

Nach Auszählung fast aller Stimmen kam die Rechtsaußen-Partei Jobbik auf knapp 19,7 Prozent, die linke Liste MSZP-P mit 12,4 Prozent und die Grünen (LMP) auf knapp sieben Prozent. Noch am Wahlabend kündigte Gabor Vona als Vorsitzender der rechten Jobbik-Partei seinen Rücktritt an. Der Regierungswechsel sei das Wahlziel von Jobbik gewesen, was aber nicht gelungen sei, sagte er in einer ersten Reaktion. Es sei ein „Feiertag der Demokratie“ gewesen, da eine so hohe Wahlbeteiligung erreicht werden konnte.

Grafik zeigt die Ergebnisse der Parlamentswahl in Ungarn

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Die endgültige Sitzverteilung im neuen Parlament hängt allerdings noch vom Ausgang der Wahl in den Direktwahlkreisen ab. Die Stimmen von rund 270.000 Wählern, die nicht an ihrem ständigen Wohnort gewählt haben, werden erst in der nächsten Woche ausgezählt. Die Bekanntgabe der ersten Ergebnisse hatte sich verzögert, weil überdurchschnittlich viele Wähler am Sonntag zu den Wahlurnen strömten. Wegen des großen Andrangs hielten manche Wahllokale lange nach dem offiziellen Wahlschluss um 19.00 Uhr offen.

Wahllokal

APA/AP/MTI/Balazs Mohai

Die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl in Ungarn war überdurchschnittlich hoch

Asselborn: „Wertetumor neutralisieren“

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte angesichts von Orbans Wahlsieg die übrigen EU-Staaten zu einem energischen Handeln auf. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten sich „schnell und unmissverständlich auf der Basis des europäischen Vertragswerks“ einbringen, „um diesen Wertetumor zu neutralisieren“. Europa sei nicht aufgebaut worden, „um nationalen Ideologen in den Regierungen freie Fahrt zu gewähren“.

Erfreut reagierten die Regierungen der anderen Visegrad-Staaten, die Orbans Positionen etwa in der Migrationspolitik zum Teil mittragen. Die polnische Regierung sah in dem Sieg „eine Bestätigung der Emanzipationspolitik Osteuropas in der EU“. Der geschäftsführende Regierungschef Tschechiens, Andrej Babis, sprach von einem „überzeugenden“ Sieg. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic zeigte sich ebenfalls sehr erfreut und meinte, die Bürger des Nachbarlandes hätten „einen wahren Anführer“ gewählt.

AfD: „Schutzschild Europas“

Auch zahlreiche europäische Rechtsparteien gratulierten Orban zum Wahlsieg. Die rechtspopulistische deutsche AfD-Fraktion nannte die Wahl „einen guten Tag für Europa“. Unter Orban werde Ungarn ein „Schutzschild Europas“ gegen unerwünschte Einwanderer bleiben.

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: „Die von der EU angepriesene Umkehrung der Werte und die Masseneinwanderung wurden neuerlich abgestraft. Die national Denkenden können bei den nächsten Europawahlen 2019 die Mehrheit bilden.“ Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders postete auf Twitter ein gemeinsames Foto mit Orban und sprach von einem „wohlverdienten Sieg“. Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gratulierte Orban und lud in nach Israel ein.

Europäische Volkspartei gespalten

Gespalten präsentiert sich die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch FIDESZ gehört. Der deutsche Fraktionsvorsitzende Manfred Weber gratulierte Orban: Er freue sich darauf, mit diesem „weiter an gemeinsamen Lösungen für europäische Herausforderungen zu arbeiten“, schrieb der CSU-Politiker auf Twitter.

Der ebenfalls in der EVP befindliche österreichische Europaabgeordnete Othmar Karas appellierte dagegen, sich vor dem Abschicken von Gratulationsbotschaften an Orban dessen Politikstil genau anzuschauen. „Mit einer solchen Politik eine Zweidrittelmehrheit zu erringen ist gefährlich und muss die europäische Demokratie und die Freunde der EU-Werte herausfordern“, schrieb der ÖVP-Delegationsleiter auf Twitter.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, er werde am Dienstag mit Orban telefonieren, „um Fragen gemeinsamen Interesses zu diskutieren“. Die Kommission freue sich angesichts „vieler gemeinsamer Herausforderungen“ auf die Zusammenarbeit mit der neuen ungarischen Regierung. „Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit“, ließ auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) via Twitter wissen. „Ungarn ist für Österreich ein wichtiger Nachbar und Wirtschaftspartner.“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gratulierte Orban schriftlich und erinnerte an die enge Verbindung der beiden Länder, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es sei aber auch ganz offensichtlich, dass es in der Zusammenarbeit „Kontroversen“ gebe.

Amnesty International alarmiert

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich nach dem neuen Wahlsieg Orbans hingegen besorgt über die Menschenrechtslage im Land. Das Wahlergebnis mache Amnesty aber nur „noch entschlossener“, sagte die Geschäftsführerin von Amnesty Österreich, Annemarie Schlack. Die Politik Orbans habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass „kritische Stimmen attackiert und die Menschenrechte in unserem Nachbarland eingeschränkt wurden“. „Nach dem Ergebnis der Parlamentswahl ist zu befürchten, dass diese menschenverachtende Politik fortgeführt wird.“

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