Staatsanwaltschaft ermittelt
Wenige Tage vor der Landtagswahl in Niederösterreich hat FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer mehr Aufmerksamkeit bekommen, als ihm wohl lieb ist. Ein Bericht des „Falter“ über NS-verherrlichende Lieder in seiner Burschenschaft brachte Landbauer zahlreiche Rücktrittsforderungen ein. Er selbst wies am Mittwoch Schuld und Wissen von sich - und sah sich als Opfer einer „linken Meinungsdiktatur“.
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„In meiner Anwesenheit sind solche Lieder nie vorgekommen. Ich habe niemals verwerfliche Lieder gesungen“, sagte Landbauer am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal und bekräftigte seine Aussage am Abend in der ZIB2. Es sei nie darüber gesprochen worden, und er hätte das auch nicht toleriert. Neuerlich sagte der FPÖ-Politiker, dass er erst elf Jahre alt und noch nicht Mitglied der Burschenschaft gewesen sei, als diese 1997 ein Liederbuch mit teils den Judenmord und das Nazi-Regime verherrlichenden Liedern herausgegeben hatte.
Landbauer (FPÖ): „Habe Lieder nie gesungen“
Landbauer bestreitet in der ZIB2, eines der Nazi-Lieder in seiner Verbindung gesungen zu haben. Er verlangt eine Prüfung und Aufklärung. In der Verbindung sei es nie rassistisch zugegangen.
Seiten „entfernt oder geschwärzt“
Wie der „Falter“ vorab am Dienstag berichtete hatte, heißt es dort etwa Wörtlich: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million’“ und weiter „Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines’: ,Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.’“ Gegenüber dem „Falter“ sagte ein Sprecher des FPÖ-Politikers, seit Landbauer das Buch kenne, seien die fraglichen Seiten „entweder entfernt oder geschwärzt“ gewesen.
Kurz nach der Veröffentlichung durch den „Falter“ sagte Landbauer noch am Dienstag, er habe seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft ruhend gestellt. Sowohl er als auch die Germania zu Wiener Neustadt distanzierten sich von den Liedtexten und kündigten eine Untersuchung an. Am Mittwoch leitete die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt ein.
Landbauers Maßstab
Am Mittwoch sagte Landbauer erneut, mit antisemitischem und nationalsozialistischem Gedankengut habe er nichts am Hut. Er ließ aber gleichzeitig wissen, dass er sich von einer „linken Meinungsdiktatur“ nicht vorgeben lasse, was böse und was gut sei. Der FPÖ-Politiker wies auch Kritik an seiner Unterstützung für den rechtsextremen Verein Junge Patrioten sowie an seinen Kontakten zur einschlägigen Zeitschrift „Aula“ zurück. Der „Falter“ und das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) seien für ihn „nicht der Maßstab“, was man singen und sagen dürfe oder was rechtsextrem sei, so Landbauer.
Erst am Sonntag hatte das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet, dass Landbauer im Jahr 2010 - als er bereits Spitzenfunktionär der Freiheitlichen Jugend war und im selben Jahr Stadtrat in Wiener Neustadt wurde - die Jungen Patrioten unterstützt habe. Damals habe er auch ein Liederbüchlein der rechtsextremen Organisation beworben, in dem sich auch Lieder aus der NS-Zeit fanden, so der Bericht.
Darauf angesprochen, sagte Landbauer, es habe sich um Lieder gehandelt, „die damals auch gesungen wurden“. Aber: „Ich werde mir auch nicht nehmen lassen, ‚O Tannenbaum‘ oder ‚Stille Nacht‘ zu singen.“ Ein gewagter Vergleich: Laut dem DÖW finden sich 55 der Lieder im Liederbuch der Jungen Patrioten auch in der neunten Auflage des SS-Liederbuchs von 1942.
Rückendeckung von Strache
An Rückendeckung für Landbauer ließ es seine Partei nicht mangeln. Die FPÖ Niederösterreich sprach bereits am Dienstagabend von „Hatz“ und „linkem Scherbengericht“. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sah am Mittwoch ein „durchsichtiges, konstruiertes Manöver“. Auf Facebook postete Landbauer am Mittwoch ein Bild an der Seite von Parteichef Vizekanzler Heinz-Christian Strache und den Slogan: „Jetzt erst recht!“.
Strache hatte den niederösterreichischen Spitzenkandidaten kurz davor öffentlich in Schutz genommen. Es handle sich um ein „wirklich widerliches und antisemitisches Lied“, derartige Texte hätten in unserer Gesellschaft nichts verloren, sagte der FPÖ-Obmann. Doch die Liedtexte seien „von wem auch immer“ erzeugt worden. Landbauer habe ihm versichert, dass er die Texte nicht gekannt habe, sagte Strache am Rande des Ministerrats.

APA/Georg Hochmuth
Strache glaubt Landbauer
Auf die Frage, ob nun - knapp vor der Landtagswahl - angesichts von Rücktrittsforderungen Konsequenzen nötig seien, sagte der Vizekanzler, Landbauer habe die Sache „sehr deutlich klargestellt“ und selbst Aufklärung gefordert. Für den Text trage er keine Verantwortung. Komme es zu derartigen Vorfällen, sei das „schärfstens zu verurteilen“.
„Burschenschaften haben nichts mit FPÖ zu tun“
Außerdem: „Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun“, so Strache. Freilich sind 18 der 51 FPÖ-Mandatare im Nationalrat Mitglieder einer deutschnationalen Burschenschaft. Und die FPÖ Wien richtet heuer zum fünften Mal den Wiener Akademikerball aus, der in den Jahrzehnten zuvor als Wiener Korporationsball von farbentragenden und mehrheitlich schlagenden Hochschulkorporationen veranstaltet wurde.
FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl bezeichnete die aktuellen Vorkommnisse als „äußerst bedauerlich“ und sprach sich für Aufklärung und Distanzierung aus. Konsequenzen zu fordern, das sei aber als unabhängige Außenministerin nicht ihre Aufgabe, sie sehe sich „nicht legitimiert, irgendetwas zu kommentieren“. Landbauer sei FPÖ-Spitzenkandidat bei der niederösterreichischen Landtagswahl, das sei keine bundespolitische Angelegenheit. Die Angelegenheit verurteile sie aber „aufs Schärfste“.
Keine Kritik an FPÖ von ÖVP
Verurteilt wurden die antisemitischen Zeilen auch vom Koalitionspartner der FPÖ. Der Text sei „absolut indiskutabel“, sagte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch. Er forderte ebenfalls Aufklärung. Die Verantwortlichen sollten zur Verantwortung gezogen werden. Danach gefragt, ob damit dem Ansehen der Regierung im Ausland geschadet werde, meinte Blümel, er sei nun einige Male in Brüssel und Straßburg gewesen, und dort würden die Inhalte des Koalitionsübereinkommens gut aufgenommen.
Auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte, dass kein Platz für derartiges Gedankengut sein dürfe. Am Dienstagabend hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Twitter die Liedtexte als „rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig“ bezeichnet und ebenfalls „volle Aufklärung“ gefordert. Kritik in Richtung des Koalitonspartners blieb bisher aber vonseiten der Bundes-ÖVP aus.
Mikl-Leitner: Aufklärung als Bedingung
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bezeichnete die Vorwürfe als „schwer“. Sie erwarte sich „nicht nur Aufklärung, sondern auch klare Distanzierung. Wenn ich an die Zukunft der niederösterreichischen Landesregierung denke, dann muss es Klarheit über die Vergangenheit geben“, so Mikl-Leitner.
Wer in die Regierung komme, liege in der Hand der Wähler, sie strebe ein Arbeitsübereinkommen mit allen in der Regierung vertretenen Parteien an. „Bevor aber über ein Arbeitsübereinkommen verhandelt wird, müssen diese schwerwiegenden Vorwürfe restlos aufgeklärt werden“, sagte die ÖVP-Spitzenkandidatin.
Ruf nach Konsequenzen
Stärker fiel die Reaktion der SPÖ aus. Bundesgeschäftsführer Max Lercher verlangte den sofortigen Rücktritt Landbauers. Auch die ÖVP dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sagte er in einer Aussendung. Der niederösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller forderte am Mittwoch ebenfalls Konsequenzen. Und für die grüne Spitzenkandidatin Helga Krismer hat sich der FPÖ-Spitzenkandidat „ein für alle Mal für jede politische Funktion disqualifiziert“.
Dezidiert den Rücktritt hatte bereits am Dienstag die niederösterreichische Spitzenkandidatin von NEOS, Indra Collini, gefordert. Auf Bundesebene stellte am Mittwoch der niederösterreichische NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP). Darin geht es unter anderem um die Frage, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch Landbauer betreffen. NEOS will vom Innenminister außerdem erfahren, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz aktiv wurde.
„In der Politik nichts zu suchen“
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich am Mittwoch zu Wort. „Die bekanntgewordenen Liedtexte der Germania sind antisemitisch und rassistisch. Sie verhöhnen die Opfer des Holocaust. Das ist zutiefst verabscheuungswürdig und darf in Österreich keinen Platz haben“, schrieb der Bundespräsident auf Twitter.
Er wiederholte damit eine Aussage, die er zuvor im Interview mit dem „Standard“ getätigt hatte. Die Mitglieder der Germania stünden im Verdacht der Wiederbetätigung, so Van der Bellen weiter. „Wer immer dafür verantwortlich ist, hat in der Politik nichts zu suchen.“
„Müssen ja alle Mitglieder gewusst haben“
Vor seinem Besuch im Europarat am Donnerstag sagte Van der Bellen Ö1, er sei „fassungslos“. „Das müssen ja alle Mitglieder dieser Burschenschaft gewusst haben, was in diesem Liederbuch gestanden ist, auch der Vizeobmann muss das gewusst haben“, so Van der Bellen in Straßburg.
Die Frage nach einem Rücktritt Landbauers bezeichnete er als „eine wichtige Frage“, aber genauso wichtig seien die Fragen: „Was ist das überhaupt für ein Verein? Wie viel Wiederbetätigung liegt hier vor?“ Er wolle sich nicht in den niederösterreichischen Landtagswahlkampf einmischen, so Van der Bellen. „Mir geht es um übergeordnete Fragen: Wie ist es möglich, dass heute in einem regulären Verein ein solches Gedankengut offensichtlich vertreten wird.“
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