Für Ankara „Propaganda“
Die UNO wirft der Türkei schwere Menschenrechtsverletzungen vor und fordert ein Ende des Ausnahmezustands. Die Notstandsgesetze würden genutzt, um gegen Regierungskritiker vorzugehen, lautet der Vorwurf.
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Der seit dem Putschversuch vom Juli 2016 geltende Ausnahmezustand müsse unverzüglich aufgehoben und die Rechtstaatlichkeit wiederhergestellt werden, hieß es vergangene Woche aus dem UNO-Menschenrechtsbüro.
Die hohe Zahl der Erlässe und in vielen Fällen das Fehlen einer Verbindung mit einer nationalen Bedrohung deuteten darauf hin, dass der Notstand ausgenutzt werde, um jegliche Kritik an der Regierung im Keim zu ersticken. Die Türkei wies die Kritik umgehend zurück. Der UNO-Bericht enthalte „unbegründete Vorwürfe, welche perfekt zur Propaganda von terroristischen Organisationen passen“, erklärte das Außenministerium in Ankara.
Zahl der Inhaftierungen „schlichtweg erschütternd“
UNO-Menschenrechtskommissar Seid Raad al-Hussein sagte, die Zahl der Inhaftierungen sei „schlichtweg erschütternd“. Insgesamt seien fast 160.000 Menschen festgenommen, etwa 152.000 Staatsbedienstete entlassen worden, viele von ihnen „völlig willkürlich“.
„Lehrer, Richter und Anwälte gekündigt oder angeklagt; Journalisten verhaftet, Medien geschlossen und Internetseiten gesperrt - es ist eindeutig, dass die verschiedenen Stufen des Notstands genutzt wurden, um die Menschenrechte einer großen Zahl von Menschen schwer zu verletzen“, so Hussein.
Vorwurf der Folter und Willkür
Auch Folter sei in der Türkei an der Tagesordnung, hieß es in dem 28 Seiten langen Bericht weiter. Schwere Prügel, sexuelle Gewalt, Elektroschocks und andere Foltermethoden wie Waterboarding seien von Polizei, Militärpolizei und anderen Sicherheitskräften eingesetzt worden.
Insbesondere im Südosten des Landes, wo auch die großen Kurdengebiete liegen, sei es zu Verstößen gekommen. Es seien Menschen getötet, übermäßige Gewalt eingesetzt sowie Häuser und kurdische Kulturgüter zerstört worden. Die UNO forderte einen vollständigen Zugang zu der Region, um die Situation genauer zu untersuchen.
Sippenhaftung bei Terrorverdacht
Nach Berichten der UNO wurden unter anderem 100 Schwangere oder Frauen kurz nach der Entbindung festgenommen, weil ihre Männer unter Terrorverdacht stünde. Derartige Dinge seien skandalös, brutal und könnten „wirklich nichts damit zu tun haben, das Land sicherer zu machen“, zitiert der Bericht den UNO-Hochkommissar für Menschenrechte.
Die Berichterstatter hätten mit Dutzenden Betroffenen, Angehörigen und Augenzeugen gesprochen und nur verifizierte Informationen in dem Bericht dokumentiert, betonte die Sprecherin des UNO-Büros, Ravina Shamdasani.
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