Prüfung juridischer Schritte
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) fordert anlässlich des Liederbuchs der Burschenschaft Germania zu Wiener Stadt mit NS-Verherrlichungen den Rücktritt des FPÖ-Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer: Wenn Landbauer seine Distanzierung ernst meine, müsse er zurücktreten, so IKG-Präsident Oskar Deutsch am Mittwoch in einer Aussendung.
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Wieder stehe ein FPÖ-Politiker aus dem deutschnationalen Lager im Mittelpunkt einer Affäre um NS-Verherrlichung und Holocaust-Revisionismus, kritisierte Deutsch. „Wieder nötigt uns ein antisemitischer FPÖ-Skandal, unseren Gesprächspartnern in Brüssel zu versichern, dass die FPÖ nicht das wahre Österreich repräsentiert“, meinte Deutsch, der sich am Mittwoch anlässlich der Schoah-Gedenkveranstaltung im Europäischen Parlament in Brüssel befand. „Anstatt Österreich von Kellernazis zu befreien, hievt die FPÖ deutschnationale Burschenschafter in Spitzenfunktionen von Ländern und Bund.“
Die IKG prüfe nun juridische Schritte zur Klärung der Verantwortlichkeit für das Liederbuch der Germania, hieß es in der Aussendung. Die Behörden seien aufgerufen, die Germania und andere deutschnationale Burschenschaften unter Beobachtung zu stellen, forderte Deutsch. „Österreich ist nämlich anders, als es die FPÖ erscheinen lässt.“
IKG boykottiert Gedenkveranstaltung im Parlament
Die FPÖ ist auch der Grund, warum die IKG am Donnerstag nicht an der Gedenkveranstaltung des Parlaments im Wiener Palais Epstein teilnimmt. Die Parlamentsdirektion hatte am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus neben den Abgeordneten aller Parteien auch die Vertreter von Religionsgemeinschaften und Vereinen eingeladen.
Deutsch begründete das Fernbleiben der IKG gegenüber dem Ö1-Morgenjournal damit, dass „deutschnationale Burschenschafter 40 Prozent“ der FPÖ-Mandatare ausmachten. „Und seit es die Regierung gibt, gibt es immer wieder antisemitische Rülpser“, so der IKG-Präsident: „Mit solchen Leuten wollen wir nichts zu tun haben und mit solchen Leuten wollen wir auch nicht der Leute gedenken, die in der Schoah umgekommen sind.“
Sobotka bedauert
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte Verständnis für „dieses Verhalten“. Er finde „es auch sehr schade, dass manche nicht kommen, weil der Dialog immer das Wichtigste ist, und den möchte ich auch gerade in dieser Veranstaltung in besonderer Art und Weise in den Mittelpunkt stellen“, sagte Sobotka gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.
Auf die Frage, ob Landbauer als Mitglied einer künftigen niederösterreichischen Landesregierung tragbar wäre, sagte der ehemalige niederösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter: „Ich denke, diese Dinge gehören aufgeklärt“, zu entscheiden hätten die Sache aber andere Personen als der Nationalratspräsident. „Ich habe hier meine Haltung, dass hier sowohl strafrechtlich als auch politisch alles auf den Tisch kommen muss“, so Sobotka.
SOS Mitmensch: Kein Ausreißer
Scharfe Kritik an Landbauer kam am Mittwoch von der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch: „Landbauer versucht, die Öffentlichkeit jetzt an der Nase herumzuführen. Das brutal antisemitische Nazi-Liederbuch seiner Burschenschaft ist kein Ausreißer“, meinte Sprecher Alexander Pollak. Er verwies in einer Aussendung darauf, dass Landbauer „über einen längeren Zeitraum ein Naheverhältnis zur antisemitischen Zeitschrift ‚Aula‘“ gepflegt habe - und dort triefe es förmlich vor „Antisemitismus, Herrenrassendenken und Neonazi-Sympathien“.
Es müsse „endlich Schluss sein (...) mit der Verharmlosung von Nazi-Burschenschaften, die eine weitere Million Juden ermordet haben wollen, weil ihnen sechs Millionen Mordopfer zu wenig waren“, forderte Pollak. „Es muss Schluss sein mit der Verharmlosung von Personen mit einem Naheverhältnis zu antisemitischen, rechtsextremen und neonazinahen Kreisen, die die Macht in Österreich übernehmen wollen.“
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