Themenüberblick

Schwarzer Humor - bis es schmerzt

Sieben Oscar-Nominierungen und enthusiastisch schwärmende Kritiker in aller Welt: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ hat mit einer starken weiblichen Hauptfigur (Frances McDormand) in „#MeToo“-Zeiten das Zeug zum Kultfilm.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Es war schon der große Gewinner bei den Golden Globes: Gleich vier Auszeichnungen gab es für die Tragikomödie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, darunter auch den Globe für den besten Film. Und in wenigen Wochen könnte bei der Oscar-Verleihung noch die eine oder andere Trophäe folgen - der Film ist in sieben Kategorien nominiert, u. a. als bester Film, McDormand als beste Hauptdarstellerin sowie Woody Harrelson und Sam Rockwell jeweils als beste Nebendarsteller.

Tatsächlich ist das schwarzhumorige Werk einer der ungewöhnlichsten Filme der vergangenen Monate: Der irische Dramatiker und Regisseur Martin McDonagh („7 Psychos“) erzählt darin von einer Mutter (McDormand), deren Tochter auf grausamste Weise umgekommen ist und die sich auf einem Rachefeldzug der besonderen Art befindet.

Rollenmodell für junge Frauen

McDonagh sagt im Interview mit FM4, dass er unbedingt einen „amerikanischen“ Film drehen wollte, weil er die Landschaft liebe und das für die USA typische Kleinstadtleben samt Kleinstadtcharakteren, die aber eben nicht kleine Charaktere seien. Im Gegenteil: Seine Mildred Hayes hat den Kampfgeist einer ganzen Kompanie in sich vereint. McDonagh: „Es ist ungewöhnlich, eine so starke Frau zu sehen, die einen Raum betritt und signalisiert, dass sie keinerlei Angst vor welchem Kampf auch immer hat.“

Ein Rollenmodell für junge Frauen wollte er mit Mildred schaffen. So wie es einst unter jungen Männern als cool gegolten habe, wie Marlon Brando zu stehen und zu gehen, wünscht er sich, dass sich Mädchen und junge Frauen Mildred zum Vorbild nehmen: „Es sollte Hunderte solcher Frauen geben.“

Drei Werbetafeln als Anklage

Schon die Eröffnungssequenz des Films ist grandios: die titelgebenden Plakatwände („Billboards“), wie sie völlig verwaist, nebelumschlungen und kaum noch entzifferbar im Nichts des Bundesstaates Missouri stehen. Unterlegt sind die Tableaus mit einer himmlischen, von der Sopranistin Renee Fleming eingesungenen Version von „The Last Rose of Summer“ nach einem Text des irischen Poeten Thomas Moore. Da kann man freilich noch kaum erahnen, welche Rolle den verwitterten Werbetafeln in den folgenden knapp zwei Stunden dieses Films zukommen wird.

Mildred nämlich, die ihre Tochter auf brutale Art verloren hat, mietet die drei Plakatwände, um so dem Polizeichef des Ortes sein Versagen tagtäglich in großen Lettern vor Augen zu führen: Wie kommt es, fragt sie Polizeichef Willoughby, dass es bei einem derart schrecklichen Verbrechen (Mildreds Tochter starb im Zuge einer Vergewaltigung) noch immer keine Festnahme gibt? Es wird ein Kampf gegen machohafte Männer und ignorante Polizisten werden. Bei allem Verständnis für Mildreds Verzweiflung - mit ihrer besonderen Art der Rache bringt sie einen Gutteil der ländlichen Gemeinde gegen sich auf.

Man braucht einen guten Magen

Man sollte, um den Film wirklich goutieren zu können, über einen gewissen Hang zu düsterem und skurrilem Humor verfügen. Ansonsten dürften sich einige der durchaus gewaltbeladenen Szenen als nur schwer verdaulich erweisen. Immer wieder muss man an den Humor der Coen-Brüder denken, vor allem an deren „Fargo“. Damals blieb McDormand mit ihrem epochemachenden Auftritt in Erinnerung und erhielt für ihre Leistung einen Oscar. Auch diesmal ist ihre, bei den Golden Globes bereits honorierte Leistung jede Auszeichnung wert.

Filmszene  aus "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"

APA/AP/Fox Searchlight Pictures

McDormand empfiehlt sich für einen Oscar

Auch andere Schauspieler in „Three Billboards“ spielen Glanzrollen: Rockwell etwa macht als rassistischer Polizist eine fast atemberaubende Entwicklung durch. Peter Dinklage („Game of Thrones“), der hier einen imposanten Schnauzer zur Schau trägt, ist toll, ebenso der junge Lucas Hedges, bekannt aus „Manchester by the Sea“.

Dieser Film macht Mut

McDonagh, der 2012 mit „7 Psychos“ einen albern konstruierten Thriller über einen Drehbuchautor und sieben mordende Psychopathen geschrieben und inszeniert hatte, gelingt diesmal ein Wurf. „Three Billboards“ ist vieles: ein lakonischer Western - vor allem - und ein klarsichtiger Film über das amerikanische Dasein in einem „Flyover Country“, wie die Staaten zwischen Ost- und Westküste von den Küstenbewohnern gern sarkastisch genannt werden, weil dort kein Mensch freiwillig aus dem Flugzeug steigt.

Es ist aber auch ein Liebesfilm, ein Film über Respekt, in dem Männer weinen dürfen, und einer darüber, dass Gewalt an Frauen ernst zu nehmen ist. Es ist ein wilder, witziger, bösartiger und streckenweise überwältigend zärtlicher Film, der Lust macht, gemeinsam mit dieser westernhaften Mildred Hayes das Patriarchat einzureißen. Ob es dabei Tote geben wird, überlegt sie sich unterwegs.

Links: