Gegen „Pro-Kreml-Desinformation“
Ein Bordell für Zoophile in Dänemark, Pläne für ein Massaker an Russischsprachigen in Lettland - nur zwei Falschinformationen, mit denen Russlands Machtapparat daran arbeitet, Europa zu destabilisieren. Vor gut zwei Jahren reagierte der EU-Rat und beschloss die Gründung der East Stratcom Task Force: Das Team soll von Brüssel aus Propaganda aufspüren und enttarnen.
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East Stratcom Task Force klingt nach einer schlagkräftigen, großen Einheit - tatsächlich besteht sie aus nur wenigen Informanten, die seit 2015 russische Falschinformation zusammensammeln. Offiziell ist von „Pro-Kreml-Desinformation“ die Rede. Über die Website, den zentralen Ausspielkanal der Gruppe, wird wöchentlich eine „Disinformation Review“ veröffentlicht. Die Plattform erreicht pro Woche 20.000 Personen, wie ORF.at in Brüssel in Erfahrung brachte - die Informationsquelle darf nicht genannt werden. Angesiedelt ist die Einheit beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD).
Votings und die „Troll Factory“
Auf Facebook und dem Kurznachrichtendienst Twitter folgen den „EU-Mythbusters“ 26.000 bzw. 33.000 Profile: Insbesondere diese beiden Kanäle liefern den schnellen Zugang zu den aufgespürten Fällen. In Videos krachen regelmäßig „Fake“- oder „Desinformation“-Stempel auf Falschberichte russischer Medien, etwa über angebliche Terroranschläge oder den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17, gefolgt von einer Richtigstellung. Aufgeklärt wird etwa über die Arbeit der russischen „Troll Factory“, einer Einheit, die in Russland „Fake News“ generiert.
Das Team der East Stratcom Task Force versucht zudem, User mit einfachen Mitteln direkt einzubinden, etwa per Abstimmung über die Top-Fakes der Woche. Für die verschiedenen Fälle gibt es einen Bereich mit Suchfunktion. Auch eine Auswertung mit Bezug zu Österreich ist darstellbar.
Ukraine noch immer im Fokus
Zulieferer und Quellen gibt es mehrere: Eine wichtige Bezugsquelle für Informationen ist die russische Plattform Theins.ru, die eine Rubrik mit Faktenchecks führt und russische Desinformation aufspürt. Auch verarbeitet man Informationen der ukrainischen Website Stopfake.org, immerhin steht die Ukraine noch immer im Zentrum russischer Kampagnen zur Desinformation.
3.500 Fälle veröffentlicht
Zu Beginn des Projekts war die Gruppe die erste und einzige Einheit, die zur Aufarbeitung der Falschnachrichten aus Russland abgestellt wurde. Seit heuer gibt es ein offizielles Budget: 1,1 Mio. Euro stehen der Einheit jährlich zur Verfügung. Die aufgearbeitete Menge an „Fake News“ ist nicht gerade gering: Mittlerweile wurden über die Website 3.500 Fälle veröffentlicht. Bei den Kommentaren in den Social-Media-Kanälen ist die Gegenseite aktiv - Gewaltaufrufe, Bedrohungen und Hasspropaganda sind keine Seltenheit.
Ein Teil des Teams ist für die Ausspielung russischer Inhalte und die Kommunikation mit russischen Bezugsquellen abgestellt. Alles das soll vor allem dem Zweck dienen, russischen Journalisten glaubhafte Information zur Verfügung zu stellen, wie ORF.at erfuhr. Auch gibt es Kontaktpersonen in Russland selbst, das sind meist Journalisten.
Reaktionen von politischer Seite in Russland gab es schon: So sprach der russische Außenminister Sergej Lawrow im Zusammenhang mit der East Stratcom Task Force unlängst von einer „anti-russischen Einheit“.
Keine Überschneidungen mit „High Level Group“
Mit der neu gegründeten „High Level Group“ gegen „Fake News“ - eine Initiative der EU-Kommission - arbeitet die East Stratcom Task Force zwar zusammen, personell gibt es aber keine Überschneidungen. Beim neu gegründeten Gremium soll es nicht nur um „Pro-Kreml-Desinformation“ gehen, sondern um „Fake News“ generell. Die 39 Experten (Journalisten, Faktenchecker, Vertreter Sozialer Netzwerke u. a.) planen nach offiziellen Angaben an der offiziellen EU-Strategie gegen „Fake News“.
„Orchestrierte Strategie“
EU-Sicherheitskommissar Julian King äußerte sich im Jänner bei einer Debatte über „Fake News“ im Europäischen Parlament zum vermuteten Ausmaß der Propagandaaktivitäten des Kreml. Es gebe „wenig Zweifel“, dass die russische Desinformationskampagne eine „orchestrierte Strategie“ ist, die über möglichst viele Kanäle verbreitet werde. Beispiele dafür habe die East Stratcom Task Force genügend aufgearbeitet, so King. Die Anstrengungen in der EU müssten nun „verdoppelt werden, um diese Propaganda zu entlarven“.
Links:
Valentin Simettinger, ORF.at, aus Brüssel