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„Fürchten uns vor niemandem“

Die Türkei will bei ihrer Militäraktion im Norden Syriens nach Angaben von Außenminister Mevlüt Cavusoglu Gefechte mit syrischen, russischen und US-Soldaten vermeiden. Sie werde allerdings alles tun, was für ihre Sicherheit notwendig sei, sagte der Minister laut einem Fernsehbericht am Dienstag. Andernfalls stünde die Zukunft der Türkei auf dem Spiel.

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„Wir fürchten uns vor niemandem, wir sind entschlossen, ... und wir werden nicht mit Ängsten und Bedrohungen leben“, sagte Cavusoglu. Ein Regierungssprecher sagte später, die Militäraktion werde erst beendet, wenn die 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei sicher heimkehren könnten. In der Zeitung „Habertürk“ drohte der Außenminister auch die Ausweitung des Einsatzes auf weitere kurdisch kontrollierte Gebiete an.

Kurden rufen Generalmobilmachung aus

Zugleich appellierte er an die USA, auf die mit ihr verbündete kurdische Miliz YPG einzuwirken. Diese gebe von der ostsyrischen Region Manbidsch aus „ständig Störfeuer“ ab, sagte Cavusoglu. „Wenn die USA das nicht stoppen können, werden wir das stoppen“, sagte er.

Die Verwaltung in den von Kurden kontrollierten Gebieten Syriens rief unterdessen die Generalmobilmachung aus. „Wir fordern unser gesamtes Volk auf, Afrin und seine Würde zu verteidigen“, heißt es in dem Appell. Die syrischen Kurden haben seit dem Beginn des Bürgerkriegs drei autonome Bezirke geschaffen, darunter Afrin im Nordwesten Syriens an der Grenze zur Türkei.

Luftangriffe fortgesetzt

Die Gefechte in der nordwestsyrischen kurdischen Enklave Afrin hielten am Dienstag unterdessen an mehreren Fronten an. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien und kurdischer Kämpfer flogen trotz schlechter Wetterbedingungen türkische Kampfjets über das Gebiet um Afrin. Ein kurdischer Sprecher berichtete von Artilleriebeschuss im Norden der Region.

Zudem sollen auch Kurdengebiete in der Stadt Kamischli im Nordosten Syriens von der Türkei aus beschossen worden sein. Dabei seien zwei Kinder verletzt worden. Die türkische Zeitung „Hürriyet“ berichtete, die in der Grenzprovinz Mardin stationierten Soldaten hätten damit auf Beschuss von kurdischen Milizen aus Syrien reagiert. Von offizieller Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung.

Mehr als 100 Tote?

Nach Angaben der Menschenrechtsbeobachter wurden seit Beginn der Offensive mindestens 100 Menschen getötet, darunter 23 Zivilisten und mehrere Kämpfer auf beiden Seiten. Zudem wurden nach offiziellen Angaben zwei türkische Soldaten getötet. Die türkische Armee meldete am Dienstagabend, dass mindestens 260 „Angehörige von Terrororganisationen“ getötet wurden. Die Türkei zählt die YPG sowie die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) dazu.

Nach Schätzungen der UNO sind mittlerweile 5.000 Menschen geflüchtet. Die schwächsten der Betroffenen hätten allerdings zurückbleiben müssen, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten UNO-Bericht, der sich auf Quellen an Ort und Stelle stützt. Die Organisation stehe bereit, in der Region Afrin 50.000 Menschen zu versorgen. Sollte es Fluchtbewegungen in Gebiete geben, die von der syrischen Regierung kontrolliert würden, gebe es Vorräte für weitere 30.000 Menschen.

Kritiker in der Türkei verfolgt

Unterdessen gehen die türkischen Behörden gegen Kritiker der Militäroperation im eigenen Land vor. Der Sprecher der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Ayhan Bilgen, sagte, die Polizei habe Razzien in Provinz- und Bezirksbüros der HDP unter anderem in der südosttürkischen Provinz Siirt, in der Hauptstadt Ankara und in der westtürkischen Stadt Izmir durchgeführt. Mehrere HDP-Politiker seien festgenommen worden. Zudem sei Haftbefehl gegen den Vizevorsitzenden der Partei, Nadir Yildirim, erlassen worden, der sich in Sozialen Netzwerken nach Angaben der HDP kritisch über die Militäroffensive geäußert hatte.

Die Zeitung „Cumhuriyet“ berichtete von mindestens fünf Journalisten, die seit dem Vortag wegen kritischer Äußerungen in den Sozialen Netzwerken festgenommen wurden. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete insgesamt 91 Festnahmen wegen „Propaganda für Terrororganisationen.“ Präsidentensprecher Ibrahim Kalin erklärte, gegen alle Aktivitäten der „Desinformation“ werde gerichtlich vorgegangen.

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