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„Schlanker Staat“ angepeilt

Die Regierung plant für kommendes Jahr ein Nulldefizit. Das kündigten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Dienstag an. „Ziel ist ein schlanker Staat, damit wir die Steuerlast für arbeitende Menschen senken können“, so Kurz.

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In diesem Jahr soll der Bund also nicht mehr ausgeben, als er einnimmt - trotz geplanter Steuersenkungen von zwei Mrd. Euro. „Das ist Jahrzehnte in Österreich unmöglich gewesen, diese Regierung wird es schaffen“, so Kurz. Strache dazu: „Man kann nicht mehr ausgeben, als man hat, das weiß jede Hausfrau.“

Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz

APA/Herbert Neubauer

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

„Klare Sparvorgaben an Minister“

Kurz sprach von „ambitionierten Zielen“, weil die Regierung Spielraum für die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen schaffen und gleichzeitig die Staatsschulden „in Richtung 60 Prozent“ der Wirtschaftsleistung senken wolle, ohne neue Steuern einzuführen. An die Minister habe es daher klare Sparvorgaben gegeben, „weil wir massive Einsparungen vornehmen in der Größenordnung von 2,5 Milliarden, um uns eine Steuerentlastung leisten zu können“.

Die geplanten Steuersenkungen sind so weit bekannt: Den Familienbonus bezifferte Kurz mit 1,5 Mrd. Euro. Dazu kommen noch die Senkung der Arbeitslosenbeiträge für Geringverdiener und der Mehrwertsteuer für Hoteliers. Außerdem kündigte Strache weitere Maßnahmen in den kommenden Jahren an: Sinken soll u. a. die Körperschaftssteuer für Unternehmen, auch die Abschaffung der kalten Progression will man angehen.

Erwachsenenschutzgesetz soll kommen

Die zuletzt noch offene Finanzierung der Reform der Sachwalterschaft wurde laut Kurz mittlerweile gesichert. Sowohl er als auch Strache sagten, dass das Gesetz mit 1. Juli in Kraft treten soll. Zuletzt gab es ein offenes Tauziehen zwischen Justiz- und Finanzministerium um die Finanzierung des Erwachsenenschutzgesetzes. Kurz dazu: „Wir sind die Regierungsspitze, und sowohl der Vizekanzler als auch ich haben mehrfach klargestellt, dass es kommen wird.“

Vorgabe an Finanzministerium

Bundeskanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Strache (FPÖ) machten dem Finanzministerium am Dienstag die Vorgabe, dass das Budget 2019 ohne neue Schulden auskommen soll.

Seine erste Budgetrede hält Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) in drei Wochen: Am 21. März stellt er das Doppelbudget 2018/19 im Nationalrat vor. Die Eckpunkte legten ÖVP und FPÖ bereits bei der Regierungsklausur im Jänner fest: Die Regierung will 2,5 Mrd. Euro einsparen, um die EU-Budgetvorgaben (ein „strukturelles Nulldefizit“ von maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung) umsetzen zu können.

Ende von Beschäftigungsprogrammen der alten Regierung

Ein Gutteil der geplanten Einsparungen soll durch das vorzeitige Ende von Beschäftigungsprogrammen der alten Regierung hereinkommen. Die Einsparungen bei Beschäftigungsbonus und „Aktion 20.000“ sollen nach Angaben aus Regierungskreisen mehr als eine Mrd. Euro bringen.

Während das vorzeitige Ende des Beschäftigungsbonus (eine Förderaktion für Unternehmen, die neue Mitarbeiter einstellen) in der Regierung unstrittig ist, gibt es bei der „Aktion 20.000“ noch ein Fragezeichen. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bekräftigte erst vorige Woche im Sozialausschuss, dass die Beschäftigungsaktion für ältere Arbeitslose nur ausgesetzt und nicht abgeschafft werde.

Personalabbau mit Aber

Eine weitere Milliarde Euro Sparpotenzial sieht die Regierung durch die Streichung von Budgetposten der Ministerien, die in der Vergangenheit nicht voll ausgeschöpft wurden. Details gibt es dazu allerdings noch nicht. Den Rest auf die 2,5 Mrd. will die Regierung durch Einsparungen bei Förderungen (190 Mio. Euro), bei ausgelagerten Bundesbehörden (140 Mio. Euro) und bei den Mietzahlungen des Bundes (50 Mio. Euro) hereinbringen.

Christoph Varga zu Nulldefizit

Die wirtschaftliche Lage ist günstig, somit würde es laut WIFO selbst dann zu einem Nulldefizit kommen, wenn die Regierung nichts macht, so ORF-Experte Christoph Varga.

Außerdem plant die Regierung einen Personalabbau im öffentlichen Dienst: Grundsätzlich soll nur noch jede dritte Pensionierung nachbesetzt werden. Allerdings soll es Ausnahmen bei Lehrern, Polizisten, Soldaten und in der Justizwache geben - also in den besonders personalintensiven Bereichen. Außerdem machte Löger klar, dass er auch dort, wo Mitarbeiter zusätzliche Einnahmen ermöglichen, keine linearen Kürzungen durchführen möchte - in der Finanzverwaltung also etwa bei Steuerprüfungen.

Einsparungen in AMS-Förderprogrammen?

Die Regierung plant offenbar auch große Einsparungen im Förderbudget des Arbeitsmarktservice (AMS). Das geht aus Unterlagen hervor, die nach APA-Informationen am Dienstag im AMS-Verwaltungsrat besprochen wurden. Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sollen um 600 Mio. Euro sinken. Neben den Programmen für Ältere und Langzeitarbeitslose soll offenbar unter anderem bei der Integration von Flüchtlingen gespart werden.

Im Förderbudget des AMS für 2018 waren den Informationen zufolge ursprünglich 1,94 Mrd. Euro vorgesehen. Im neuen, mit 22. Februar datierten Budgetplan sind es nur noch 1,36 Mrd. Euro. Besonders stark gekürzt werden eben die Mittel für die „Aktion 20.000“: Von ursprünglich 540 Mio. Euro blieben nur 110 Mio. Euro.

Ministerium gibt sich zugeknöpft

Gekürzt werden sollten auch die Förderungen für das erst im Vorjahr angelaufene Integrationsjahr (von 100 auf 50 Mio. Euro). Dieses Programm soll Flüchtlinge strukturierter an den Arbeitsmarkt heranführen. Gekürzt würden auch sonstige Fördermittel für Asylberechtigte (von 80 auf 20 Mio. Euro) und für Langzeitarbeitslose (von 120 auf 85 Mio. Euro).

Das Sozialministerium wollte die Zahlen auf APA-Anfrage nicht kommentieren. Man wolle der Budgetrede von Löger nicht vorgreifen, sagte eine Sprecherin von Hartinger-Klein. „Wir wissen, dass wir sparen müssen. Es gibt Zielvorgaben an die Ressorts, die ambitioniert sind“, so die Sprecherin. Konkrete Zahlen könne sie aber nicht bestätigen. Auch vom AMS gab es keinen Kommentar.

Kern verweist auf gute Konjunktur

SPÖ-Chef Christian Kern kritisierte die geplanten Kürzungen beim AMS. Hier werde „herzlose Politik“ auf dem Rücken von Älteren, Jugendlichen und Menschen, die Qualifizierungsmaßnahmen brauchen, gemacht. „Da werden die Betroffenen völlig im Stich gelassen“, kritisierte Kern und warf der Regierung vor, auch überbetriebliche Lehrwerkstätten streichen zu wollen.

Die Ankündigung der Regierung, im kommenden Jahr ein Nulldefizit erreichen zu wollen, erscheint für Kern damit in neuem Licht, wie er sagte. „In Wahrheit fallen ihnen durch die gute Konjunktur 1,5 Mrd. Euro in den Schoß, die sie nicht für Pensionen und Arbeitslosengeld ausgeben müssen“, so Kern gegenüber der APA: „Der Rest sind Kürzungen nicht im System, sondern bei den Menschen.“

Dass es angesichts des starken Wirtschaftswachstums und der sinkenden Ausgaben für das normale Arbeitslosengeld auch angemessen sein könnte, die Förderungen für aktive Arbeitsmarktpolitik zurückzufahren, wies Kern zurück: „Das sind alles Gruppen, die besondere Betreuung brauchen. Die werden durch die gute Konjunktur keinen Job finden.“

NEOS vermisst nachhaltige Reformen

Irritiert reagierte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung auf die Einsparungspläne im Arbeitsmarktbereich „Wieder einmal wird nicht im System, sondern bei den Menschen gespart", so Loacker. Anstatt in der Verwaltung und bei Entbürokratisierung zu sparen, würden Programme gestrichen, die helfen würden. Gerade jetzt, wenn es wirtschaftlich bergauf geht, solle man nicht bremsen, sondern sich bemühen, dass man Menschen in Beschäftigung und nachhaltige Reformen auf den Weg bringe.

LP: Aus ökonomischer Sicht unverständlich

Die Liste Pilz (LP) warf der Regierung Klientelpolitik vor. Außerdem befürchtet LP-Budgetsprecher Bruno Rossmann deutlich höhere Kosten als angegeben und eine Umverteilung zugunsten der oberen beiden Einkommensdrittel: „Die Bundesregierung soll den Menschen endlich klaren Wein einschenken und sagen, wie sie das alles finanzieren will.“

Das angekündigte Nulldefizit hält Rossmann „aus ökonomischer Sicht für unverständlich, weil ein Staat im Gegensatz zu einem privaten Haushalt wirtschaftliche, soziale, ökologische und gesellschaftspolitische Ziele wahrzunehmen hat“. Die Höhe der Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt hat sich daher nicht an einem ausgeglichenen Haushalt zu orientieren, sondern u. a. an Beschäftigung, fairer Verteilung, Lebensqualität und Umweltschutz.

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